Siemens, weltweit die Nummer zwei, übernimmt eine knappe Mehrheit am Rivalen Alstom und gibt seine eigene Zug-Sparte dafür an den neuen Konzern ab. Aus dem Hause Siemens Alstom kommen mit ICE und TGV damit künftig beide Hochgeschwindigkeits-Züge in Europa. "Wir wollten nicht einfach untätig dasitzen und zusehen", sagte Siemens-Chef Joe Kaeser am Mittwoch in Paris. "Wir haben die Kraft und den Willen, einen europäischen Champion auf einem globalen Markt zu schaffen." Alstom-Chef Henri Poupart-Lafarge, der den neuen Konzern führen soll, sagte: "Das war das Beste, was wir tun konnten." Trotz aller Sorgen um Arbeitsplätze stehen auch die Regierungen in Paris und Berlin hinter dem Projekt.

Siemens Alstom ist mit einem Umsatz von 15,3 Milliarden Euro allerdings nur halb so groß wie der chinesische Staatskonzern CRRC, der mit Macht auch auf die westlichen Märkte drängt. Doch das soll sich schnell ändern: Kaeser will den Umsatz bis 2023 auf mehr als 20 Milliarden Euro treiben und die Rendite auf das Niveau der Siemens-Sparte Mobilität bringen, die dank der lukrativeren Signaltechnik schon jetzt vor Zinsen und Steuern (Ebit) mehr als zehn Prozent erreicht. Er baut auf einen Auftragsbestand von zusammen 61 Milliarden Euro.

Doch Analysten zweifeln, ob sich die geplanten Einsparungen realisieren lassen. Siemens Alstom drohe sogar Geschäft zu verlieren, weil Kunden ihre Aufträge lieber auf zwei Anbieter verteilten, so Deutsche-Bank-Analyst Gael de-Bray. Zudem werde es schwer, angesichts des Einflusses der Politik Stellen abzubauen.

SORGEN UM ARBEITPSLÄTZE

Trotz der Wachstumspläne machen sich Arbeitnehmervertreter Sorgen um viele der zusammen 62.300 Arbeitsplätze. Allein bei Siemens arbeiten 29.500 Menschen in der Herstellung von Zügen, Straßenbahnen, Signaltechnik und Eisenbahn-Antrieben. "Das ist das Schlimmste, was uns passieren konnte", sagte Gewerkschafter Olivier Kohler im TGV-Werk von Alstom in Belfort. "Das kostet zweifellos Hunderte Jobs." Siemens-Gesamtbetriebsratschefin Birgit Steinborn sagte dagegen, die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat hätten durchgesetzt, dass die Standorte mindestens vier Jahre nach der Fusion erhalten blieben und Siemens ebenso lange auf betriebsbedingte Kündigungen verzichten werde.

Frankreichs Finanzminister Bruno Le Maire und der deutsche Regierungssprecher Steffen Seibert verwiesen auf Beschäftigungsgarantien. Beziffert wurden diese nicht. Kaeser sagte, vereinbart sei, Belastungen ausgewogen auf Deutschland und Frankreich zu verteilen - wenn es welche gebe. "Natürlich sind Stellenstreichungen Teil der Synergien." Das werde aber wohl nur die Verwaltung treffen. Alstom-Chef Poupart-Lafarge betonte: "Diese Fusion soll Arbeitsplätze schaffen." Siemens-Österreich-Chef Wolfgang Hesoun sagte in Fuschl bei Salzburg: "So lang wir ausgelastet sind, gibt es keinen Grund, Arbeitsplätze abzubauen."

Den Rückhalt aus der Politik hat die Fusion: Der Sprecher von Bundeskanzlerin Angela Merkel sprach von einem Projekt "von europäischem und globalem Rang". Frankreichs Finanzminister Le Maire sagte, die Fusion sei "der beste Weg, sich der Konkurrenz aus den USA und China zu stellen". Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries erklärte, der Zusammenschluss könne angesichts des harten Wettbewerbs "eine wichtige Zukunftschance sein". Die beiden Partner brauchen die Politik, um keine zu schmerzhaften Auflagen der Wettbewerbshüter zu erhalten. Siemens-Chef Kaeser hofft, dass die EU-Kommission dabei den Weltmarkt als Maßstab nimmt und nicht nur die Marktanteile in Europa, wo beide etwa den Markt für Straßenbahnen in Deutschland beherrschen.

FEIN AUSTARIERT

Das Gleichgewicht zwischen der deutschen und französischen Seite bei Siemens Alstom ist fein austariert. Siemens hält gut 50 Prozent der Anteile und kann den Bahntechnik-Konzern damit voll konsolidieren, verzichtete aber auf eine größere Mehrheit, damit Alstom von einer "Fusion unter Gleichen" sprechen kann. Geführt wird das Unternehmen mit Sitz und Börsennotiz in Paris von einem Franzosen, Siemens hat im Verwaltungsrat aber eine knappe Mehrheit.

Den Alstom-Aktionären, allen voran dem Mischkonzern Bouygues (28 Prozent), wird der geringere Einfluss mit einer Sonderdividende von bis zu 1,8 Milliarden Euro versüßt. Bei vielen deutsch-französischen Unternehmenszusammenschlüssen - von Airbus bis Sanofi - hatte sich am Ende letztlich ein Übergewicht der Franzosen entwickelt.

Deutlich abgehängt wird mit der Fusion die Nummer vier auf dem Zugmarkt, Bombardier, die auf 6,8 Milliarden Euro Umsatz kommt. Siemens hatte lange auch mit ihr verhandelt, aber Alstom vorgezogen. Bombardier-Aktien brachen vorbörslich ein. Man brauche keine Fusion, erklärte ein Sprecher. "Wir haben die Größe, die Technologie und die Menschen, um in jeder Lage wettbewerbsfähig zu bleiben."

Alstom-Aktien schossen in Paris um 5,6 Prozent auf 35,53 Euro nach oben. Siemens-Papiere waren mit einem Plus von 1,6 Prozent auf 118,40 Euro einer der größten Kursgewinner im Leitindex Dax.

Unternehmen in diesem Artikel : Alstom, Siemens, Bombardier, Inc., CRRC Corp Ltd