HANNOVER (dpa-AFX) - Der Autozulieferer und Reifenhersteller Continental rutscht trotz einer spürbaren Erholung nach dem Corona-Einbruch im dritten Quartal in die roten Zahlen. Wertminderungen wegen des absehbar schwächeren Geschäfts in den kommenden Jahren sowie Umbaukosten für das Sparprogramm schlagen im dritten Quartal mit zusammengenommen gut 1,3 Milliarden Euro zu Buche, wie das Dax-Unternehmen überraschend am Mittwoch nach Börsenschluss mitteilte. Daher werde Conti trotz eines besser verlaufenen Tagesgeschäfts einen Verlust beim Ergebnis vor Zinsen und Steuern sowie unter dem Strich ausweisen, hieß es.

Im eigentlichen Geschäft sah es dabei eigentlich wieder ganz ordentlich aus: Im dritten Quartal erzielte Conti laut vorläufigen Zahlen einen Umsatz von 10,3 Milliarden Euro nach 11,1 Milliarden vor einem Jahr. Vor Wechselkurseinflüssen sowie Zu- und Verkäufen habe der Rückgang rund 2,7 Prozent betragen, rechnete das Unternehmen vor. Zum Vergleich: Wegen des wochenlangen Lockdowns im Frühjahr hatten die Hannoveraner im zweiten Quartal noch ein Umsatzminus von über 40 Prozent verkraften müssen.

Einschnitte bei den Kosten sorgten auch bei der Profitabilität für einen Aufschwung. Um Sonderkosten bereinigt betrug die Marge des operativen Ergebnisses 8,1 Prozent und lag damit 2,5 Prozentpunkte höher als ein Jahr zuvor. Analysten hatten nach Angaben von Continental im Schnitt lediglich mit einem Anstieg auf 6,1 Prozent gerechnet.

Die Aktie verlor am Donnerstagvormittag mit der europäischen Hersteller- und Zulieferbranche um dem schwächeren Dax rund 1,3 Prozent auf 100,40 Euro. Vor allem die starke Entwicklung der Profitabilität in der Antriebssparte sowie im Reifengeschäft habe für den Aufschwung gesorgt, schrieb Mainfirst-Analyst Pierre-Yves Quemener. Auch der Free Cashflow habe sich deutlich besser entwickelt als vom Markt geschätzt. Obwohl infolge der jüngsten Eckdaten aus der Branche die Erwartungen schon gestiegen seien, sollten Anleger das solide Ergebnis gutheißen.

Der Zufluss finanzieller Mittel (Free Cashflow) vor Zukäufen und Kosten für die Abspaltung des Antriebsgeschäfts lag im dritten Quartal bei 1,8 Milliarden Euro. Ein Jahr zuvor waren es nur 343 Millionen Euro gewesen. Der normalisierte Geschäftsverlauf habe die negativen Effekte, die noch im Vorquartal auf die Entwicklung des betriebsnotwendigen Kapitals gewirkt hätten, nun neutralisiert, hieß es von Conti.

Im zweiten Quartal waren nämlich noch 1,8 Milliarden Euro aus den Konzernkassen abgeflossen, weil Autobauer ihre Produktion über viele Wochen gestoppt und die Teileabrufe bei den Zulieferern wie Conti auf Eis gelegt hatten. Typischerweise entwickelt sich die finanzielle Lage von Konzernen dann negativ, wenn die Lager volllaufen und den Kunden nichts verkauft werden kann.

In den vergangenen Wochen hatte sich bereits abgezeichnet, dass die deutsche Automobilindustrie mit dem Kaltstart aus der Krise ganz gut zurechtgekommen ist. Daimler hatte bereits von einer schneller als erwartet ausgefallenen Erholung zwischen Juli und Ende September berichtet, die Stuttgarter hatten sogar mehr Gewinn vor Zinsen und Steuern eingefahren als ein Jahr zuvor. Auch bei BMW fiel die Erholung der finanziellen Situation unerwartet gut aus.

Conti-Chef Elmar Degenhart hatte schon vor der Krise ein hartes Sparprogramm angestoßen, das angesichts der Pandemie aber noch einmal spürbar verschärft. Die jährlichen Bruttokosten sollen ab 2023 um eine Milliarde Euro niedriger liegen. Dafür stehen in den nächsten Jahren weltweit bis zu 30 000 der gut 230 000 Stellen zur Disposition, allein in Deutschland rund 13 000. Mehrere Werke werden ganz geschlossen.

Das kostet den Konzern zunächst Geld, unter anderem weil Mitarbeiter früher in Ruhestand gehen oder Abfindungen bekommen. Diese Restrukturierungsaufwendungen und Abschreibungen, die im Rahmen des Sparprogramms auf Sachanlagen anfallen, belasten demnach im dritten Quartal mit 687 Millionen Euro. Auch im vierten Quartal erwartet das Management um Degenhart und Finanzchef Wolfgang Schäfer in diesem Bereich weitere Sonderkosten - wie hoch, das steht allerdings noch nicht fest.

Weil Conti in den kommenden fünf Jahren nicht mehr damit rechnet, dass die weltweite Autoproduktion sich wesentlich erhöhen wird, fallen darüber hinaus noch weitere Wertminderungen auf die Geschäfte mit der Vernetzung von Fahrzeugen an. 649 Millionen Euro schreibt Conti daher auf die Bilanzwerte im Wesentlichen von übernommenen Firmen ab.

Einen konkreteren Ausblick auf das laufende Geschäftsjahr will Conti erst mit dem kompletten Zwischenbericht am 11. November geben. Bisher hat das Management lediglich deutliche Rückgange bei Absatz, Umsatz und bereinigtem operativen Ergebnis (bereinigtes Ebit) angekündigt.

Die Continental-Aktien sind in der jüngeren Vergangenheit kein Zuckerschlecken für die Anleger gewesen. Die Papiere haben zwar wieder etwas zum Vor-Corona-Niveau aufgeschlossen. So lag der Kurs vor dem Crash, der die Aktienmärkte im Februar erwischte, noch bei gut 110 Euro. Im Tief Mitte März waren es nur noch wenig mehr als 50 Euro. Seit Jahresbeginn stehen Conti-Aktionäre mit rund 13 Prozent Kursverlust da - die Dividende von 3 Euro nicht eingerechnet. Wer länger dabei ist, hat noch deutlich mehr Kursverluste einzustecken: Im Januar 2018 markierte die Aktie ihr Rekordhoch bei 257,40 Euro.

Großaktionär des Hannoveraner Konzerns ist seit einem missglückten Übernahmeversuch in der Finanzkrise mit 46 Prozent die Industriellenfamilie Schaeffler, die auch beim Autozulieferer gleichen Namens das Sagen hat./men/nas/stk