Zürich (Reuters) - Die krisengeplagte Credit Suisse hat ein neues Problem.

Die interne Kontrolle der Finanzberichterstattung weise wesentliche Mängel auf, hieß es in dem am Dienstag mit Verspätung veröffentlichten Geschäftsbericht der Schweizer Großbank. Konzernchef Ulrich Körner und Finanzchef Dixit Joshi seien nach einer Überprüfung zum Schluss gekommen, dass die Offenlegungskontrollen und -prozesse zum Jahresende 2022 nicht wirksam gewesen seien. Die Abflüsse von Kundengeldern halten zudem an, wenn auch in deutlich geringerem Ausmaß als im vierten Quartal 2022, hieß es weiter.

Credit Suisse wollte den Geschäftsbericht eigentlich schon am vergangenen Donnerstag veröffentlichen. Doch eine Intervention der US-Wertpapieraufsicht SEC veranlasste das Institut, die Publikation aufzuschieben. Die SEC sah Klärungsbedarf bei technischen Aspekten der Buchführung und damit zusammenhängenden Kontrollmechanismen.

Die Bank gab nun bekannt, dass Vorkehrungen zur Ermittlung von Falschangaben in der Finanzberichterstattung ungenügend waren. Der Buchprüfer PWC kam zu einem ähnlichen Schluss. Dennoch bestätigte die Bank die Finanzergebnisse für das Geschäftsjahr 2022, 2021 und 2020. Das Management arbeite an einem Plan, um die Schwächen anzugehen. Dafür könnten beträchtliche Mittel notwendig sein, hieß es weiter. "Wir wollen sicherstellen, dass wir auch hier zu den besten der Branche gehören", erklärte Körner.

Mit einem tiefgreifenden Umbau, der den Ausstieg aus Teilen des Investmentbankings und den Abbau von 9000 Stellen vorsieht, will Körner die Credit Suisse zurück in die Spur bringen. Mit einem Verlust von 7,3 Milliarden Franken verzeichnete das Institut 2022 eines der schwächsten Jahre ihres 167-jährigen Bestehens. Vor allem die Kosten für die Sanierung und der Kollaps der Erträge im Investmentbanking lasteten auf dem Ergebnis. Auch im laufenden Jahr erwartet der Konzern einen erheblichen Vorsteuerverlust.

Zudem führte ein Vertrauensschwund der Kunden dazu, dass alleine im vierten Quartal 2022 gut 110 Milliarden Franken von der zweitgrößten Schweizer Bank abgezogen wurden. "Die Abflüsse haben sich gemessen an der Situation im vierten Quartal deutlich abgeschwächt," sagte Körner. Eine Wende ist dem Geschäftsbericht zufolge aber noch nicht eingetreten. Den Bestand an flüssigen Mitteln, mit denen die Bank mögliche Abzüge von Kundengeldern erfüllen kann, fuhr die Bank hoch.

Das Vertrauen der Investoren scheine noch nicht zurückgekommen zu sein, erklärte Daniel Bosshard, Analyst der Luzerner Kantonalbank. Neugelder von Kunden blieben Mangelware. "Credit Suisse bleibt eine Großbaustelle."

Die Skepsis der Anleger gegenüber Credit Suisse nahmen weiter zu. Der Preis für die Absicherungen gegen Zahlungsausfälle bei Credit-Suisse-Anleihen kletterten auf den Rekordstand von 571 Basispunkte. Gemessen am Eröffnungskurs entspricht dies einem Plus von 95 Basispunkten, wie Daten von S&P Market Intelligence zeigten. Die Credit-Suisse-Aktien verloren im Gegenzug weitere 4,5 Prozent. Die Fluchtbewegung aus Finanzwerten im Anschluss an den Kollaps der kalifornischen Silicon Valley Bank hatte Credit Suisse am Vortag bereits fast zehn Prozent ins Minus gerissen. Körner zufolge hat Credit Suisse gegenüber SVB allerdings kaum ein Kreditrisiko.

NEUE KONZERNLEITUNGSMLIEDER ERHALTEN KOMPENSATION

Die Krise kostet die Unternehmensleitung ihre gesamten Boni. Konzernchef Ulrich Körner und seine Kolleginnen und Kollegen erhalten für 2022 lediglich die fixe Vergütung von insgesamt 32,2 Millionen Franken. Darin nicht enthalten sind allerdings Ausgleichszahlungen für Vergütungen, die vier neue Geschäftsleitungsmitglieder von ihren früheren Arbeitgebern zu Gute hatten. Einschließlich dieser Zahlungen steckte die Geschäftsleitung insgesamt 60,4 Millionen Franken ein. Körner, der Ende Juli zum CEO befördert wurde, kommt auf 2,5 Millionen Franken. Sein Vorgänger Thomas Gottstein hatte nach einer Bonus-Kürzung für 2021 ein Gesamtgehalt von 3,75 Millionen Franken eingestrichen. Den Bonus-Topf für alle Mitarbeiter halbierte Credit Suisse auf eine Milliarde Franken.

(Bericht von Oliver Hirt und Noele Illien. Redigiert von Olaf Brenner. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)