Frankfurt/Brüssel (Reuters) - Die Vertrauenskrise am Bankenmarkt hat die Deutsche Bank voll erfasst.

Die Aktien von Deutschlands größtem Geldhaus rutschten am Freitag um bis zu 14,9 Prozent auf 7,95 Euro ab, so stark wie zuletzt während des Börsen-Crashs vom März 2020. Bundeskanzler Olaf Scholz sah sich genötigt, dem Finanzinstitut sein Vertrauen auszusprechen. "Es gibt keinen Anlass, sich irgendwelche Gedanken zu machen", sagte er nach dem EU-Gipfel in Brüssel. Die Deutsche Bank habe ihr Geschäftsmodell grundlegend modernisiert, neu organisiert und "ist sehr profitabel". Die Deutsche Bank wollte sich zu den Entwicklungen auf dem Markt nicht äußern.

Seit dem Kollaps der Silicon Valley Bank (SVB) in den USA vor gut zwei Wochen sind die Anleger hochnervös. Für zusätzliche Unruhe sorgte der Notverkauf der krisengeplagten Schweizer Großbank Credit Suisse an den heimischen Rivalen UBS. Die Deutsche-Bank-Aktien haben seit dem Beginn des Bankenbebens in den USA rund 30 Prozent eingebüßt - damit lösten sich rund sieben Milliarden Euro an Börsenwert in Luft auf. Der rapide Anstieg der CDS-Kurse des Frankfurter Geldhauses - das sind die Preise für die Absicherung von Anleihen des Unternehmens gegen Zahlungsausfall - löste weitere Turbulenzen aus. Am Freitag markierten sie laut dem Datenanbieter S&P Market Intelligence zeitweise ein Vierjahreshoch. Für die Absicherung eines zehn Millionen Euro schweren Pakets von Deutsche-Bank-Anleihen mussten demnach zeitweise mehr als 220.000 Euro gezahlt werden - am Mittwoch waren es noch 142.000 Euro gewesen.

"Im Allgemeinen suchen die Märkte in einem solchen Umfeld nach dem schwächsten Glied," kommentierte Jussi Hiljanen, Chefstratege beim schwedischen Bankhaus SEB, die Entwicklung. Die Märkte seien generell ziemlich besorgt und konzentrierten sich auf den potenziellen nächsten Dominostein. "Ob es vernünftig ist, oder nicht, sich auf die Deutsche zu konzentrieren, weiß ich nicht", fügte er hinzu.

Die Analysten von Autonomous Research hielten die Deutsche Bank für widerstandfähig. "Um es klar zu sagen: Deutsche Bank ist nicht die nächste Credit Suisse", schrieben sie in einer Analyse. Die Finanzdienstleistungsaufsicht Bafin wollte die Ereignisse nicht kommentieren.

Finanzmarkt-Stratege Paul Van der Westhuizen von der Rabobank wies auch auf markttechnische Aspekte hin: "Erstens wollen Investoren an keinen Positionen festhalten, die ihnen über das Wochenende Sorgen bereiten." Wahrscheinlich sei bei der Deutschen Bank gerade die Reduzierung solcher Positionen zu sehen. "Und natürlich kann man damit Geld verdienen, wenn man an der richtigen Seite der Überreaktion der Aktienkurse steht." Europäische Geldhäuser hätten im Prinzip gar keine grundlegenden Probleme. "Sie sind gesund und stehen stärker da, als jemals zuvor."

EU-STAATS- UND REGIERUNGSCHEFS HALTEN BRANCHE FÜR STABIL

Bundesbank-Präsident Joachim Nagel wollte sich auf einer Veranstaltung im schottischen Edinburgh nicht zur Deutschen Bank äußern. Zu den Börsenturbulenzen allgemein nach der SVB-Pleite und dem Notverkauf der Credit Suisse sagte er, dass sei nach solchen Ereignissen nicht ungewöhnlich. "Daher bin ich nicht so überrascht, dass die Märkte etwas volatiler sind als vor diesen Ereignissen."

EZB-Präsidentin Christine Lagarde bekräftigte unterdessen vor den EU-Staats- und Regierungschefs in Brüssel die Robustheit des Bankensektors. Die Geldhäuser im Euro-Raum seien aufgrund starker Liquiditäts- und Kapitalpositionen widerstandsfähig, sagte sie den Gipfel-Teilnehmern laut EU-Vertretern. Der Bankensektor sei stark, wozu auch die nach der globalen Finanzkrise eingeleiteten Reformen der Bankenaufsicht beigetragen hätten. Zudem sei der Instrumentenkasten der EZB voll ausgestattet, um den Geldhäusern nötigenfalls mit Liquiditätshilfen unter die Arme zu greifen.

Wie Scholz äußerten sich auch EU-Regierungs- und Staatschefs auf dem Gipfel in Brüssel betont gelassen. "Die europäischen Banken sind solide", sagte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron auf einer Pressekonferenz. "Die Grundlagen des Systems sind solide", sagte Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni. "Wir haben unsere Lektion nach der Bankenkrise gelernt", sagte die estnische Ministerpräsidentin Kaja Kallas. Sie forderte aber Nachbesserungen bei der europäischen Bankenunion wie eine gemeinsame Einlagensicherung der Sparguthaben.

(Mitarbeit Tom Sims, Anika Ross, Daniela Pegna und Olaf Brenner.; Redigiert von Hans Seidenstücker. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

- von Frank Siebelt und Marta Orosz und Andreas Rinke