Eine mit den Gesprächen vertraute Person sagte der Nachrichtenagentur Reuters, Siemens solle nach der Einbringung seiner Bahntechnik-Aktivitäten eine knappe Mehrheit an Alstom halten, geleitet werde das Unternehmen aber weiter von Henri Poupart-Lafarge. Es sei aber weiterhin offen, ob Siemens sich für ein solches Bündnis mit Alstom entscheide oder zwei Gemeinschaftsunternehmen mit Bombardier gründe. Ein zweiter Insider sagte, die Tendenz gehe zu einem Zusammengehen mit Alstom, es gebe aber viel Bewegung. Die französische Zeitung "Le Monde" berichtete hingegen unter Berufung auf Insider, Siemens solle eine 45- bis 50-prozentige Beteiligung an Alstom erhalten und werde eigene Unternehmensteile im Wert von sieben Milliarden Euro beisteuern. Ein Zusammenschluss unter der Führung von Siemens könnte am Dienstag bekanntgegeben werden. Die beiden Unternehmen bestätigten in knappen Stellungnahmen die Gespräche, machten aber darüber hinaus keine näheren Angaben.

Den Platzhirschen Siemens, Bombardier und Alstom war zuletzt neue Konkurrenz aus China erwachsen, wo mit der staatlichen CRRC ein Weltmarktführer entstanden ist, der massiv auch auf den westlichen Markt drängt. Siemens-Chef Joe Kaeser hat sich auf die Fahnen geschrieben, den Chinesen Paroli zu bieten. "Natürlich wird man eine starke Nummer zwei bauen müssen", hatte er im August gesagt.

Siemens hat Insidern zufolge auch ein Bündnis mit dem kanadischen Zughersteller Bombardier ausgelotet. Mit Bombardier ginge es um die Gründung zweier Gemeinschaftsunternehmen für Züge und Signaltechnik, von denen das erstere von den Kanadiern und letzteres von Siemens geführt würde. Damit wollten die Partner die erwarteten Bedenken der Kartellwächter ausräumen. Inzwischen sei man bei Siemens aber skeptisch, wie stabil das Konstrukt mit den Joint Ventures sei, sagten die Insider. Alstom sei in einer besseren finanziellen Verfassung. Zudem beanspruche Bombardier die Macht bei den Gemeinschaftsunternehmen, das sei für Siemens nicht akzeptabel, sagte einer der Insider. Die Eisenbahn-Sparte von Bombardier, die aus der ehemaligen deutschen Adtranz hervorgegangen war, ist der wichtigste Pfeiler der Finanzierung des kanadischen Konzerns, dessen Flugzeug-Sparte angeschlagen ist.

POLITIK HAT GEWICHTIGES WORT MITZUREDEN

Alstom ist dagegen nur im Zug-Geschäft aktiv. Bei einer Zusammenlegung könnte Siemens damit dem Modell folgen, das die Münchener bei ihrer Windkraft-Sparte erprobt hatten. Diese war im spanischen Rivalen Gamesa aufgegangen, der weiterhin börsennotiert ist, aber mehrheitlich Siemens gehört. Die Wettbewerbshürden seien in beiden Fällen - mit Alstom und Bombardier - etwa gleich hoch.

Für die Konsolidierung im Zuggeschäft brauchen Siemens und sein möglicher Partner die Unterstützung der deutschen Politik und der Arbeitnehmervertreter. Denn in jedem Fall drohen dabei Stellenstreichungen. Alstom beschäftigt in Deutschland 3000 Menschen, Bombardier sogar 8500. Die Kanadier hatten im Juni eine Neuordnung ihrer deutschen Standorte - die im Osten konzentriert sind - beschlossen. Im Zuge dessen sollen bis 2020 bis zu 2200 Arbeitsplätze wegfallen. Der Siemens-Zugsparte geht es deutlich besser.

Mitarbeiter des Kanzleramtes von Angela Merkel und des französischen Präsidenten Emmanuel Macron seien in entsprechende Gespräche eingebunden, berichtete "Le Monde". Die französische Regierung erklärte, sie sei wegen des Zusammenschlusses mit Siemens nicht beunruhigt, solange die Jobs gesichert seien. "Es ist wichtig, dass wir unseren Industriesektor in Partnerschaft mit Deutschland stärken", sagte Regierungssprecher Christophe Castaner. "Es gibt keine Bedenken auf der französischen Seite wenn große Konzerne zusammenarbeiten, solange die Synergien nicht zu Arbeitsplatzverlusten führen."

Die französische Regierung muss bis zum 17. Oktober entscheiden, ob sie einen 20-Prozent-Anteil an Alstom von dessen Großaktionär Bouygues erwirbt. Wenn nicht, hat Bouygues das Recht, seine komplette Alstom-Beteiligung von 28,3 Prozent zu verkaufen.