Washington (Reuters) - Der US-Wirtschaft bleibt ein landesweiter Streik im Güterbahnverkehr mit Milliardenschäden und steigenden Preisen vorerst erspart.

Bahnunternehmen und Gewerkschaften einigten sich nach mehr als 20 Stunden Verhandlungen auf bessere Löhne und Arbeitsbedingungen, wie US-Präsident Joe Biden am frühen Donnerstagmorgen (Ortszeit) bekanntgab. Dessen Regierung hatte sich wegen der drohenden hohen ökonomischen Kosten erfolgreich um eine Vermittlung bemüht, ohne die bereits an diesem Freitag landesweite Streiks gedroht hätten. Der Demokrat nannte die Einigung "einen Sieg für Zehntausende von Eisenbahnarbeitern, die unermüdlich während der Pandemie gearbeitet haben, um sicherzustellen, dass Amerikas Familien und Gemeinden Lieferungen von dem erhalten, was uns in diesen schwierigen Zeiten am Laufen gehalten hat". Biden selbst rief Insidern zufolge Arbeitsminister Marty Walsh und die Unterhändler am Mittwoch gegen 21 Uhr an, um die Gespräche voranzutreiben.

Allerdings ist die Streikgefahr noch nicht vollständig gebannt. Der Kompromiss - zu dem noch keine Details genannt wurden - gehe nun erst einmal zur Abstimmung an die Gewerkschaften, wie eine mit den Verhandlungen vertraute Person der Nachrichtenagentur Reuters sagte. Diese vertreten rund 115.000 Beschäftigte. Sollte keine Zustimmung erfolgen, sei ein Streik aber zumindest für einige Wochen abgewendet. Ohne die Einigung hätte es schon ab diesem Freitag zu einer Arbeitsniederlegung kommen können. Die Verhandlungen hatten sich über mehr als zwei Jahre hingezogen.

Anleger reagierten erleichtert auf die Nachricht: Die Aktien großer Güterbahnanbieter wie Union Pacific, CSX, Norfolk Southern und Kansas City Southern legten vorbörslich zwischen 2,4 und 2,9 Prozent zu. Die Bahnunternehmen haben in den vergangenen Jahren Arbeitsplätze abgebaut sowie Löhne und andere Kosten gekürzt, während Gewinne, Aktienrückkäufe und Dividenden für Investoren stiegen. Die Gewinne der Holding Berkshire Hathaway des Milliardärs Warren Buffett, dem der Bahnanbieter BNSF gehört, stiegen im vergangenen Quartal um 9,2 Prozent auf 1,7 Milliarden Dollar. Die Zahl der US-Eisenbahner ist dem Arbeitsministerium zufolge seit 1970 von 600.000 auf zuletzt rund 150.000 gesunken.

AMTRAK STOPPT FERNZÜGE

Ein Stillstand hätte fast 30 Prozent der US-Gütertransporte zum Erliegen bringen können. Experten schätzen den volkswirtschaftlichen Schaden durch einen Streik auf rund zwei Milliarden Dollar - pro Tag. Lebensmittel-, Energie-, Auto- und Einzelhandelskonzerne hatten deshalb den Kongress zum Eingreifen aufgefordert. Eine Blockade des Schienenverkehrs bedrohe viele Bereiche - von der Getreideversorgung bis hin zu den Warenlieferungen für das anstehende Weihnachtsgeschäft.

Agrarverbände wie die National Corn Growers Association erklärten, eine Arbeitsniederlegung würde die landwirtschaftliche Produktion und die Lieferketten lähmen sowie die Inflation der Lebensmittelpreise verschärfen. Fast ein Viertel der US-Getreidelieferungen gehen über die Schiene, davon etwa die Hälfte Mais. Erste Transporte, die für diesen Donnerstag geplant waren, wurden bereits gestrichen.

Die Bahnbetreiber hatten am Montag die Annahme von Sendungen mit gefährlichen Stoffen wie Chlor und Chemikalien für Düngemittel gestoppt, damit diese nicht an unsicheren Orten stranden, sollte der Güterverkehr eingestellt werden. Die Energiebranche wiederum ist auf die Bahn angewiesen, um Kohle, Rohöl, Ethanol und andere Produkte zu transportieren.

Wegen des drohenden Streiks hatte der US-Bahnbetreiber Amtrak den Stopp seines Personenfernverkehrs verkündet. Alle Fernzüge würden ab Donnerstag gestoppt, teilte das Unternehmen mit. Amtrak ist zwar nicht direkt in den Arbeitskampf verwickelt. Allerdings betreibt der Konzern fast alle seiner 21.000 Streckenmeilen (33.800 km) außerhalb des Nordostens auf Gleisen, die Güterbahnbetreibern gehören und von ihnen instand gehalten werden.

(Bericht von Trevor Hunnicutt, geschrieben von Rene Wagner, redigiert von Ralf Banser. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)