Von Margot Patrick

LONDON (Dow Jones)--Als die Credit Suisse Group AG über einen Verlust von 4,7 Milliarden Dollar durch den Zusammenbruch des Hedgefonds Archegos berichtete, gab es einen Silberstreif am Horizont: Der Rest der Investmentbank schnitt im Quartal so gut ab, dass der Gesamtverlust vor Steuern nur 1 Milliarde US-Dollar beträgt.

Die Situation offenbart das Dilemma der Bank. Die Investmentbank, die mehr Risiken eingeht, war der Gewinnmotor der Bank und glich das größere, langsamer wachsende Vermögensverwaltungsgeschäft aus. Aber jetzt wird erwartet, dass sie aus Sicherheitsgründen verkleinert wird, wobei Vorstandschef Thomas Gottstein ihre Struktur und strategische Relevanz prüfen will.

Die Aussicht auf weitere Restrukturierungskosten und Umsatzeinbußen in der Einheit hat einige Analysten dazu veranlasst, die Aktie herabzustufen. Die Anteilsscheine haben bereits seit Ende Februar durch den Doppelschlag des Zusammenbruchs eines anderen Kunden, Greensill Capital, und dann Archegos, rund ein Viertel an Wert verloren.

Eoin Mullany, Analyst bei der Berenberg Bank, sagte, dass die Risikobereitschaft in der Investmentbank und in der gesamten Credit Suisse wahrscheinlich eingeschränkt wird, was "unweigerlich zu geringerem Wachstum und niedrigeren Erträgen führt."

Schon vor den jüngsten Pannen gehörte die Credit Suisse zu einer Reihe von europäischen Banken, deren lange schwelende Probleme es für viele Anleger schwierig machten, in sie zu investieren.

Der frühere Chef Tidjane Thiam senkte Risiken und Kosten und setzte auch in der Firmenkultur neue Akzente, bevor er im vergangenen Jahr im Zuge eines Spionageskandals entlassen wurde. Aber die Bank ächzte weiterhin unter hohen Kosten aus Prozessen und regulatorischen Vergleichen nach problematischen Geschäften. Viele Investoren waren misstrauisch wegen des risikoreicheren Geschäftsmixes im Vergleich zum größeren Konkurrenten UBS Group AG.

"Es gibt wenig Transparenz darüber, was repariert werden muss und zu welchen Kosten. Die Gruppe mag mit ihrer derzeitigen Kapitalbasis auskommen, aber sie hat wenig Spielraum" für weitere unerwartete Verluste, sagte Filippo Alloatti, Senior-Kreditanalyst bei Federated Hermes.

Er erwarte eine gründliche Überprüfung des Geschäfts durch António Horta-Osório, der am 1. Mai als Chairman der Credit Suisse beginnt. Horta-Osório überwachte als Chef der Lloyds Banking Group plc den Umbau jenes Unternehmens.

Im vergangenen Jahr, einem Boomjahr an den Märkten, erwirtschaftete die Credit Suisse 40 Prozent ihrer Erträge im Investmentbanking. Das war ein Anstieg von den 35 Prozent im Jahr 2019, vor der Umstrukturierung durch Thiam ab 2015 kam die Bank aber auf rund 50 Prozent. Die UBS hingegen erzielte 28 Prozent der Einnahmen 2020 mit ihrer Investmentbank.

Bei der Credit Suisse stammte ein Großteil des Wachstums 2020 aus Gebühren bei Aktien- und Anleihegeschäften, einschließlich der Fusion von Unternehmen mit Börsenhüllen, bekannt als Spacs.

Im März, vor den Problemen von Archegos, berichtete Credit Suisse, dass der Umsatz im Investmentbanking im bisherigen Jahresverlauf um 50 Prozent gegenüber 2020 gestiegen sei. Der Vorsteuergewinn der gesamten Bank war der höchste seit einem Jahrzehnt.

Die Erträge aus dem Wealth Management waren hingegen schwächer und fielen 2020 um 8 Prozent; bei UBS stiegen sie um 4 Prozent. Mehr Handel durch reiche Kunden in volatilen Märkten konnte niedrigere wiederkehrende Gebühren und einen Druck auf den Nettozinsertrag aufgrund negativer Zinssätze nicht ausgleichen, so die Credit Suisse. In den Erträgen spiegelte sich auch die Wertberichtigung einer Hedge-Fonds-Beteiligung wider.

UBS hat generell einen höheren Anteil an "schockabsorbierenden Erträgen", so Michael Rohr, Analyst bei Moody's Investors Service. So ist das Vermögensverwaltungsgeschäft der UBS weltweit stärker diversifiziert, auch in den USA, aus denen sich die Credit Suisse zurückgezogen hat, wie eine Moody's-Analyse der beiden Banken im Dezember ergab.

Die Investmentbank von UBS ist kleiner und weniger komplex, hauptsächlich auf den Aktienhandel ausgerichtet und lässt sich leichter verwalten und auf Risiken überwachen als die Credit Suisse, so Rohr. Ende März setzte die Ratingagentur den Ausblick für die Credit Suisse auf "negativ", um den unerwarteten Ereignissen bei Greensill und Archegos und der potenziellen Belastung des Kapitals Rechnung zu tragen.

Die unterschiedlichen Geschäftsprofile spiegeln sich auch in der unterschiedlichen Bewertung der Banken durch die Investoren wider. Die UBS-Aktie wird etwa zum einfachen Buchwert pro Aktie gehandelt, also zu dem, was die Bank in ihrer Bilanz wert ist. Die Credit Suisse wird für etwa 0,55 ihres Buchwerts gehandelt, was den größten Abstand zwischen den beiden Titeln seit 2016 darstellt.

Auf dieser Basis ist die Credit Suisse im Vergleich zu anderen europäischen Kreditgebern mit großem Investmentbanking-Geschäft abgerutscht. Sie ist zum ersten Mal seit fünf Jahren niedriger bewertet als Barclays, die zum 0,6-fachen ihres Buchwerts gehandelt wird. Sie bleibt über der Deutschen Bank AG mit dem 0,4-fachen.

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April 12, 2021 08:47 ET (12:47 GMT)