Frankfurt (Reuters) - Kräftige Preiserhöhungen haben der Chemiebranche in Deutschland im ersten Quartal Rückenwind verliehen.

Doch Engpässe in den Lieferketten und die explodierenden Energie- und Rohstoffkosten machen ihr zu schaffen. Die Unternehmen fürchten vor allem eine Knappheit bei Gas und Öl infolge des Krieges in der Ukraine. "Vom erhofften Aufschwung nach dem Coronawinter ist nichts mehr übriggeblieben. Die Perspektiven unserer Branche sind wegen steigender Energie- und Rohstoffkosten zunehmend düster", urteilte der Präsident des Verbands der Chemischen Industrie (VCI), Evonik-Chef Christian Kullmann, am Dienstag. "Ein Gasembargo oder ein Stopp der Gaslieferungen aus Russland hätte zusätzliche verheerende Auswirkungen."

In vielen Unternehmen von Deutschlands drittgrößtem Industriezweig nach der Autobranche und dem Maschinenbau herrsche Rezessionsstimmung. Industrielle Kunden drosselten wegen gestörter Lieferketten ihre Produktion und bestellten weniger Chemikalien. Den Chemie- und Pharmaunternehmen falle es zunehmend schwerer, höhere Kosten an die Kunden abzuwälzen. Die Kapazitätsauslastung der Branche liege mit knapp 81 Prozent bereits unterhalb des Normalbereichs. Und der konjunkturelle Tiefpunkt sei noch nicht erreicht. Ob sich die Aussichten zum Jahresende wieder bessern, sei unklar.

Im ersten Quartal legte der Umsatz der deutschen Chemie- und Pharmaindustrie nach Angaben des VCI noch um mehr als 28 Prozent im Vergleich zum coronabedingt schwachen Vorjahresquartal zu. Das war vor allem Preiserhöhungen von fast 22 Prozent zu verdanken. Die Produktion stieg allerdings alleine dank des Pharmabereichs um 2,8 Prozent - ohne Pharma wäre sie um 1,6 Prozent gesunken. Eine Prognose für das Gesamtjahr gibt der VCI angesichts der unabsehbaren Folgen des Kriegs in der Ukraine und der Null-Covid-Strategie Chinas weiter nicht ab. Die ursprünglichen Ziele hatte der Verband bereits im März zurückgezogen.