Zürich (Reuters) - Die krisengeplagte Schweizer Großbank Credit Suisse hat 2022 das schlechteste Ergebnis seit der Finanzkrise eingefahren.

Angesichts der Zweifel an der finanziellen Verfassung des Konzerns zogen Kunden im Schlussquartal netto 110,5 Milliarden Franken ab. Bis Mitte November waren es 84 Milliarden Franken gewesen. Zum Jahresende verwaltete die Bank noch Vermögen von rund 1,29 Billionen Franken. Die Bank ergreife weiterhin Maßnahmen, um Kundengelder zurückzugewinnen. Doch die niedrigeren Kundeneinlagen und verwalteten Vermögen würden voraussichtlich zu einem Rückgang des Zinserfolgs und der wiederkehrenden Kommissions- und Gebührenerträge führen. Dies dürfte für das Kerngeschäft mit Millionären und Milliardären im ersten Quartal 2023 einen Verlust nach sich ziehen. Credit Suisse warnte zudem, dass die negativen Ertragsauswirkungen des angekündigten Ausstiegs aus Teilen des Investmentbankings und Restrukturierungskosten dem Institut 2023 einen erheblichen Vorsteuerverlust einbrocken dürften.

Eine Reihe von Skandalen und Fehler im Risikomanagement hinterließen bei der zweitgrößten Schweizer Bank nun fünf Quartale in Folge rote Zahlen. Die mauen Geschäfte und eine Reihe von negativen Schlagzeilen verschreckte auch die Kunden. Die Verunsicherung kulminierte Anfang Oktober mit wilden Spekulationen zur Zukunft der Bank in den sozialen Netzwerken. Inzwischen hat sich die Lage wieder etwas beruhigt, doch die Ausfall-Versicherungen für Credit-Suisse-Anleihen enthalten immer noch einen kräftigen Risiko-Zuschlag und machen die Finanzierung des Instituts teurer.

KAUF DER INVESTMENTBANK-BOUTIQUE M.KLEIN für 175 MIO DOLLAR

Der größte Mühlstein ist die Investmentbank, die über die Jahre wiederholt für schwere Verluste gesorgt hatte. Allein 2022 summierte sich das Minus auf 2,8 Milliarden Franken. Vor allem hier setzt der neue Konzernchef Körner an. Ende Oktober verabschiedete sich die Bank endgültig vom Ziel, im Investmentbanking ein großes Rad zu drehen. Der frühere McKinsey-Berater kündigte eine Radikalkur einschließlich eines Ausstiegs aus weiten Teilen dieses Geschäfts und den Abbau von insgesamt 9000 Stellen an.

Große Teile des Geschäfts mit Übernahmeberatung und der Platzierung von Anleihen soll in die Tochtergesellschaft Credit Suisse First Boston (CSFB) ausgelagert und Insidern zufolge 2024 oder 2025 als eigenständige Firma an die Börse gehen. Als CSFB-Chef ist der Wall-Street-Veteran und frühere Credit Suisse-Verwaltungsrat Michael Klein vorgesehen. Dessen Beratungsboutique M. Klein & Co will Credit Suisse nun für 175 Millionen Dollar kaufen und in die CSFB einbringen.

Auch von einem zweiten bedeutenden Bereich der Investmentbank trennt sich Credit Suisse. Ein großer Teil ihres Geschäfts mit Kreditverbriefungen (Securitized Products Group) geht für 0,8 Milliarden Dollar an den US-Finanzinvestor Apollo Global Management.

Als Kernelement von Körners Umbau - dem dritten seit 2015 - soll die Vermögensverwaltung für Reiche und Superreiche einen noch größeren Stellenwert erhalten. Doch auch dieses Geschäft kränkelt, im vierten Quartal fiel ein Verlust von 155 Millionen Franken an. Zu der Schwäche der Finanzmärkte, die die Gebühreneinnahmen drückte, kommen die hausgemachten Probleme.

Credit Suisse verwies auch auf das schwierige Marktumfeld, doch vergleichbare Banken schnitten 2022 überraschend gut ab. Der Erzrivale UBS fuhr im vergangenen Jahr das beste Ergebnis seit 16 Jahren ein. Und die Deutsche Bank , die vor wenigen Jahren an einem ähnlichen Punkt stand wie die Credit Suisse jetzt, glänzte ebenfalls mit einem Milliardengewinn.

(Reporter: Oliver Hirt; redigiert von Sabine Wollrab. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an die Redaktionsleitung unter den Telefonnummern +49 30 2201 33711 (für Politik und Konjunktur) +49 30 2201 33702 (für Unternehmen und Märkte)