STUTTGART (awp international) - 4,3 Milliarden Euro markierten einmal einen beispiellosen Absturz. Nun, kein Jahr später, stehen sie für den Optimismus, dass ein von der Coronakrise in weiten Teilen verhageltes Jahr 2020 doch noch ein zumindest versöhnliches Ende nehmen könnte. 4,3 Milliarden Euro Gewinn vor Zinsen und Steuern sind das Ergebnis des Vorjahres, das der Auto- und Lastwagenbauer Daimler nun in etwa doch noch wieder zu erreichen glaubt - angetrieben von einem starken dritten Quartal und immer unter der Voraussetzung, dass Corona nicht noch einmal mit so heftigen Auswirkungen zuschlägt wie im Frühjahr. "Das ist natürlich in Anbetracht der Ereignisse der letzten Tage zunehmend schwierig", räumte Finanzchef Harald Wilhelm am Freitag zur Vorlage des detaillierten Zwischenberichts ein.

Die Daimler-Aktie lag am Mittag 2,2 Prozent im Plus bei 48,95 Euro. Im Kielwasser der guten Nachrichten aus Schwaben zogen vor dem Wochenende europaweit die Kurse im Autosektor an. Allerdings schlug sich Daimler zuletzt deutlich besser an der Börse als die Branche, die seit Jahresbeginn noch mit mehr als zehn Prozent im Minus liegt. Ganz anders die Aktien der Stuttgarter, die derzeit nicht weit unter dem Vorjahresniveau notieren. Vor wenigen Tagen hatten die Anteilsscheine mit knapp 50 Euro das höchste Niveau seit Januar erreicht. Das Corona-Tief vom März bei etwa 21 Euro ist schon lange abgehakt.

Daimler hatte bereits vorläufige Zahlen zum dritten Quartal vorgelegt, nun aber auch die Aussichten auf das Gesamtjahr näher erläutert. Philippe Houchois von der Investmentbank Jefferies sah Chancen für höhere Markterwartungen beim Ergebnis, zudem dürfte das Liquiditätspolster im vierten Quartal weiter gestärkt werden. Branchenkenner Tom Narayan vom Analysehaus RBC warnte jedoch, dass Investoren nicht allzu viel auf die hohen Margen aus dem dritten Quartal geben sollten. Viele der nun gesenkten Ausgaben würden künftig bei Daimler wieder anfallen.

Angesichts der Krise mit wochenlangem Stillstand in wichtigen Märkten, geschlossenen Autohäusern und heruntergefahrenen Fabriken war Daimler lange davon ausgegangen, bei allen wichtigen Kennzahlen unter dem Vorjahr zu landen. 2019 hatte dem Konzern zwar erneut einen Umsatzrekord gebracht, milliardenschwere Diesel-Altlasten und teure Anlaufprobleme bei neuen Modellen frassen aber einen Grossteil des Gewinns auf und liessen ihn um fast zwei Drittel einbrechen. 2020 soll es nun andersherum laufen: Absatz und Umsatz deutlich unter dem Niveau des Vorjahres, dafür will Daimler zumindest das operative Ergebnis, jene gut 4,3 Milliarden Euro, am Ende halten.

Vorstandschef Ola Källenius und Finanzchef Wilhelm hatten ihr Hauptaugenmerk früh darauf gelegt, das Geld zusammenzuhalten. Källenius zog die Schrauben seines schon vor Corona vorgelegten Sparkonzepts noch einmal fester an. In Verbindung mit der unerwartet raschen Erholung der Märkte und den wieder anziehenden Verkaufszahlen vor allem in China zahle sich die strenge Disziplin bei Kosten und Effizienz nun aus, betonte Wilhelm am Freitag.

"Mit diesem Schwung sind wir auf dem richtigen Weg, um unser Geschäft wetterfester zu machen", sagte er. "Die Transformation von Daimler ist allerdings ein Langstreckenrennen. Wir halten das Tempo weiter hoch - fokussiert und mit hoher Disziplin." Im Geschäft mit Pkw und Vans rechnet das Management sogar mit etwas mehr Umsatzrendite als zu Jahresbeginn, als Covid-19 noch keine Rolle spielte.

Was die Kosten angeht, hat Corona dem Konzern kurzfristig sogar in die Hände gespielt. Zwar sei der Effekt der Kurzarbeit, der im zweiten Quartal noch einen dreistelligen Millionenbetrag eingespart habe, im dritten schon wieder verschwunden gewesen. Dafür spare man weiter hohe Summen unter anderem bei den derzeit so gut wie gar nicht anfallenden Reisekosten ein, sagte Wilhelm.

Aber auch langfristig sollen die Kosten runter - auch beim Personal, das laut Wilhelm ein knappes Drittel ausmacht. Betriebsbedingte Kündigungen sind zwar kein Thema, dafür werden auf anderen Wegen Arbeitsplätze gestrichen. Wie viele es am Ende sein werden, ist immer noch nicht klar. Mindestens 15 000 auf jeden Fall, spekuliert wurde zuletzt eher im Bereich von 20 000 bis 30 000. Zuletzt zählte der Konzern weltweit knapp 292 000 Beschäftigte, knapp 13 000 weniger als vor einem Jahr. Vor allem habe man freigewordene Stellen nicht nachbesetzt, sagte Wilhelm. Das vor einigen Monaten angelaufene Abfindungsprogramm wirke sich bislang nicht gross aus.

Källenius will die Gewinnschwelle dauerhaft nach unten drücken. Dazu müssen auch die Elektro- und Plugin-Hybrid-Modelle profitabler werden, wie Wilhelm am Freitag betonte. Denn rund 45 000 verkaufte Fahrzeuge im dritten Quartal und eine laut Wilhelm stark steigende Nachfrage bringen Daimler zwar der Einhaltung der CO2-Grenzwerte näher. Weil die Fahrzeuge in der Herstellung aktuell noch deutlich teurer sind, bringen sie dem Konzern aber auch weniger ein.

Bei knapp 3,1 Milliarden Euro lag das Ergebnis vor Zinsen und Steuern im dritten Quartal. Das sind 14 Prozent mehr als im Vorjahresquartal. Unter dem Strich entfiel auf die Aktionäre ein Gewinn von 2,05 Milliarden Euro - das sind sogar 19 Prozent mehr. Und das bei einem um sieben Prozent gesunkenen Umsatz von 40,3 Milliarden Euro.

Wilhelm hob abgesehen von gesunkenen Kosten auch einen für den Konzern etwas zum Vorteil gewandelten Modellmix bei der Kernmarke Mercedes-Benz hervor. Heisst: Die Kunden griffen eher bei Modellen am oberen Ende des Preisspektrums zu, bei SUVs und der S-Klasse zum Beispiel, mit denen Daimler mehr Geld verdient. Das passt zu Källenius' Ansinnen, Mercedes stärker auf Luxus auszurichten. Das dritte Quartal habe gezeigt, dass sich die Strategie auch in vernünftige Ergebnisse umsetzen lasse, sagte Wilhelm.

Ob es denn nun dank steigender Verkaufszahlen bei den Elektro- und Hybrid-Modellen gelingt, die CO2-Ziele zu erreichen, darauf wollte sich der Finanzchef am Freitag nicht festnageln lassen. Man sei in Schlagdistanz, alles andere werde sich zeigen. Und auch beim seit Wochen durch die Welt geisternden Gerücht, Daimler und BMW planten den Verkauf einiger ihrer zusammengelegten Mobilitätsdienste, blieb Wilhelm bei der bisherigen Sprachregelung: Natürlich müssten die Dienste auf eigenen Füssen stehen und gegebenenfalls sei man natürlich auch offen für Partnerschaften. "Sie können keine dauerhafte Subventionierung erfahren", sagte er. Aber auch da habe man einen klaren Plan./eni/men