ZÜRICH (Dow Jones)--Das globale Regulierungsregime für Banken, die "too big to fail" sind, funktioniert bei einer systemrelevanten Großbank in Schieflage nach Auffassung der Schweizer Finanzministerin Karin Keller-Sutter nicht. Das habe die Rettungsaktion für die Credit Suisse (CS) am vergangenen Wochenende gezeigt, die schließlich in der Übernahme durch den Schweizer Wettbewerber UBS für 3 Milliarden Schweizer Franken in eigenen Aktien mündete.

"Der Bundesrat, die SNB und die Finanzmarktaufsicht (Finma) waren sich einig, dass eine Sanierung oder ein Konkurs der CS mit einer Abtrennung des Schweizer Geschäfts, wie es der 'Too--big-to-fail'-Notfallplan vorsieht, wohl eine internationale Finanzkrise ausgelöst hätte", sagte Keller-Sutter im Interview mit der Neuen Zürcher Zeitung.

In Stresssituationen helfe das Too-big-to-fail-Regime mit seinen strengen Anforderungen an Eigenmittel und Liquidität wohl, sagte Keller-Sutter, die seit Anfang Januar das Schweizer Finanzministerium leitet. Allerdings halte sie die Notfallpläne zur Sanierung oder Abwicklung einer systemrelevanten Bank, die nach der globalen Finanzkrise 2008 entwickelt wurden, in einer echten Krisensituation für unzureichend.

"Persönlich bin ich in den letzten Wochen aber zur Erkenntnis gelangt, dass eine global tätige systemrelevante Bank nicht ohne weiteres gemäss dem 'Too-big-to-fail'-Plan abgewickelt werden kann", sagte Keller-Sutter. "Rechtlich wäre das zwar möglich. In der Praxis wären die volkswirtschaftlichen Schäden aber beträchtlich." Wäre die Schweiz bei der Credit Suisse dem Too-big-to-fail-Notfallplan gefolgt, hätte auch Liquidität garantiert werden müssen, wobei die Rechtsrisiken mindestens so hoch gewesen wären wie bei der jetzigen Lösung, "eher höher, weil man viel mehr Kapital hätte abschreiben müssen", sagte Keller-Sutter. "Es war aber klar nicht der Moment für Experimente."


   Schon im Januar Notfallszenarien diskutiert 

Auf die Frage, ob die Behörden rückblickend zu spät reagiert hätten, sagte Keller-Sutter, Anfang Januar, als sie ihr Amt angetreten hat, sei ihre erste Frage gewesen: 'Wann ist der Punkt erreicht, an dem die Behörden eingreifen müssen, an dem die Finma zum Schluss kommt, dass die CS nicht mehr überlebensfähig ist?'. Hinter den Kulissen hätten bereits an ihrem zweiten Arbeitstag im Januar das Finanzministerium, die Schweizer Zentralbank SNB und die Finanzmarktaufsicht Finma über Notfallszenarien gesprochen.

Dann hätten die von den amerikanischen Regionalbanken im März ausgelösten Marktturbulenzen die Frage beantwortet. "Am Mittwoch letzte Woche war dann klar: Die CS ist nicht mehr überlebensfähig", sagte Keller-Sutter.

Die Schweizer Finanzministerin verteidigte die gefundene Lösung mit der Übernahme durch die UBS. "Alle anderen Optionen waren aus unserer Sicht riskanter für den Staat, den Steuerzahler, den Schweizer Finanzplatz und die internationalen Märkte", sagte Keller-Sutter. Bei einer Verstaatlichung hätte die Schweizer Bundesregierung die gesamten Risiken in der Bilanz der CS übernommen. "Auch die Rechtsrisiken wären höher gewesen, es hätten sich komplexe Enteignungsfragen gestellt, und die Liquiditätsgarantie über 100 Milliarden hätte es trotzdem gebraucht, um zu stabilisieren", sagte Keller-Sutter.

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March 26, 2023 06:21 ET (10:21 GMT)