Von Carol Ryan

LONDON (Dow Jones)--Obwohl ein Aktivist seine Kampagne bei einem der führenden europäischen Luxusunternehmen verloren hat, ist die Tatsache, dass er überhaupt aufgetaucht ist und ernst genommen wurde, neu.

Am Mittwoch stimmten die Aktionäre der in der Schweiz ansässigen Compagnie Financiere Richemont, zu der Marken wie Cartier und Van Cleef & Arpels gehören, gegen die Nominierung des Kandidaten von Bluebell Capital Partner für den Verwaltungsrat. Der in London ansässige Hedgefonds wollte Francesco Trapani, den ehemaligen Chef der Schmuckmarke Bulgari, als Gegengewicht zum mächtigen Richemont-Gründer Johann Rupert in den Verwaltungsrat holen.

Die Anleger stimmten allerdings gegen die Ernennung von Trapani. Stattdessen votierten die Anteilseigner mit deutlicher Mehrheit für Wendy Luhabe, die bereits im Verwaltungsrat des Schweizer Konzerns sitzt. Sie wird künftig die Interessen der A-Aktien vertreten. Diese sind im Gegensatz zu den B-Aktien an der Börse notiert. Gemäß der Konzernstruktur halten zwar die A-Aktionäre die Mehrheit des Aktienkapitals, aber die Familie des Vorsitzenden Johann Rupert kontrolliert 50 Prozent der Stimmrechte durch ihren Besitz von B-Aktien.


   Bluebell hat Richemont in die Defensive gedrängt 

Die Richemont-Investoren haben dieses Recht zwar seit Jahrzehnten, es aber nie genutzt, bis der Aktivist darauf hinwies. Trotz dieser Niederlage hat Bluebell Richemont in die Defensive gedrängt. Das Unternehmen reagierte öffentlich auf die Kritik an seiner Unternehmensführung in Medieninterviews und veröffentlichte eine Präsentation, in der es seine Erfolgsbilanz vor der Jahreshauptversammlung verteidigte. Dies ist überraschend, wenn man bedenkt, dass Bluebell nur etwa 0,2 Prozent der Richemont-Aktien besitzt und Rupert durch die Zwei-Klassen-Aktienstruktur eine strenge Kontrolle über das Unternehmen ausübt.

Richemont reagiert möglicherweise empfindlicher auf die Äußerungen, weil Bluebell nicht der einzige Aktivist ist, der womöglich Kritik äußerte. Der Hedgefonds Third Point von Daniel Loeb hat ebenfalls eine Beteiligung an dem Unternehmen erworben, obwohl er sich öffentlich nicht zu dem Unternehmen geäußert hat.

Normalerweise vermeiden Hedgefonds die Konfrontation mit den Familien, die Europas führende Luxusunternehmen kontrollieren. Die Situation bei Richemont zeigt jedoch, dass die Marken der Branche, die sich in engem Besitz befinden, nicht immer vor Aktivisten sicher sind.

Die Aktionäre sind schon seit mehreren Jahren mit der Kapitalverwendung des Unternehmens unzufrieden. Ende letzten Monats nahm das Management eine Abschreibung in Höhe von 2,7 Milliarden Euro auf den Online-Luxuseinzelhändler Yoox Net-a-Porter vor. Bluebell schätzt, dass Richemont in der Summe fast 4 Milliarden Euro für Investitionen in seine Online-Handelssparte verbrannt hat.


   Richemont mit schwächerer Rendite als LVMH, Hermes und Kering 

Richemont ist in den vergangenen fünf Jahren bei der Gesamtrendite für die Aktionäre hinter den Konkurrenten LVMH, Hermes und Kering zurückgeblieben. Diese schwächere Leistung macht es einfacher, die Unternehmensführung zu kritisieren.

Rupert kontrolliert 50,8 Prozent der Stimmrechte bei einem Kapitalanteil von 10,5 Prozent. Übergroße Stimmrechte sind in der Luxusbranche nicht ungewöhnlich, aber die Struktur von Richemont ist besonders verzerrt. Bei Hermes kontrolliert die Gründerfamilie 78 Prozent der Stimmrechte, besitzt aber über zwei Drittel des Unternehmens. Bei LVMH verfügt die Familie Arnault über 64 Prozent der Stimmrechte bei einem wirtschaftlichen Anteil von 48 Prozent.

Um fair zu sein, Richemont hatte einen triftigen Grund, Bluebells Kandidaten für den Verwaltungsrat abzulehnen. Trapani hatte bis 2019 einen Sitz im Verwaltungsrat von Tiffany & Co und war maßgeblich an der 16 Milliarden Dollar schweren Übernahme des amerikanischen Schmuckunternehmens durch LVMH beteiligt - ein Geschäft, das Tiffany zu einem ernstzunehmenden Konkurrenten für Richemont macht. Weniger als 10 Prozent der Richemont-Anleger stimmten für seine Nominierung, ein schlechtes Ergebnis für den Aktivisten.

Die Aktionärsrenditen der meisten großen europäischen Luxusunternehmen waren in den letzten Jahren hervorragend, so dass die Anleger nicht viel zu meckern hatten. Die Kontrolle durch die Familie wird bei Hermes und LVMH immer noch als Vorteil angesehen. Der Angriff der Aktivisten auf Richemont zeigt, dass es schwer ist, Luxusunternehmensgründer wie Rupert in die Schranken zu weisen - aber es ist möglich, an ihrem Käfig zu rütteln.

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September 08, 2022 02:27 ET (06:27 GMT)