Zürich (Reuters) - Die Credit Suisse will mit Antonio Horta-Osorio erstmals in ihrer 165-jährigen Geschichte einen Ausländer zum Verwaltungsratspräsidenten krönen.

Das zweitgrößte Institut des Landes hob am Dienstag überraschend den gegenwärtigen Chef der britischen Lloyds Banking Group, Antonio Horta-Osorio, auf den Schild. Der Portugiese folgt auf Urs Rohner, der den Posten Ende April nach zehn bewegten Jahren abgibt. Der 56-jährige Horta-Osorio, der von den Credit-Suisse-Aktionären noch in das neue Amt gewählt werden muss, blickt auf eine jahrzehntelange Karriere als Banker in verschiedenen Ländern zurück und hat sich bei Lloyds den Ruf eines Digitalisierers erworben.

"Ich freue mich außerordentlich, dass wir eine im höchsten Masse erfahrene und ausgewiesene Persönlichkeit des internationalen Bankgeschäfts als meinen Nachfolger vorschlagen können", erklärte Rohner in der Mitteilung. Horta-Osorio startete seine Bankkarriere 1987 bei der Citigroup und arbeitete dann für Goldman Sachs und die spanische Santander. 2011 übernahm er schließlich seine gegenwärtige Rolle. Nach der staatlichen Rettung im Jahr 2008 brachte er das Institut wieder auf Kurs. Während seiner Zeit bei Lloyds erhielt er Lob dafür, dass er sich für psychische Gesundheitsfragen in Unternehmen einsetzte, nachdem er 2011 wegen stressbedingter Schlafprobleme und Erschöpfung für zwei Monate von der Arbeit freigestellt worden war. Auf der anderen Seite hatten ihn Parlamentsabgeordnete wegen seines hohen Gehalts und der Handhabung eines großen Betrugsfall, der 2017 zur Inhaftierung von sechs Personen geführt hatte, scharf kritisiert. Am Montag hatte Lloyds angekündigt, dass Charlie Nunn im neuen Jahr das Steuer übernehmen soll.

CREDIT SUISSE HAT IMMER NOCH ALTLASTEN

Horta-Osorio habe einen guten Ruf im Markt, erklärte Vontobel-Analyst Andreas Venditti. Er strich hervor, dass er ähnlich wie der neue UBS-Chef Ralph Hamers seine Erfahrung überwiegend im Privatkunden- und Firmenkundengeschäft gewonnen habe. Der Markt dürfte begrüßen, dass Horta-Osorio im Gegensatz zu seinem Vorgänger kein Anwalt sei, erklärte ZKB-Analyst Javier Lodeiro. "Er muss prioritär das angeschlagene Investorenvertrauen zurückgewinnen, was ein längerer Prozess sein sollte." Der Markt gehe nicht davon aus, dass Credit Suisse die selbst gesteckten Rendite-Ziele erreichen werde.

Rohner blick auf eine durchwachsene Amtszeit zurück. Es gelang ihm, die Credit Suisse von einem vor allem auf den Wertpapierhandel ausgerichteten Institut hin zu einem Vermögensverwalter für reiche Privatpersonen umzupolen. Auch für seine unkonventionelle Wahl des branchenfremden Tidjane Thiam zum Konzernchef 2015 erhielt der frühere Schweizermeister im Hürdenlauf zuerst Applaus. Ein Beschattungsskandal, der dem Ruf der Bank und des gesamten Schweizer Finanzplatzes schadete und im unfreiwilligen Abgang Thiams mündete, sowie eine milliardenschwere US-Buße waren dagegen Tiefpunkte seiner Karriere. Auch die Aktionäre mussten darben. Der Kurs des Unternehmens verlor in seiner Amtszeit zwei Drittel an Wert, während sich das Minus im europäischen Bankensektor im selben Zeitraum auf 45 Prozent belief.

Trotz umfangreicher Bußgeld-Zahlungen hat die Bank die Altlasten aber immer noch nicht bereinigt. Credit Suisse warnte am Dienstag vor den Folgen eines US-Rechtsstreits in Zusammenhang mit US-Wohnbau-Hypotheken, der die Bank rund 680 Millionen Dollar kosten könnte. Auch der Geschäftsumbau ist noch nicht abgeschlossen. Erst in der Vorwoche musste die Bank eine US-Fonds-Beteiligung um 450 Millionen Dollar abschreiben. Die Zukunft des Asset-Managements, das nach erfolgreichen Jahren 2020 in eine Krise gerutscht ist, dürfte auch den neuen Präsidenten beschäftigen.