- von Andreas Rinke und Christian Krämer

Berlin (Reuters) - Die Spitzen der Ampel-Koalition werden am Mittwochabend über das Loch im Haushalt für 2024 beraten.

Ein Durchbruch wird dabei noch nicht erwartet. Unklar ist weiterhin, wie groß die Lücke genau ist, die Angaben in der Koalition reichen grob von mehr als zehn Milliarden Euro bis annähernd 100 Milliarden. Die Größenordnung wird mit darüber entscheiden, ob die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse auch 2024 erneut ausgesetzt werden muss, um mehr Geld aufnehmen zu können.

Finanzminister und FDP-Chef Christian Lindner hatte den zusätzlichen Sparbedarf zuletzt auf zehn bis 20 Milliarden Euro beziffert. Am Abend dürfte er sich im ZDF dazu äußern. Lindner will die Schuldenbremse nächstes Jahr einhalten. Weite Teile der SPD und der Grünen dringen innerhalb der Ampel aber auf eine Aussetzung, das fünfte Jahr in Folge dann. "Ich gehe von einem höheren zweistelligen Milliardenbetrag aus", sagte die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion, Katja Mast, zur Lücke im Etat 2024.

In Koalitionskreisen hieß es, dass der Betrag sicher zweistellig sein werde, aber schwer präzise zu bestimmen sei. So müsse geklärt werden, wie nach dem folgenreichen Urteil des Verfassungsgerichts zum Klimafonds KTF mit anderen Sondervermögen umgegangen werden solle und welche Auswirkungen die Beendigung der inflationsindexierten Anleihen hätten. Unklar sei zudem, wie sich die Konjunkturkomponente der Schuldenbremse entwickele und wie die Zinsentwicklung. Bei schlechter Konjunktur gewährt die Schuldenregel dem Bund mehr finanziellen Spielraum.

Die Karlsruher Richter hatten 60 Milliarden Euro aus dem KTF gestrichen, weil die Übertragung auf verfassungswidrige Weise getätigt wurde. Nach dem Urteil von Mitte November wurden auch die Beratungen im Bundestag über den Etatentwurf für 2024 auf Eis gelegt. Die Ampel versucht derzeit, vor allem in kleinen Spitzenrunden eine Lösung zu finden. "Das Gesamtpaket wird bis heute Abend nicht auf dem Tisch liegen", so Mast. Auch in Regierungskreisen hieß es, beim Koalitionsausschuss seien keine Entscheidungen zu erwarten. Geklärt sind dagegen schon die Konsequenzen für 2023. Hier hatte Lindner am Montag einen Nachtragshaushalt vorgelegt. Die Schuldenbremse soll dieses Jahr erneut ausgesetzt werden, um Ausgaben aus mehreren Sonderfonds abzusichern, vor allem für die Energiepreisbremsen.

BESCHLÜSSE IM BUNDESTAG NOCH VOR WEIHNACHTEN MÖGLICH

Die Beratungen zum Haushalt 2024 liefen, sagte eine Sprecherin des Finanzministeriums in Berlin. Regierungssprecher Steffen Hebestreit fügte hinzu, den Etatentwurf noch dieses Jahr durch das Parlament zu bekommen, sei ambitioniert. Mit Sondersitzungen in der Woche vor Weihnachten sei dies aber möglich, auch in den regulären Fristen ohne Zugeständnisse der Opposition. "Das ist machbar." Zur Not würde man den Haushalt für 2024 erst im Januar finalisieren.

CDU-Politiker Helge Braun verwies auf Zahlen des Bundesrechnungshofes: "Rechnet man wie bei der Haushaltsaufstellung noch geplant den bisherigen WSF- Wirtschaftsplan dazu, wären es 48,5 Milliarden Euro", sagte der Vorsitzende des Haushaltsausschusses zu Reuters. Commerzbank-Ökonom Ralph Solveen verwies in einer Analyse zuletzt auf Daten der Bundesbank, wonach sich die geplanten Defizite der nach dem Verfassungsgerichtsurteil betroffenen Sondertöpfe 2024 auf 52 Milliarden Euro summieren könnten. Diesen Betrag müsste Lindner dann neu finanzieren. "Auch wenn manche dieser Ansätze nach den Erfahrungen dieses Jahres etwas niedriger angesetzt werden könnten, verbleibt ein beträchtliches Loch in der Budgetplanung", so Solveen. Das wahrscheinlichste Szenario sei es, das Loch in erster Linie mit Einsparungen zu stopfen - dem früheren Ende der Energiepreisbremsen, pauschalen Sparvorgaben an die Ministerien, der zeitlichen Streckung von Vorhaben sowie dem Abbau klimaschädlicher Subventionen. Die ohnehin lahmende Wirtschaft würde dies aber zusätzlich belasten.

SCHULDENBREMSE 2024 ZUM FÜNFTEN MAL IN FOLGE AUSSETZEN?

SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert forderte im Deutschlandfunk ein erneutes Aussetzen der Schuldenbremse auch 2024. "Die SPD ist der Überzeugung, dass man dafür eine Begründung finden kann", sagte Mast mit Blick auf den Ukraine-Krieg und die Folgekosten für Deutschland, die Transformationskosten für eine klimaneutrale Wirtschaft und die Wahrung des sozialen Zusammenhalts. Sie verwies auch auf riesige Subventionen, die die USA, China, aber auch Frankreich für den Umbau ihrer Wirtschaft zahlten. Mit gutem Willen aller Beteiligten werde es gelingen, den Haushalt 2024 noch in diesem Jahr zu beschließen.

Einer Forsa-Umfrage zufolge ist die Haushaltskrise für die Bürger mittlerweile das drittwichtigste Thema nach dem Nahost-Konflikt und dem Krieg in der Ukraine. 46 Prozent der Befragten wollen Finanzlöcher durch Kürzungen schließen, 34 Prozent plädieren für zusätzliche Schulden, acht Prozent sind für Steuererhöhungen. Allerdings traut eine deutliche Mehrheit von 69 Prozent der Ampel nicht zu, die Haushaltskrise zu lösen.

(redigiert von Kerstin Dörr. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)