Zürich/Boston (awp) - Der US-Finanzkonzern State Street hat Gerüchte über eine angepeilte Übernahme der Credit Suisse zurückgewiesen, die am Vortag die CS in die Höhe getrieben hatten. "Die anhaltenden Marktgerüchte entbehren jeder Grundlage", erklärte State Street am Donnerstag in einer Stellungnahme, wie die Nachrichtenagentur Bloomberg schrieb.

"Obwohl wir seit langem die Politik verfolgen, solche Spekulationen nicht zu kommentieren, sind wir der Meinung, dass eine Reaktion auf diese Berichte in diesem Fall gerechtfertigt ist", hiess es weiter in der Stellungnahme von State Street. Man fokussiere sich auf die laufende Milliarden-Übernahme des Fondsdienstleistungsgeschäfts von Brown Brothers Harriman.

Der Finanzblog "Inside Paradeplatz" hatte am Mittwochnachmittag unter Berufung auf eine Quelle geschrieben, dass State Street ein Übernahmeangebot für die angeschlagene Schweizer Grossbank erwäge. Unter Berufung auf eine anonyme Quelle schrieb das Zürcher Finanzportal, State Street wolle 9 Franken pro CS-Aktie bieten.

Daraufhin schoss der Kurs der Grossbank am Mittwochnachmittag in die Gewinnzone hoch, nachdem er zuvor wegen der erneuten Gewinnwarnung der CS um bis zu 7 Prozent abgestürzt war. Von einem Tagestief bei 6,20 Franken erreichte der Kurs zeitweise gar mehr als 7 Franken.

Am Donnerstagabend versetzte das Dementi von State Street der CS-Aktie einen Schlag. Im New Yorker Handel sackten die in den USA gehandelten Papiere der Credit Suisse vorübergehend um 8 Prozent in den Keller, pendelten sich dann aber bei einem Minus von 4 bis 5 Prozent ein. Bereits im Schweizer Handel hatten die CS-Aktien am Nachmittag 5,6 Prozent auf noch 6,574 Franken verloren. Dagegen büssten die State Street-Aktien nur leicht ein, die am Vortag wegen der Übernahmespekulationen deutlich gefallen waren.

CS-Chef: Frage nach Übernahme "dumm"

Credit Suisse-Chef Thomas Gottstein hatte am Donnerstagvormittag bei seinem Auftritt an einer Finanzkonferenz von Goldman Sachs die Frage nach einer Übernahme der CS durch State Street mit ungewöhnlich barschen Worten abgeschmettert: "Wir kommentieren Marktgerüchte nie." Bereits sein Vater habe ihn gelehrt, dass man "dumme Fragen nicht beantworten" solle.

Analysten hatten die Übernahmegerüchte ebenfalls skeptisch beurteilt. Von den Synergien her würde eine Übernahme der CS durch State Street nur begrenzt Sinn ergeben, kommentierte ein Analyst. Zudem müsse die Credit Suisse ihre Probleme lösen und das Vertrauen der Stakeholder in den kommenden Jahren zurückgewinnen, meinte an anderer Marktteilnehmer.

Das Vertrauen der Investoren in die Grossbank hat in der Tat massiv gelitten. Die Aktie erreichte im Mai mit 6,096 Franken ihr Allzeittief und notiert derzeit mit 6,574 Franken kaum höher.

Am Vortag hatte die zweitgrösste Schweizer Bank erneut eine Gewinnwarnung herausgeben müssen. Im zweiten Quartal werde die CS einen weiteren Verlust ausweisen, weil das Ergebnis von der Investmentbank belastet werde. In der Sparte zieht sich die CS derzeit aus einer Reihe von Geschäften zurück. Der Ausstieg aus den "Prime Services" - also dem Geschäft mit den Hedgefonds - sei dabei bereits zu 95 Prozent umgesetzt, sagte Gottstein. "Ende des zweiten Quartals sollte das weitgehend abgeschlossen sein".

Zusätzlich werde das Ergebnis vom anhaltend volatilen Marktwert der Beteiligung an der Allfunds Group beeinflusst. Die Grossbank hatte nach einem tiefroten vierten Quartal das Jahr 2021 mit einem Verlust von 1,6 Milliarden Franken abgeschlossen und war auch im ersten Quartal 2022 mit einem Verlust von 273 Millionen in den roten Zahlen geblieben.

2022 ein Übergangsjahr

Gottstein sieht die Grossbank bei ihrem Umbau trotz widriger Bedingungen an den Märkten auf Kurs. 2022 werde aber klar ein Übergangsjahr, sagte er am Donnerstag an der Investorenkonferenz von Goldman Sachs.

Die Investment Bank der CS sei zwar nun weniger kapitalintensiv, sie sei aber auch weniger diversifiziert als die entsprechenden Abteilungen vieler ihrer Konkurrenten. "Wir erleben deshalb auch höhere Schwankungen", sagte der Bankchef. Im derzeit stark laufenden Rohstoffgeschäft etwa sei die CS nicht engagiert.

Fortschritte auf Kostenseite

Die Bank könne aber Fortschritte auf der Kostenseite vermelden, etwa im Beschaffungswesen oder bei der Zentralisierung der Informatik, betonte Gottstein. Die Bank erwarte daraus nun Einsparungen in Höhe von 200 Millionen im laufenden Jahr sowie von weiteren 200 Millionen im kommenden Jahr. Insgesamt dürften die Resultate der Strategieumsetzung aber wohl erst im Jahr 2023 sichtbar werden, sagte der CS-Chef.

Gottstein zeigte sich zudem überzeugt, dass die CS mittlerweile ihre Risikokultur deutlich gestärkt hat. Die Grossbank war im vergangenen Jahr von den Debakeln um den milliardenteuren Zusammenbruch des Hedgefonds Archegos und die Liquidierung der Greensill-Fonds schwer erschüttert worden.

jb/