(neu: Altmaier-Pläne, Kritik des BDI im 5. bis 9. Absatz)

STUTTGART/BERLIN (dpa-AFX) - Chinas Unternehmen haben ihre Firmenkäufe und -beteiligungen in Europa zurückgefahren: Investoren aus der Volksrepublik gaben im vergangenen Jahr gut 17 Milliarden Dollar (15,6 Mrd Euro) für Zukäufe und Beteiligungen an Unternehmen in Europa aus. Verglichen mit dem Vorjahr bedeutet das einen starken Rückgang von 45 Prozent. Das hat die Beratungsgesellschaft EY errechnet. Demnach zogen die Aktivitäten chinesischer Firmen im zweiten Halbjahr stark an, nachdem es in der ersten Jahreshälfte nur wenige Transaktionen gegeben hatte.

Europaweit größter chinesischer Firmenkauf war die Übernahme der britischen Brauereigruppe GREENE KING für 5,5 Milliarden Dollar durch eine Immobilien- und Investmentfirma des Hongkonger Multimilliardärs Li Ka-Shing. An zweiter Stelle kam die Fünf-Prozent-Beteiligung des chinesischen Staatskonzerns Beijing Automotive an Daimler für knapp 2,9 Milliarden Dollar, so die am Donnerstag veröffentlichte Studie.

In Deutschland nahm die Zahl der Firmenübernahmen und -beteiligungen durch Chinesen 2019 zwar leicht von 35 auf 39 zu, mehr als in jedem anderen europäischen Land. Doch da es sich abgesehen von der Daimler-Beteiligung zum Großteil um relativ kleine Transaktionen handelte, sanken die Investitionen von 10,6 auf 4,6 Milliarden. Bisheriges Rekordjahr in Deutschland war 2017, als chinesische Firmen über 13,6 Milliarden Dollar für Übernahmen in Deutschland ausgaben.

Die Beobachtungen der China-Fachleute bei EY decken sich mit dem "Global China Investment Tracker" des American Enterprise Institute, einer konservativen US-Denkfabrik, die chinesische Investitionen weltweit analysiert. Die Zahlen stehen vor dem Hintergrund wachsenden Misstrauens gegen chinesische Firmenkäufe in Europa, nicht zuletzt wegen des Ziels der Pekinger Führung, den Westen und Japan in sämtlichen Schlüsselbranchen technologisch zu überflügeln. So hatte die Bundesregierung bereits 2018 ihre Veto-Möglichkeiten gegen Firmenkäufe ausländischer Investoren ausgeweitet.

Wirtschaftsminister Peter Altmaier will nun die Investitionsprüfung verschärfen. Konkret soll eine "voraussichtliche Beeinträchtigung" der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit für einen Einspruch genügen

- bisher war eine "tatsächliche Gefährdung" maßgeblich. Damit soll

eine EU-Verordnung umgesetzt werden. Zudem will Altmaier (CDU) in der Außenwirtschaftsverordnung strengere Vorgaben für "kritische Technologien" festschreiben - dazu gehört die Künstliche Intelligenz.

Widerstand kommt von der deutschen Industrie. "Die Verschärfungen öffnen einer industriepolitischen Instrumentalisierung des Außenwirtschaftsrechts Tür und Tor und höhlen den Eigentumsschutz unnötig aus", sagte BDI-Präsident Dieter Kempf der dpa. "Für Investoren und Unternehmen entstehen große Unsicherheiten."

Deutschland profitiere sehr von Investitionen aus dem Ausland und leide unter dem internationalen Trend zu mehr Abschottung. "Umso mehr müssen wir uns klar als offenes Land präsentieren", sagte Kempf. Der Staat müsse erst aktiv werden und Auslandsinvestitionen in sicherheitssensiblen Bereichen verbieten können, wenn sie mit tatsächlichen schweren Gefährdungen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit einhergingen.

Das Wirtschaftsministerium hält die Kritik des BDI für unbegründet. "Wir werden selbstverständlich den Eigentumsschutz nicht aushöhlen", sagte eine Sprecherin. "Wir aktualisieren unser Außenwirtschaftsrecht kontinuierlich und passen es aktuellen Gegebenheiten an - es wäre ein Stück weit nachlässig, dies nicht zu tun."

Die Kommunistische Partei in China nimmt das Misstrauen im Ausland sehr wohl wahr. So hat Peking nach Beobachtung europäischer Manager die Propaganda für die "Made in China 2025"-Kampagne weitgehend eingestellt, die große Besorgnis im Ausland ausgelöst hatte.

"Made in China 2025" ist das Motto des Plans, bis Mitte dieses Jahrzehnts in allen wichtigen Wirtschaftssektoren technologisch gleichzuziehen. Teils hat China Europa nach allgemeiner Einschätzung der Fachwelt bereits überholt, so in der Künstlichen Intelligenz.

In der längerfristigen Betrachtung haben chinesische Unternehmen 2019 so wenig Geld in Europa investiert wie seit 2013 nicht mehr. Inwieweit das auf Order des Pekinger Regimes zurückzuführen ist, lässt sich von außen schwer beurteilen. Laut American Enterprise Institute haben insbesondere große chinesische Staatsfirmen 2019 weniger im Ausland investiert.

Doch abgesehen von politischen Faktoren wächst die chinesische Volkswirtschaft inzwischen langsamer als in früheren Jahren, die Devisenreserven sind geschrumpft, die Unternehmensverschuldung hat rasant zugenommen. Da reiche Chinesen ihr Geld bevorzugt ins Ausland schaffen, versucht die Pekinger Führung, die Kapitalflucht mittels scharfer Kontrollen einzudämmen.

Die China-Fachleute bei EY gehen aber davon aus, dass chinesische Firmenkäufer in diesem Jahr wieder aktiver werden und auch die Coronavirus-Epidemie keine längerfristigen Auswirkungen haben wird./cho/DP/jha