(neu: Aussagen Finanzchef, Aktienkurs, Analystenstimme und mehr Details.)

HANNOVER (dpa-AFX) - Der Frühling war heftig, seit dem Sommer mehren sich für die Autobranche in der Corona-Krise jedoch die Hoffnungszeichen: Neue Aufträge sowie ein Aufwärtstrend in China und Nordamerika lassen den Autozulieferer und Reifenhersteller Continental zuversichtlicher werden. Insgesamt aber bleibt die Lage brenzlig.

Nach dem Corona-Einbruch im Frühjahr läuft das Geschäft bei den Hannoveranern wieder besser - doch der teure Konzernumbau und die trüben Aussichten für die weltweite Autoproduktion halten den Zulieferer unter Druck. Wie der Dax-Konzern am Mittwoch berichtete, lag der Verlust im dritten Quartal unterm Strich bei knapp 720 Millionen Euro. Das ist zwar nur eine leichte Verbesserung zum Vorquartal, als ein Minus von 741 Millionen Euro in der Bilanz gestanden hatte.

Im laufenden Betrieb meldete Conti aber eine deutliche Entspannung: Der Fehlbetrag vor Zinsen, Steuern und Sondereffekten von 634 Millionen Euro wurde zuletzt in einen bereinigten Gewinn von 832 Millionen Euro gedreht. Und so traut sich das Unternehmen nun auch wieder einen konkreten Ausblick auf das Gesamtjahr zu.

Der Umsatz des Konzerns dürfte laut der neuen Prognose bei 37,5 Milliarden Euro landen (2019: 44,5 Mrd Euro) - unter der Maßgabe, dass sich unter anderem "keine neuen, unerwarteten Auswirkungen der noch andauernden Coronavirus-Pandemie" zeigen. Conti rechnet für das Jahr 2020 mit einem globalen Rückgang der Produktion von bis zu 19 Prozent bei Pkw und leichten Nutzfahrzeugen.

Um Sondereffekte bereinigt soll die operative Gewinnmarge vor Zinsen und Steuern rund 3 Prozent erreichen, nach 7,4 Prozent im Vorjahr. Die besonders von der Covid-19-Pandemie belastete Autozuliefersparte dürfte allerdings einen operativen Verlust einfahren. Im vierten Quartal würden erwartete Rückstellungen für Gewährleistungen und höhere Forschungs- und Entwicklungskosten in der Sparte stärker belasten als bisher angenommen, warnte das Unternehmen. Das sei kein einzelner großer Posten, sondern mehrere erwartete Belastungsfaktoren, sagte Finanzchef Wolfgang Schäfer der Finanz-Nachrichtenagentur dpa-AFX.

Die Aktie verlor gegen Mittag rund ein Prozent auf 106,05 Euro. An den beiden Vortagen hatte das Papier aber von gut 93 Euro auf über 107 Euro zugelegt, weil Anleger angesichts hoffnungsvoller Impfstoffneuigkeiten wieder bei den lange geschmähten Corona-Verlierern an der Börse zugriffen.

Goldman-Sachs-Analystin Gungun Verma bezeichnete den Ausblick als weitgehend wie erwartet. Das operative Ergebnis im vierten Quartal dürfte aber mit den angekündigten Sonderfaktoren einen deutlichen Schritt zurück machen. Die Prognose für das Geschäft mit Reifen und Kunststofftechnik liege jedoch besser als die Marktschätzungen. Investoren könnten insgesamt aber zuvor positiver gestimmt gewesen sein - die Ankündigungen könnten daher am Markt negativ aufgenommen werden. Tom Narayan vom Analysehaus RBC sprach von einem durchwachsenen Ausblick.

"In einem weiter schwierigen Marktumfeld zeigen wir eine mehr als zufriedenstellende Leistung", meinte Vorstandschef Elmar Degenhart. In China und Nordamerika stabilisierte sich der Automarkt. Der Umsatz der Hannoveraner lag indes wegen der Corona-Krise noch unter Vorjahresniveau: Er sank um mehr als 7 Prozent auf 10,3 Milliarden Euro. Seit dem Jahresbeginn sackten die Erlöse gar um fast ein Fünftel ab, der Nettoverlust war auf dieser Basis noch um mehr als ein Viertel größer als 2019.

Degenhart, der bis Ende November die Vorstandsspitze abgibt, sprach von "einer gewissen Vorsicht", die man mit Blick auf die Corona-Krise aufrechterhalten müsse. Eine "jahrelange Aufholstrecke" liege vor der Industrie. Es gebe jedoch Anlass, nach dem beispiellos schwachen zweiten Quartal optimistischer zu sein. Vieles dürfte davon abhängen, wie gut es gelingt, die Pandemie einzudämmen. Auto- und Maschinenbauer hatten während der ersten Corona-Welle mit drastischen Bestellrückgängen und unterbrochenen Lieferketten zu kämpfen.

Conti spielten im dritten Quartal neben eigenen Kosteneinsparungen auch sinkende Rohstoffkosten in die Hände. In der Sparte mit Reifen und Kunststofftechnik überflügelte der Konzern die operative Marge aus dem Vorjahreszeitraum mit einem Wert von 15 Prozent deutlich. Schäfer bezifferte den positiven Effekt aus sinkenden Rohmaterialpreisen auf 90 Millionen Euro.

Grund für die anhaltenden Belastungen bei Continental sind auch hohe Abschreibungen und Umbaukosten. Der Wert von früher übernommenen Unternehmensteilen etwa der Ex-Siemens-Tochter VDO muss nach unten korrigiert werden, ebenso derjenige bestimmter Produktionsanlagen. Hinzu kommt die umstrittene Strategie "Transformation 2019-2029", mit der sich die Conti-Gruppe weiter in Richtung Software, Sensorik und Elektronik entwickeln will.

Bis zum Jahresende würden hier "weitere Aufwendungen in noch nicht feststehender Höhe" erwartet, hieß es. Für 2020 und 2021 hatte Conti insgesamt Kosten von 1,2 Milliarden Euro eingeplant, dieses Jahr sind bereits 788 Millionen verbucht. Wie viel genau noch im vierten Quartal fällig wird, hängt laut Schäfer immer auch vom Stand der Gespräche ab. Bei den veranschlagten Gesamtkosten bleibe es aber.

Gewerkschafter und Betriebsräte waren zuletzt Sturm gegen den ausgeweiteten Stellenabbau gelaufen, in Werken wie Aachen oder Karben sollen wesentliche Bereiche der Fertigung dichtgemacht werden. Conti bemüht sich, Beschäftigte angesichts des strukturellen Umbruchs in der Branche weiter zu qualifizieren. Es werden jedoch auch viele der weltweit rund 30 000 betroffenen Jobs verlagert oder gestrichen.

Ende September hatte der Konzern insgesamt knapp 233 700 Mitarbeiter, 7700 weniger als zum Jahreswechsel 2019/2020. Ursachen der Abnahme sind Produktionsrückgänge, Einsparungen und der interne Umbau. "Mit den jüngsten Entscheidungen im Vorstand und Aufsichtsrat haben wir einen wichtigen Meilenstein passiert und wenden unseren Blick jetzt verstärkt nach vorne", so Degenhart. Finanzchef Schäfer sagte: "Bisher sind rund 3500 Arbeitsplätze von der Restrukturierung betroffen, davon verbleiben rund 20 Prozent im Unternehmen mit anderen Aufgaben, und 80 Prozent verlassen das Unternehmen."

"Das Nettoergebnis werden wir operativ nicht schaffen zu drehen", räumte Schäfer mit Verweis auf das bislang aufgelaufene Minus von fast 1,2 Milliarden Euro ein. Damit droht das zweite Verlustjahr in Folge. 2019 hatte Conti mit einem Verlust von mehr als 1,2 Milliarden Euro abgeschlossen.

Der Konzern verwies auf neue, im Corona-Frühling noch ersehnte Aufträge: Die Antriebssparte Vitesco, die demnächst ausgegliedert werden soll, meldete einen Milliardenauftrag für eine Hochvolt-Box für E-Autos. "Die Elektroantriebe waren der am stärksten wachsende Bereich", berichtete Schäfer über das Geschäftsfeld, das die operative Marge auch deutlich in die Gewinnzone drehen konnte.

Im Kernbereich Autozulieferung orderte ein Großkunde ein Bremssystem. Conti rüstet bereits zudem das neue E-Auto ID.3 von Volkswagen mit einem Zentralrechner aus - ähnliche Aufträge anderer Autohersteller über mehr als 4 Milliarden Euro stünden derzeit in den Büchern./men/jap/jha/