Von Rochelle Toplensky

LONDON (Dow Jones)--Die Nachricht eines neuen Leiters für das Risikokomitee der Credit Suisse dürfte die Investoren beruhigen. Dagegen ist es die Art und Weise, wie der Wechsel stattfand, nicht. Der neue Verwaltungsratschef António Horta-Osório hat viel Arbeit vor sich.

Die Aktionäre haben auf der Jahreshauptversammlung der Bank Ende der Vorwoche allen Vorschlägen zugestimmt, aber das täuscht über den Sturm hinweg, der sich zusammenbraute. Wenige Stunden vor Beginn der Versammlung gab die Bank dem Druck der Aktionäre nach und teilte mit, dass Andreas Gottschling, der amtierende Vorsitzende des Risikoausschusses des Verwaltungsrats, nicht zur Wiederwahl antreten werde.


   Vier Finanzskandale seit 2018 

Die Credit Suisse war von mindestens vier Finanzskandalen betroffen, seit Andreas Gottschling 2018 den Job übernommen hat, was in den massiven Archegos-Verlusten dieses Jahres gipfelte. Derweil hatte die Bank mitgeteilt, dass ihre Beteiligung an dem Zusammenbruch nicht das Ergebnis von unautorisiertem Handel war. Das deutet darauf hin, dass Gottschling entweder von den Risiken nicht beunruhigt war, sie nicht kannte oder nicht die Macht hatte, seine Bedenken durchzusetzen. Keine dieser Erklärungen ist an und für sich entschuldbar.

Es scheint offensichtlich, dass der Mann, der eine solch problematische Periode beaufsichtigte, gehen musste, und das trotz seiner jahrelangen Erfahrung. Doch am Ende brauchte es eine Reihe von Großaktionären, die mit Drohungen an die Öffentlichkeit gingen, um seine Wiederernennung abzulehnen.


   Risiko hat Priorität unter neuem Chairman 

Das Drama verstärkt nur das Unbehagen, das durch die vollmundige Bestätigung der bestehenden Strategie der Bank durch den Vorstandsvorsitzenden Thomas Gottstein in der vergangenen Woche entstanden ist. Eine großzügige Interpretation ist, dass er Horta-Osório nicht die Hände binden wollte, da Verwaltungsratsvorsitzende in der Schweiz ein großes Mitspracherecht bei der Strategie haben.

Der portugiesische Banker, der dafür bekannt ist, sich in Details zu vertiefen, hielt eine erste Rede auf der Hauptversammlung, in der er drei Prioritäten nannte: Risikomanagement, Strategie und Kultur. Risiko war seine unmittelbare Priorität, während die Strategie voraussichtlich etwas mehr Zeit in Anspruch nehmen wird. Seine Warnung, dass "eine harte Zeit und harte Entscheidungen vor uns liegen", verheißt nichts Gutes.


   Kein gleitender Übergang in den Ruhestand für neuen Chairman 

In seinem vorerst letzten Job als Chef der britischen Lloyds Banking erbte Horta-Osório eine vom Staat gerettete Bank am Rande der Katastrophe. Nach einem Jahrzehnt an der Spitze hinterlässt er ein schlankes, stabiles und profitables Kreditinstitut - wenn auch nicht ein wertvolleres. Es wäre zu erwarten, dass ein 57-jähriger Banker nach einem einfachen Hineingleiten in den Ruhestand sucht. Das scheint bei Horta-Osório nicht der Fall zu sein, glücklicherweise. Seine Amtszeit bei der Credit Suisse dürfte alles andere als einfach werden.

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May 03, 2021 03:25 ET (07:25 GMT)