STUTTGART (dpa-AFX) - Der Auto- und Lkw-Bauer Daimler kommt zu keiner Verschnaufpause. Die schlechten Nachrichten reißen nicht ab. Der neue Vorstandschef Ola Källenius ist in seinen ersten Monaten stärker gefordert, als es ihm lieb sein kann. In rund einem Monat muss er dem Kapitalmarkt erläutern, wie er den neu aufgestellten Konzern wieder auf Kurs bringen will.

DAS IST LOS BEI DAIMLER:

Schon zwei Gewinnwarnungen musste Källenius in seiner rund fünfmonatigen Amtszeit verkünden, und Ende vergangener Woche kam ein weiterer angeordneter Rückruf wegen mutmaßlich illegaler Abgastechnik hinzu. Betroffen sind mehrere hunderttausend Mercedes-Benz-Fahrzeuge, darunter 260 000 Sprinter-Nutzfahrzeuge. Schon zuvor hatte Daimler auf Betreiben des Kraftfahrt-Bundesamts (KBA) mehrere Hunderttausend Fahrzeuge zurückrufen müssen. Daimler hält die benutzten, angeblich illegalen Abschalteinrichtungen für die Abgasreinigung allerdings weiter für zulässig.

Aus der Politik bläst dem Konzern aber nun stärkerer Gegenwind ins Gesicht. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) sprach in der "Bild am Sonntag" von "Trickserei" und "Salamitaktik" des Unternehmens. Damit wird die Lage für Daimler enger - auf dem Höhepunkt der von Volkswagen ausgelösten Dieselkrise war die Politik vor einigen Jahren noch mit einem sogenannten freiwilligen Rückruf mit Softwareupdates für damals betroffene Diesel zufriedengestellt.

All das macht Källenius die Aufgabe nicht gerade leichter, nach der Amtsübernahme vom langjährigen Daimler-Chef Dieter Zetsche die Geschäfte wieder zu stabilisieren. Die Pkw-Märkte weltweit bieten weiter Anlass zur Sorge, auch wenn Mercedes im dritten Quartal nach dem schwachen Jahresbeginn nun zumindest beim Absatz punkten konnte - vor allem dank der neuen Kompaktwagenmodelle.

Källenius muss Mitte November vor allem seinen neuen Sparkurs vorlegen, den schon Zetsche auf der Bilanzpressekonferenz Anfang Februar angekündigt hatte. Ein Gesamtpaket soll es werden, dass den Investitionsbedarf in neue Antriebe und Technik genauso bewältigt wie den Renditeanspruch der Investoren. Denn die Aktionäre mussten den Gürtel zuletzt deutlich enger schnallen, der Gewinn sackte auch wegen milliardenschwerer Dieselrückstellungen und einem Bußgeld deutlich ab. Der Schwede hat "dramatische" Effizienzsteigerungen gefordert und bei den Führungskräften in einem Brandbrief zu schnellen Sparerfolgen gemahnt.

DAS SAGEN DIE ANALYSTEN:

Die Erwartungen des Kapitalmarkts an das Paket sind enorm, Källenius muss mit seinem ersten großen Projekt viel verlorenes Vertrauen gutmachen. Der Konzern dürfte sich mit dem angekündigten Maßnahmenbündel eine Steigerung der Profitabilität sowohl in der Auto- als auch der Lkw-Sparte vornehmen, schrieb JPMorgan-Analyst Jose Asumendi. Das dritte Quartal dürfte immerhin besser ausfallen als die bisherigen Jahresergebnisse.

Commerzbank-Experte Demian Flowers sieht aber bereits neue Probleme aufziehen. Auch wenn die Margen bei der Pkw-Sparte Mercedes-Benz die Talsohle durchschritten hätten, sei auf Konzernebene noch nicht mit Besserung zu rechnen. Die Verluste beim Mobilitäts-Joint-Venture mit BMW lasteten auf der Sparte mit Finanzdienstleistungen, und die Vans-Sparte liefere immer noch schwache Ergebnisse.

Flowers Sorge bleibt der strukturelle Preisdruck im Premiumsegment. Das Umfeld bei den Preisen sei weiter klar schwach, auch weil man sich nicht mehr so sehr von der Konkurrenz abhebe. Daher glaube er nicht daran, dass Mercedes-Benz Cars angesichts höherer Kosten für CO2-Emissionen und Abschreibungen wie angestrebt 2021 wieder zu 8 bis 10 Prozent Zielmarge zurückkehren könne - trotz Kostensenkungen.

Auch im Lkw-Geschäft steht dem Konzern eine schwierigere Phase bevor, wenn es nach Kai Müller von der Bank of America geht. Der Markt für die schweren Nutzfahrzeuge, der bisher noch gut lief, dürfte sich ihm zufolge nämlich drehen. Schon länger stehen die Zeichen in der Weltkonjunktur auf Abschwung, und die Lkw-Märkte sind sehr konjuktursensibel.

Die Mehrheit der im dpa-AFX-Analyser erfassten Analysten, die sich seit Källenius' Amtsantritt geäußert haben, empfiehlt die Aktie immerhin zum Kauf. 10 von 22 Experten raten dazu, während 9 das Halten empfehlen und 3 den Verkauf der Papiere. Das durchschnittliche Kursziel liegt mit 54,50 Euro rund 15 Prozent über dem aktuellen Kurs.

DAS MACHT DIE AKTIE:

Die Daimler-Aktie hat sich für Aktionäre schon seit Langem nicht mehr so richtig ausgezahlt, wenn man auf den Kurs schaut. Mitte März 2015 lag das Hoch bei über 96 Euro, seitdem ging es in einem übergeordneten Trend bergab bis auf ein Tief im August dieses Jahres bei nur noch gut 40 Euro.

In diesem Jahr hat das Papier knapp 5 Prozent zugelegt. Das ist im Dax nur ein Platz im Mittelfeld, genauso wie im europäischen Branchenindex der Autobauer und Zulieferer. Immerhin schneiden die Stuttgarter besser ab als der Münchener Erzrivale BMW, der einen Kursverlust von knapp 6 Prozent aufzuweisen hat und damit im europäischen Branchentableau sogar das Schlusslicht ist.

Auch in diesem Jahr ist die Entwicklung der Aktie aber eher wechselhaft. Zunächst ging es deutlich bergauf bis auf das Hoch von 60 Euro, dann aber schlugen die Gewinnwarnungen nebst Milliardenbelastungen deutlich ins Kontor. Daimler ist an der Börse aktuell gut 51 Milliarden Euro wert und damit nur rund halb so viel wie zu Hochzeiten noch vor gut vier Jahren.

Für Neuanleger kann der Einstieg bei Daimler in schlechten Zeiten aber auch eine Chance sein. Zudem lockt eine hohe Dividendenrendite: Selbst bei der zuletzt deutlich auf 3,25 Euro je Aktie gekürzten Ausschüttung ist auf diesem Kursniveau eine Rendite von rechnerisch fast 7 Prozent zu erzielen. Allerdings fürchten Analysten schon, dass Daimler dieses Jahr auch die gekappte Prognose beim Free Cashflow verfehlt und per Saldo eben keinen Mittelzufluss präsentieren kann - das würde die Aussichten für die Dividende erneut schmälern. Der Konzern stellt in seiner Dividendenpolitik auf den Konzerngewinn als maßgebliche Einflussgröße ab und will davon in aller Regel 40 Prozent ausschütten./men/eas/fba