- von Alexander Hübner

München (Reuters) - Deutsche Fondsgesellschaften wollen dem Rückzug den Dax-Konzerns Linde von der Frankfurter Börse die Zustimmung verweigern.

Die Wertpapierhäuser der Genossenschaftsbanken und der Sparkassen, Union Investment, und Deka, haben angekündigt, auf der außerordentlichen Hauptversammlung des amerikanisch-deutschen Gasekonzerns am 18. Januar gegen die dafür notwendigen Beschlüsse zu votieren. "Wir werden gegen das Delisting stimmen. Bei der Übernahme von Praxair hatte Linde diesen Schritt ausgeschlossen", sagte Ingo Speich, Corporate-Governance-Chef von Deka Investment, der Nachrichtenagentur Reuters am Montag. Die nötigen Zustimmungsquoten dürften Linde dennoch sicher sein. Der einflussreiche Aktionärsberater ISS - seit zwei Jahren eine Tochter der Deutschen Börse - empfiehlt seinen Kunden, für den Vorschlag zu stimmen.

Die Deutsche Börse verlöre mit dem Rückzug von Linde ihren mit Abstand größten Dax-Wert. Institutional Shareholder Services (ISS) hält die Argumente des Linde-Vorstandes für die Konzentration auf die New Yorker Börse für "überzeugend", wie es in dem Reuters vorliegenden Beschlusspapier heißt. Vor allem dass die Linde-Aktie bei jeder Neuberechnung des Leitindex Dax aufs Neue unter Verkaufsdruck gerate, habe die Kursentwicklung zuletzt belastet. Nach dem Votum von ISS richten sich viele der US-Investoren, die den Aktionärskreis von Linde dominieren.

Linde hatte die Rückzugspläne mit dem Mehraufwand bei der Bilanzierung und Bewertungsfragen begründet. Das Vorhaben hatte eine Debatte über die Konkurrenzfähigkeit des deutschen Finanzplatzes im internationalen Vergleich ausgelöst. Ein einzelner Wert im Dax darf zum Verkettungstermin nicht mehr als zehn Prozent des Index ausmachen. Weil sich die Linde-Aktie besser entwickelte als die meisten anderen Dax-Werte, wurde das Index-Gewicht bei jeder Neuberechnung wieder gekappt. Deshalb mussten Indexfonds (ETF) einen Teil der Papiere wieder verkaufen.

"ÜBERNAHME DURCH DIE HINTERTÜR"

ISS erklärte, die Aktionärsrechte seien von der geplanten Umstrukturierung praktisch nicht berührt. Die Linde plc mit Sitz in Dublin soll dabei auf eine neue Dachgesellschaft verschmolzen werden, die von Anfang März an nur noch in New York gelistet sein soll. Damit würde Linde auch aus dem Dax herausgenommen. In den Leitindex einziehen könnten dann Rheinmetall oder die Commerzbank - wenn sie bis dahin für das abgelaufene Jahr schwarze Zahlen vorlegt.

Deka-Manager Speich und Union-Investment-Fondsmanager Arne Rautenberg sehen darin aber Nachteile für die deutschen Aktionäre: "Das Delisting von Linde von der Frankfurter Börse, das Verschwinden aus dem Dax und allen europäischen Indizes sehen wir kritisch, da es mit einer deutlichen Reduzierung des Volumens des deutschen Aktienmarktes einhergeht", sagte Rautenberg. Manager von Dax-Indexfonds müssen die Papiere dann verkaufen. "Damit wird deutlich, dass letztlich Praxair Linde übernommen hat und nicht umgekehrt. Es war eine Übernahme durch die Hintertür", kritisierte Speich. Die Münchner Linde AG hatte sich 2018 in einer "Fusion unter Gleichen" mit dem US-Konkurrenten Praxair zusammengeschlossen.

(Bericht von Alexander Hübner; Mitarbeit: Hakan Ersen; Redigiert von Olaf Brenner; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)