Die Corona-Krise hat den Gewinn beim Autobauer Daimler massiv einbrechen lassen.

Das Betriebsergebnis rutschte im Auftaktquartal um fast 80 Prozent auf 617 Millionen Euro ab, wie der Stuttgarter Konzern in der Nacht zum Donnerstag mitteilte. Den ursprünglichen Jahresausblick kippten die Schwaben ebenso wie zuvor schon der Wolfsburger Rivale Volkswagen nach einem ebenso starken Ergebnisrückgang. Wie VW hatte auch Daimler schon Mitte März auf die nicht absehbaren wirtschaftlichen Folgen der Pandemie hingewiesen. Das dicke Ende für die Branche kommt nach Ansicht von Analysten allerdings noch, da die Krise erst im gerade begonnenen zweiten Quartal voll zu Buche schlagen dürfte.

"Bei Daimler wird das zweite Quartal wahrscheinlich noch schlechter ausfallen als das erste Quartal", sagte Jürgen Pieper vom Bankhaus Metzler. Den Stuttgartern werde es wahrscheinlich nur mit Mühe und Not gelingen, sich in diesem Zeitraum in den schwarzen Zahlen zu halten, da die Märkte in Europa und den USA kollabierten. Zur Größenordnung des erwarteten Einbruchs verwies Marc-Rene Tonn vom Bankhaus M.M. Warburg auf Gespräche mit Zulieferern: "Die gehen im April von einem Umsatzrückgang um die 90 Prozent aus" sagte der Autoanalyst und fügte hinzu: "Das muss man erstmal sacken lassen."

Daimler hatte - wie andere auch - seine Produktion in Europa in der zweiten März-Hälfte heruntergefahren und erst nach vierwöchigem weitgehenden Stillstand in dieser Woche begonnen, Komponentenwerken für Mercedes-Pkw und Lastwagen wieder anzufahren. Zeitweise durften die Händler in Deutschland auch gar keine Autos verkaufen. Auch jetzt laufen überall in der Branche die Bänder mit deutlich niedrigerer Kapazität als vor der Krise. Entsprechend gering ist noch der Bedarf an Teilen, den sie bei ihren Lieferanten abrufen.

Autoanalyst Tonn verweist darauf, dass die ersten Monate bei einigen Herstellern schon schwach waren, weil sich die Corona-Krise in China auswirkte. Aus den Erfahrungen beim Stillstand in China hätten die Hersteller gelernt und in Europa vorsorglich viele Teile und Materialien auf Halde gelegt. Das habe vermutlich zum Ende des ersten Quartals zu einem hohen Vorratsbestand geführt und den Barmittelzufluss erheblich gedrückt. Im ersten Quartal verbrannte Daimler 2,3 Milliarden Euro. Die Liquidität des Industriegeschäfts schmolz um 15 Prozent auf 9,3 Milliarden Euro ab.

Auch Volkswagen verbrannte Milliarden, weil der Konzern während des Stillstands keine Einnahmen hat, die Kosten aber weiter laufen. Höchste Priorität hat für Hersteller und Lieferanten daher, das Geld beisammenzuhalten. Daimler hatte sich erst unlängst bei mehreren Banken eine Kreditlinie über zwölf Milliarden Euro verschafft: "Angesichts des Umstands, dass wir umfassende Maßnahmen zum Schutz unseres Barmittelbestands getroffen und unsere finanzielle Flexibilität erhöht haben, sind wir zuversichtlich, für die Zeit während und nach der Krise gut positioniert zu sein", erklärte Daimler.

"NICHT VERGLEICHBAR MIT DEN SOMMERFERIEN"

Ob sich die großen Autokonzerne die hohen Investitionen in die Elektromobilität, Vernetzung und neue Mobilitätsdienste angesichts der Krise noch leisten können, hängt davon ab, wie schnell die Nachfrage zurückkehrt und die Werke wieder laufen. Experten gehen davon aus, dass das mindestens mehrere Wochen, wenn nicht sogar Monate dauern kann. Warburg-Analyst Tonn sagte: "Alle reden davon, es geht da wieder los und die Fertigung läuft wieder an. Aber das ist nicht vergleichbar mit der Sommerpause oder den Weihnachtsferien, wenn alle wiederkommen und der Schalter wird umgelegt. Wir reden von massiv reduzierten Kapazitäten. Und wir reden vermutlich erstmal von einer massiv reduzierten Nachfrage." Der Handel müsse erstmal zusehen, dass er die Autos vom Hof bekomme, die dort stünden.

Daimler erklärte, die Auswirkungen auf Nachfrage, Lieferketten und Produktion könnten derzeit nicht sicher und detailliert eingeschätzt werden. Der Konzern gehe aber davon aus, dass Absatz, Umsatz und operatives Ergebnis in diesem Jahr jeweils unter Vorjahresniveau liegen werden. Der Ergebnisrückgang in diesem Jahr werde auch die Liquidität im Industriegeschäft weiter belasten.

Nach den vorläufigen Zahlen sackte der Betriebsgewinn im ersten Quartal bei der Pkw-Tochter Mercedes-Benz wie auch im Nutzfahrzeuggeschäft um 55 Prozent ab. Der noch stärkere Rückgang des Konzernergebnisses rührt vom fast völligen Wegschmelzen des Geschäfts der Finanzierungstochter Daimler Mobility her, über die die Kredit- und Leasingverträge für die Fahrzeuge laufen. Diese verdiente nur 58 Millionen Euro nach 1,2 Milliarden Euro vor Jahresfrist. Zur Absicherung gegen Kreditausfälle traf sie eine Risikovorsorge von 400 Millionen Euro. Daimler-Chef Ola Källenius will die endgültige Quartalsbilanz am 29. April vorlegen. Am gleichen Tag will auch VW-Chef Herbert Diess die endgültigen Zahlen des Wolfsburger Konzerns präsentieren.