Von Rochelle Toplensky

ZÜRICH (Dow Jones)--Unternehmensturnarounds können für Investoren sehr lohnend sein, aber sie erfordern perfektes Timing oder Nerven aus Stahl, um die ersten Turbulenzen zu überstehen. Die Credit Suisse scheint darauf bedacht zu sein, die Widerstandsfähigkeit ihrer Aktionäre zu testen.

Am Dienstag warnte der angeschlagene Schweizer Kreditgeber, dass zusätzliche Rückstellungen für Rechtsstreitigkeiten und ein gedämpfterer Handel dazu geführt haben, dass er im Schlussquartal nur ein ausgeglichenes Ergebnis erzielt hat, ohne die bereits angekündigte Goodwill-Abschreibung von 1,6 Milliarden Schweizer Franken.

Die beunruhigendste Nachricht war, dass das internationale Vermögensverwaltungsgeschäft - der strategische Schwerpunkt und das Kronjuwel des Unternehmens - im Berichtszeitraum Nettoabflüsse verzeichnete.


   Zwei unschöne Überraschungen kurz nacheinander 

Die Gewinnwarnung ist eine weitere unliebsame Überraschung, nur acht Tage nachdem die Bank unerwartet den Turnaround-Spezialisten António Horta-Osório als Verwaltungsratspräsidenten abgelöst hat.

Für eine Investition in Credit Suisse spricht, dass sie ihrem besser bewerteten Stadtrivalen UBS viel ähnlicher ist als den meisten ihrer europäischen Konkurrenten. Credit Suisse verfügt über ein etabliertes Wealth-Management-Geschäft mit einer Präsenz in den aufstrebenden asiatischen Märkten, über eine Vermögensverwaltung und ein Investmentbanking zur Betreuung ihrer vermögenden Kunden sowie über ein solides Schweizer Bankgeschäft.

Inzwischen wird die Aktie nach einer Reihe von Skandalen mit weniger als der Hälfte des Buchwerts gehandelt.


   Plan für Umschwung ist Balanceakt 

Die Credit Suisse hat bereits einen Plan, um ihre Probleme zu lösen: Im November legte sie dar, wie sie ihr Risikomanagement verbessern und das Gesamtrisiko senken will, ohne dabei ihren unternehmerischen Geist zu verlieren. Doch es ist ein schwieriger Balanceakt, und für Außenstehende sind die Fortschritte schwer zu beurteilen.

Einige halten eine drastischere Überarbeitung des Geschäftsmodells für erforderlich. Die unliebsamen Überraschungen dieses Monats werden nicht dazu beitragen, das Vertrauen wiederherzustellen, auch wenn sie nicht das Ausmaß der Affären von Greensill und Archegos im vergangenen Jahr haben.


   Wenig bekannte Führungscrew 

Vor allem aber braucht das Finanzhaus einen guten Kapitän, der den Kurs bestimmt und hält. Die relativ unbekannten neuen Führungskräfte können nicht für ein schlechtes Quartal verantwortlich gemacht werden - Horta-Osório galt als sehr zupackender Manager - aber sie müssen dennoch beweisen, dass sie der Aufgabe gewachsen sind. Ein effektiver Umgang mit dem externen Bericht über den Fall Greensill wäre ein guter Anfang.

Im Moment scheinen die meisten Anleger bereit zu sein, den neuen Chefs der Credit Suisse einen Vertrauensvorschuss zu geben. Das Management muss diesen Vorteil dann aber auch voll ausschöpfen.

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DJG/DJN/smh/brb

(END) Dow Jones Newswires

January 25, 2022 10:31 ET (15:31 GMT)