HAMBURG (awp international) - Beim Autozulieferer und Reifenhersteller Continental gehen die Gedankenspiele zur Aufspaltung des Konzerns laut einem Pressebericht noch über jüngst kolportierte Ideen hinaus. Es gebe bereits Pläne zur Aufspaltung des Konzerns in vier eigenständige Teilbereiche, berichtete das "Manager-Magazin" ("MM") am Donnerstag unter Berufung auf Unternehmenskreise. Das wären noch deutlich ambitioniertere Schritte als zuletzt bereits vom "Handelsblatt" berichtet, in dem es um eine mögliche Eigenständigkeit der Einheit für das autonome Fahren und deren eventuellen Teilbörsengang ging. Die Anleger erfreute es: Die Aktie stieg deutlich, war aber in den vergangenen Wochen auch eher unter Druck.

Mit dem Bericht erhalten die Spekulationen auf radikalere Schritte neue Nahrung. Die Conti-Aktie lag am Nachmittag knapp 5 Prozent im Plus bei 91,51 Euro. Das zog auch die Branche mit nach oben, der europäische Branchenindex Stoxx Europe 600 Automobiles & Parts legte ebenfalls zu. Gleichwohl ist für Conti-Aktionäre noch nicht viel gewonnen: Zur Abspaltung der Antriebstechnik im September lag der Kurs bei rund 100 Euro, im November notierten die Papiere mit dem Höhenflug der Märkte sogar über 110 Euro. Mit dem aktuellen Kurs ist das norddeutsche Unternehmen am Markt rund 18 Milliarden Euro wert und liegt damit nur im unteren Drittel des Leitindex Dax .

Um genau diese Marktkapitalisierung drehen sich laut "Manager Magazin" die Gedanken bei Continental. Chefaufseher Wolfgang Reitzle befasst sich demnach mit Plänen für einen grossen Wurf in der Konzernstruktur, um den geschrumpften Börsenwert zu heben. So soll durch eine Trennung der Geschäfte der Wert der einzelnen Sparten für Investoren sichtbarer werden. Vor zwei Jahren sei noch unter Ex-Vorstandschef Elmar Degenhart ein entsprechendes Geheimprojekt aufgesetzt worden, nach Vorstellung von Beteiligten sei eine Wertsteigerung auf 40 bis 45 Milliarden Euro realistisch.

Eine Debatte rund um den Gesamtwert der einzelnen Teile sei schon positiv für die Aktie, kommentierte Analyst Sascha Gommel von der US-Investmentbank Jefferies. Denn dieser sei aktuell stark bestimmt vom schwachen Abschneiden der im Konzern verbliebenen Autozulieferung, während starke Resultate bei Reifen und im Anlagenbau (Contitech) weitgehend unter den Tisch gefallen seien. Ein Händler riet unterdessen zur Vorsicht bei der Beurteilung des Wahrheitsgehaltes der Informationen, insbesondere was den Zeitrahmen und die Grössenordnung angehe.

Ein Continental-Sprecher wollte den Magazin-Bericht nicht kommentieren. Zuletzt hatte es vom Unternehmen geheissen, die Zusammenarbeit der Geschäftsfelder unter einem gemeinsamen Dach habe weiterhin höchste Priorität. Weitere Schritte seien derzeit nicht geplant, sagte der Sprecher nun erneut.

2021 hatte Conti nach mehreren Jahren des Hin und Her seine Antriebssparte unter dem Namen Vitesco abgespalten und komplett via Spin-Off in die Hände der eigenen Anleger gegeben. Aus früheren Plänen für einen Teilbörsengang, um die Hoheit über das Geschäft mit Verbrenner- und Elektroantrieben zu behalten und gleichzeitig Geld in die Konzernkasse zu spülen, wurde wegen der Skepsis von Investoren nichts.

Neben der vom "Handelsblatt" jüngst kolportierten möglichen Abspaltung des autonomen Fahrens dürften sich die Pläne um die Reifensparte drehen, das Geschäft ist die Gewinnstütze der Hannoveraner. Daneben stünden in dem Szenario auch noch die Sparte mit Kunststofftechnik und Anlagenbau sowie die noch bei Conti verbliebene Autozulieferung zur Trennung bereit, hiess es im "Manager Magazin". Vor einer möglichen Trennung könnte es zudem noch zu Zukäufen speziell im Bereich des autonomen Fahrens kommen, um weisse Flecken in der Technologie zu füllen.

Reitzle selbst verwies dem Blatt gegenüber auf frühere Aussagen, wonach er zwar Ideen für die Zukunft des Konzerns habe, jedoch der Vorstand um dessen Chef Nikolai Setzer dafür verantwortlich sei. Ein gewichtiges Wort mitzureden hätte auf jeden Fall die Industriellenfamilie Schaeffler , sie ist mit rund 46 Prozent grösster Aktionär von Conti. Georg F.W. Schaeffler und seine Mutter Maria-Elisabeth Schaeffler-Thumann sollen aber den Informationen zufolge noch kein Okay für die Abspaltungen gegeben haben.

Spekulationen und Fantasie von Investoren und Analysten rund um die Konzernteile von Conti gibt es schon seit vielen Jahren. Bisher konnte sich das Unternehmen jedoch nur dazu durchringen, die Antriebstechnik für Verbrenner und Elektroautos aus dem Konzerngefüge zu lösen.

Die vergangenen Jahre waren nicht einfach für den Konzern. Ein grosses Umbau- und Kostensenkungsprogramm inklusive der Streichung Tausender Stellen soll das Unternehmen fit machen für die Zukunft. Doch insbesondere die Autozuliefersparte durchlief neben hausgemachten Problemen auch im operativen Geschäft ein tiefes Tal: Auf Schwierigkeiten im US-chinesischen Zollstreit vor einigen Jahren folgte die Corona-Krise, im vergangenen Jahr machte dann der grassierende Chipmangel eine grundlegende Erholung zunichte. 2019 und 2020 schrieb der Konzern rote Zahlen.

In den letzten Jahren war die Konzernaufspaltung für gewachsene deutsche Industrieunternehmen des Öfteren ein probates Mittel, auch weil die verschiedenen Geschäfte nach Ansicht von Investoren oft wenig Gemeinsamkeiten hatten. So spaltete Siemens mehrere Teile seiner ursprünglichen Geschäfte ab: Entweder im Ganzen wie bei Osram , oder nur in zunächst mehr oder weniger grossen Teilen wie bei Siemens Healthineers und Siemens Energy . Der Auto- und Lkw-Bauer Daimler hat sich ebenfalls in zwei Teile zerlegt: Mercedes-Benz für Pkw und Vans sowie Daimler Truck für Lkw und Busse./men/tav/he