Boston/Zürich (Reuters) - Hedgefonds nehmen Medienberichten zufolge den Schweizer Luxusgüterkonzern Richemont ins Visier.

Der aktivistische Investor Third Point ist beim Hersteller von Cartier-Schmuck und Uhren der Marken A. Lange & Söhne und IWC eingestiegen, wie das Branchenportal "Miss Tweed" berichtete. Parallel dazu versuche die Gesellschaft des US-Star-Investors Daniel Loeb, den französischen Luxusgüterkonzern Kering zu einer Übernahme von Richemont zu bewegen. Auch für den Aktionär Artisan Partners ist Richemont unterbewertet, wie Fondsmanager David Samra am Montag zur Nachrichtenagentur Reuters sagte. Handlungsbedarf sieht er vor allem im Online-Handelsgeschäft des Genfer Konzerns.

Third Point ist in der Schweiz kein Unbekannter. So engagierte sich der aktivistische US-Investor 2017 beim Nahrungsmittelriesen Nestle. Kürzlich machte Loeb zudem mit der Forderung Schlagzeilen, dass sich der britisch-niederländische Ölkonzern Royal Dutch Shell aufspalten solle.

Nun wendet sich Third Point offenbar Richemont zu. Der Fonds fordere von Richemont Maßnahmen, um der Aktie auf die Sprünge zu helfen, so "Miss Tweed". Zwar legten die Titel im laufenden Jahr um 50 Prozent zu, hinken dem Branchenriesen LVMH seit Anfang 2020 aber immer noch hinterher. Third Point habe in den vergangenen sechs Monaten eine Beteiligung von rund zwei Milliarden Dollar an Richemont aufgebaut, berichtete "Miss Tweed" unter Bezug auf einen Insider weiter. Eine andere, dem Hedgefonds nahe stehende Person habe erklärt, die Position sei kleiner als eine Milliarde Dollar.

Über einen möglichen Zusammenschluss von Richemont und Kering war in der Vergangenheit wiederholt spekuliert worden. Nach der guten Aktienkursentwicklung in den vergangenen Monaten wäre Richemont dafür nun in einer besseren Ausgangslage als noch zu Jahresbeginn. Kering ist an der Börse gut 82 Milliarden Euro wert, Richemont rund 63 Milliarden Franken. Am Montag stiegen die Richemont-Aktien um 2,5 Prozent.

Richemont und Third Point wollten keine Stellungnahme abgeben.

WIRD ONLINE-HÄNDLER YNAP VERKAUFT?

Richemont bietet durchaus Angriffsfläche. So schreibt der zu Richemont gehörende Onlinehändler für Luxusgüter, Yoox-Net-a-Porter (YNAP), seit Jahren Verluste. "Es gibt für das Unternehmen keine Notwendigkeit, YNAP zu besitzen, und ich erwarte, dass es letztendlich verkauft wird", erklärte KeplerCheuvreux-Analyst Jon Cox.

Hier setzt auch Artisan an, die Angaben von Refinitiv zufolge 1,2 Prozent an dem Unternehmen hält. Artisan sei ein langfristig orientierter Investor und konzentriere sich auf Unternehmen mit hohen Renditen, einer starken Bilanz und erfolgreichen Managementteams, erklärte Samra. Artisan sei schon seit vielen Jahren an Richemont beteiligt und unterstütze Verwaltungsratspräsident Johann Rupert. "Dennoch stimmen wir mit Third Point darin überein, dass es bei Richemont einen beträchtlichen unerkannten Wert gibt. Unserer Einschätzung nach liegt die Hauptursache für die Unterbewertung im E-Commerce-Geschäft des Unternehmens, das derzeit Verluste macht." Doch dies dürfte sich über die Zeit ändern, so Samra.

Auch zu anderen Punkten äußern sich Anleger kritisch. So hat die Firma zwei Aktienkategorien: Börsennotierte A-Aktien und nicht börsennotierte B-Aktien, die vom südafrikanischen Milliardär Johann Rupert gehalten werden. Rupert kontrolliert so 9,1 Prozent des Kapitals, die aber 50 Prozent der Stimmrechte ausmachen. Die Struktur mit zwei Aktienkategorien sei nicht mehr zeitgemäß, erklärte Vontobel-Analyst Jean-Philippe Bertschy. "Meiner Meinung nach sind Third Point und Artisan Partners nicht die einzigen, die in diesem Sinne Druck ausüben, das ist nur die Spitze des Eisbergs." Den Einstieg von Third Point bezeichnete er als eine "vielversprechende Entwicklung, denn ein gewisser Druck von außen ist immer gut."

In anderen Fragen in Bezug auf gute Unternehmensführung hat Richemont bereits erste kleine Schritte gemacht. So kündigte der Konzern an, den im Vergleich zu anderen Schweizer Unternehmen großen Verwaltungsrat etwas zu verkleinern und mit mehr von der Firma unabhängigen Mitgliedern zu bestücken. Richemont legt am Freitag den Zwischenbericht vor.