Von Stephen Wilmot

FRANKFURT (Dow Jones)--Autos von Mercedes-Benz versprechen eine aufregende Fahrt. Doch Anleger sind in einem Lkw womöglich sicherer. Die lang erwartete Aufspaltung von Daimler wurde am Freitag abgeschlossen. Die Aktionäre können jetzt zwischen zwei Aktien abwägen: Ein Tesla-Konkurrent auf der einen oder eine Restrukturierungsstory bei Daimler Truck auf der anderen Seite. Bei all der Anziehungskraft der Premium-Automarke hat das Lkw-Geschäft wohl den risikoärmeren Weg vor sich.

Daimler Truck, dessen Aktie am Freitag erstmals an der Börse gelistet wurde, ist mit klarem Vorsprung der größte Lkw-Hersteller der Welt. Aber er hat im Konzern hinter dem auf den Endkunden ausgerichteten Autogeschäft immer die zweite Geige gespielt. So konnte das Lkw- und Busgeschäft jahrelang mit einer schwachen Performance davonkommen. Im dritten Quartal lag die bereinigte operative Marge bei 5,5 Prozent. Die des Konkurrenten Volvo ist doppelt so hoch. Die Aufspaltung, die CEO Ola Källenius im Februar angekündigt hatte, wirft ein Schlaglicht auf diese schwache Marge.


   Unterschiedliche Margen innerhalb des Lkw-Geschäfts 

Ähnlich sieht es auf der nächsten Hierarchieebene aus. Bei einem Kapitalmarkttag im November nannte Daimler Truck zum ersten Mal die Margen der verschiedenen Divisionen. Es zeigte sich, dass das nordamerikanische Lkw-Geschäft mit der Marke Freightliner im Vorkrisenjahr 2019 eine solide Marge von 11,5 Prozent erzielte, während die Lkw-Marke mit dem Mercedes-Stern es kaum über die Gewinnschwelle schaffte, trotz Marktführerschaft in Europa und Brasilien. Das Unternehmen hat einen neuen Chef angeheuert mit dem Auftrag, die Fixkosten zu senken.

Obwohl Kostensenkungen im gewerkschaftlich organisierten deutschen Industriesektor nie leicht sind, ist es doch ein bekanntes Konzept. Daimler tut dies seit Källenius' Amtsübernahme im Mai 2019. Das Marktumfeld ist außerdem günstig, was die Aufgabe womöglich leichter macht. Die Nachfrage nach Lkws ist stark, weil Verbraucher mehr Waren als Dienstleistungen nachfragen und der E-Commerce die Investitionen in Logistik ankurbelt.

Mercedes-Benz wiederum macht sich auf einen weniger eingefahrenen Weg. Källenius' Vision für die besser bekannte Hälfte des Konzerns lässt sich in zwei Worten zusammenfassen: luxuriös und elektrisch.


   Höhere Margen bei weniger Autos 

Die Konzentration auf Luxus dreht die dominante Strategie der Premiumhersteller Audi, Mercedes und BMW der vergangenen 20 Jahre ein Stück weit zurück, denn sie haben sich immer tiefer in die Mittelklasse vorgewagt. Für Mercedes könnte sich das auszahlen. Dieses Jahr, in dem wegen der Versorgungsengpässe in der Produktion weniger, aber dafür lukrativere Autos verkauft wurden, rechnet Mercedes-Benz mit einer bereinigten operativen Marge von 10 bis 12 Prozent. "Ein Premium-Hersteller sollte in der Lage sein, 15 Prozent zu erreichen", sagte Fondsmanager Michael Muders von Union Investment.

Die große Hoffnung ist, dass Mercedes-Benz eines Tages die riesigen Bewertungsaufschläge, die fokussierten Luxusmarken wie Ferrari und neuen Elektroautobauern wie Tesla und Lucid an der Börse zugestanden werden, gleichermaßen einsammeln kann. Mercedes' Flaggschiff-Elektroauto EQS steht im Wettbewerb mit dem Lucid Air und den Model S von Tesla.


   Kostensenkungen bei Daimler wohl leichtere Aufgabe 

Eine Frage ist, wie viel Mercedes-Benz bereit ist zu schrumpfen, um mehr Marge aus jedem seiner verkauften Autos zu pressen. Eine weitere ist die Auswirkung des Booms bei Elektroautos, deren Produktion wohl über Jahre hinaus noch mehr kosten wird als jene traditioneller Autos, was bei steigenden Absätzen einen Gegenwind für die Marge bedeutet. Der Konzern teilte im Juli mit, bis 2030 komplett auf Elektromobilität umzustellen, wenn die Marktbedingungen dies zulassen.

Källenius hat einen klaren, logischen und aufregenden Pfad für Mercedes-Benz aufgezeigt, doch dieser bedeutet eine tiefgreifende Transformation. Die Versprechungen von Kostensenkungen bei Daimler Truck lassen sich wohl leichter einlösen.

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December 10, 2021 08:40 ET (13:40 GMT)