(Wiederholung: Berichtigt wird im 7. Absatz der Name der Gewerkschaft "IG Bergbau Chemie Energie" rpt "IG Bergbau Chemie Energie". Im 2. Absatz werden Satz 2 und 3 umformuliert und präzisiert.)

HANNOVER (dpa-AFX Broker) - Beim Autozulieferer und Reifenhersteller Continental will das Management die Zeichen auf Neustart stellen. Kein Wunder, prasselt doch seit mehreren Jahren einiges auf den Dax-Konzern ein. Mit dem neuen Vorstandschef Nikolai Setzer bietet sich nun die Chance, die Dinge mit neuem Schwung anzupacken. Was bei Conti los ist, wie Analysten vor der Strategiepräsentation auf dem Kapitalmarkttag an diesem Mittwoch (16. Dezember) die Lage sehen und was die Aktie macht.

DIE LAGE BEI CONTINENTAL:

Bei Conti schien wie auch bei anderen Konzernen aus der Branche das Schlimmste der Covid-19-Pandemie überstanden. Doch nun steht in Deutschland erneut ein weitreichender Lockdown an, der das öffentliche Leben bremst. Schon im Frühjahr waren die Autobauer als wichtigste Kunden von Continental hart getroffen, als Autohäuser über mehrere Wochen schließen mussten. Ob sich bis Mitte Januar in Deutschland und auch anderen europäischen Ländern die Infektionslage bessert, muss sich erst noch erweisen.

Nach dem Einbruch im zweiten Quartal sah es im dritten Quartal schon wieder deutlich besser aus - zumindest im Tagesgeschäft. Nach einem Umsatzrückgang von rund 40 Prozent im Vorquartal waren es nun noch rund 7 Prozent weniger Erlös als vor einem Jahr. Und der größte Teil des Rückgangs war nicht auf das operative Geschäft, sondern auf den starken Euro sowie Veränderungen durch Zu- und Verkäufe zurückzuführen.

Schlussendlich rang sich der Konzern auch zu einer neuen Prognose für das noch laufende Jahr durch. Der Umsatz dürfte rund 37,5 Milliarden Euro erreichen und damit gut 15 Prozent unter dem Vorjahr liegen. Die um Sondereffekte - wie etwa Umbaukosten - bereinigte Gewinnmarge soll noch bei rund 3 Prozent liegen nach 7,4 Prozent vor einem Jahr.

Ex-Konzernchef Elmar Degenhart hatte zuletzt kein glückliches Händchen mehr, in den vergangenen Jahren türmten sich bei dem weltweit zweitgrößten Autozulieferer die Probleme, auch schon vor Corona. Die Schwäche des chinesischen Marktes infolge des Zollstreits, Milliardenabschreibungen wegen schwächerer Marktaussichten für die kommenden Jahre - und der stark umstrittene Großumbau, der bis zu 30 000 der zuletzt 234 000 Jobs im Konzern betreffen wird.

Der Sparkurs soll die laufenden Kosten senken und Conti bei der Rendite wieder zu alter Stärke führen. Aber erst einmal wird er viel Geld verschlingen unter anderem für Abfindungen und Vorruhestandsregelungen, für dieses Jahr und das kommende zusammengenommen 1,2 Milliarden Euro. Dass komplette - und laut Arbeitnehmerangaben profitable - Werke wie die Reifenfabrik in Aachen dichtgemacht werden sollen, sorgt dabei für erheblichen Zündstoff unterm Konzerndach.

Den Konfliktherd muss nun Setzer einhegen, nachdem Degenhart sich nach eigenen Angaben aus gesundheitlichen Gründen zurückgezogen hat. Und die Verständigung mit den Arbeitnehmern über das genaue Wie und Wann des Umbaus läuft mehr als holprig: Die IG Metall etwa brach Anfang Dezember die Gespräche ab, der Chef der IG Bergbau Chemie Energie, Michael Vassiliadis, drohte angesichts des Aus für das Werk Aachen: "Dieser Stellenabbau wird teuer." Allein in Deutschland stehen rund 13 000 Stellen bei Conti im Feuer. Eine Beschäftigungssicherung ist bei den Hannoveranern nicht vereinbart.

Mitunter wird Setzer zu harten Maßnahmen greifen müssen, sollte sich das Problem nicht in Gesprächen lösen lassen und sollte er am Einsparziel von gut einer Milliarde Euro weniger Bruttokosten ab 2023 festhalten. Schon Degenhart hatte in letzter Konsequenz mit betriebsbedingten Kündigungen gedroht.

Ebenfalls liegt eine neue Strategie auf Setzers Tisch, die den von Degenhart bereits eingeschlagenen Weg hin zu mehr Software und Elektronik beschreiten dürfte, da bleibt dem Manager im Umbruch der Branche kaum eine Wahl. Allerdings wird für Beobachter spannend, mit welchem Elan dieser Weg beschritten wird und wo Setzer seine Schwerpunkte legt. Denkt Conti etwa noch einmal über den Einstieg in eine Batteriezellfertigung nach? Wie viel Software- und Digitalkompetenz kann Conti selbst entwickeln, wie viel muss noch zugekauft werden?

DAS SAGEN ANALYSTEN:

Die 17 im dpa-AFX-Analyser erfassten Experten, die sich seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie zur Aktie geäußert haben, sind im Schnitt eher positiv gestimmt - aber auch nicht euphorisch. Die Mehrheit von 14 Analystinnen und Analysten rät nämlich zum Halten der Papiere und damit zum Abwarten. Drei Kaufempfehlungen stehen aber immerhin keine Ratschläge zum Verkauf der Aktien gegenüber. Das durchschnittliche Kursziel liegt bei rund 104 Euro und damit rund 7 Prozent unter dem aktuellen Kurs.

Das Management dürfte sich angesichts der mauen Aussichten für die Produktion von Pkw und leichten Nutzfahrzeugen bei seiner Strategie auf dem Kapitalmarkttag auf die langfristige Vision und die Entwicklung des Auftragsbestands in den Kernbereichen der Autozulieferung konzentrieren, schrieb Goldman-Sachs-Expertin Gungun Verma. Zudem erwartet die Analystin mittelfristige Aussagen dazu, wie viel besser Conti hier als die Autoproduktion abschneiden wolle. Auch die Reifen- und Kunststoffsparte stehe mit ihren Zielen im Blick.

Es gehe um mehr als nur um Sparkurs und Umbau, schrieb Sascha Gommel von Jefferies. Ihm zufolge sollte das Wachstum der Autozuliefersparte gegenüber der generellen Autoproduktion in den Jahren 2021 bis 2025 um 4 Prozentpunkte pro Jahr besser abschneiden, die Marge des Reifengeschäfts vor Zinsen und Steuern schon im kommenden Jahr wieder über 15 Prozent liegen. Conti sei in der Industrie weiter eine der ungeliebtesten Aktien - was positives Überraschungspotenzial berge.

Eine gute Gelegenheit für Anleger erwartet auch Citi-Analyst Gabriel Adler. Er rechnet mit einer Neubewertung von Titeln im Autozuliefersektor und sieht vor allem eine gute Gelegenheit zum Kauf der Continental-Aktie. Der Dax-Konzern sei 2020 von Anlegern in die Schublade der Verlierer gesteckt worden. Diese Denkweise dürfte sich nun aber ändern, schrieb er.

DAS MACHT DIE AKTIE:

Der Conti-Aktienkurs hat mit dem Schub für die Aktienmärkte im November auch endlich wieder das Vor-Corona-Niveau erreicht und bei über 120 Euro beinahe sogar ein neues Jahreshoch markiert. Im Tief Mitte März waren es nur wenig mehr als 50 Euro. Wer länger dabei ist, hat allerdings deutliche Kursverluste einzustecken: Im Januar 2018 markierte die Aktie ihr Rekordhoch bei 257,40 Euro.

Seit damals ging es für die Aktie bis zum Corona-Crash kontinuierlich nach unten. Zuerst machte der US-chinesische Zollstreit der Branche und damit auch Conti zu schaffen, die seit Jahren hohen Ausgaben für Elektroantriebe, Vernetzung und Elektronik kamen noch hinzu.

Im laufenden Jahr liegt das Conti-Papier mit einem Minus von rund 3 Prozent im Dax-Mittelfeld. Auf Sicht von drei Jahren ist im deutschen Leitindex nur Bayer schlechter gelaufen als Conti mit einem Kursrückgang von knapp der Hälfte.

46 Prozent der Conti-Aktien gehören seit dem missglückten Übernahmeversuch in der Finanzkrise 2008/09 der Industriellenfamilie Schaeffler, die den gleichnamigen fränkischen Auto- und Industriezulieferer kontrolliert. Der Börsenwert von Conti lag zuletzt bei rund 22,3 Milliarden Euro./men/mne/fba