Von Carol Ryan

WASHINGTON (Dow Jones)--Raucher würden vielleicht bereitwilliger auf ein Verbot von Mentholzigaretten reagieren, wenn sie passende Alternativen hätten. Das Gleiche gilt für die Tabakkonzerne. Die dem US-Gesundheitsministerium unterstellte Food and Drug Administration (FDA) will Mentholzigaretten vom amerikanischen Markt nehmen. In einer Erklärung von Ende April begründete die Behörde dies damit, dass der Minzgeschmack in Zigaretten das Suchtpotenzial von Nikotin erhöhen und die Raucherentwöhnung erschweren kann.

Mentholzigaretten sind in den USA sehr beliebt und machen etwa ein Drittel aller verkauften Glimmstengel aus, während es in der Europäischen Union im Jahr 2020 gerade mal 7 Prozent waren, als hier ein Verbot erlassen wurde. Diese Art von Zigaretten ist insbesondere für British American Tobacco (BAT) lukrativ. Der Tabakkonzern erzielt schätzungsweise 30 Prozent seines Betriebsgewinns in den USA mit Mentholzigaretten. Die Mentholmarken von Altria tragen etwa ein Fünftel zum Betriebsgewinn des Konkurrenten bei.

Als Kanada bereits im Jahr 2017 Mentholzigaretten verbot, beschleunigte sich der durchschnittliche jährliche Rückgang der Zahl der Zigarettenraucher in den drei Jahren danach auf das Doppelte der vorherigen Rate. Die Gesamtzahl der Nikotinkonsumenten, zu denen auch Konsumenten rauchfreier Produkte wie E-Zigaretten gehören, ging jedoch nur um 0,4 Prozent zurück, wie eine Analyse von Jefferies ergab.

Dies deutet darauf hin, dass ein Mentholverbot den Umstieg der Raucher auf alternative Zigaretten beschleunigen kann. Ausgehend von den Erfahrungen, die Kanada und die EU mit dem Verbot von Menthol gemacht haben, schätzt Jefferies, dass 45 Prozent der Mentholraucher in den USA auf normale Zigaretten umsteigen könnten, 35 Prozent auf rauchfreie Alternativen wie Vape Pens, und etwa 5 Prozent könnten die Gelegenheit nutzen, um ganz aufzuhören. Andere dürften auf den Schwarzmarkt ausweichen.

Die Umstellung könnte BAT dabei helfen, das selbstgesteckte Ziel für 2025 zu erreichen, nämlich mit so genannten risikoreduzierten Produkten wie E-Zigaretten jährlich 5 Milliarden Pfund oder umgerechnet 6,16 Milliarden US-Dollar einzunehmen. Bislang hat das Unternehmen erst weniger als die Hälfte dieses Weges zurückgelegt und hat im Jahr 2021 etwa 2 Milliarden Pfund oder 8 Prozent des Umsatzes mit Vape-Marken und anderen neuen Kategorien erzielt.


   Welche rauchfreie Alternative passt? 

Auch Altria als US-Eigentümer von Marlboro macht nur einen kleinen Teil seines Gesamtumsatzes mit nicht brennbaren Produkten wie on!-Nikotinbeuteln. Obwohl Altria einen Anteil von 35 Prozent an der E-Zigarettenmarke Juul Labs besitzt, haben die eigenen Vape- und Heat-Tobacco-Marken nur einen geringen Anteil am US-Markt für Zigarettenalternativen. Das bedeutet, dass es für Altria schwieriger als für BAT werden könnte, die Gewinneinbußen aufgrund eines Verbots zu kompensieren, obwohl BAT bereits ein größeres Mentholgeschäft besitzt.

Es ist jedoch nicht sicher, dass Menthol-Raucher in den USA eine genehme rauchfreie Alternative finden werden. Die FDA prüft derzeit alle E-Zigarettenmarken, um zu entscheiden, ob sie auf dem Markt bleiben können oder nicht. Bislang sind keine E-Zigaretten mit Mentholgeschmack zugelassen worden. Ohne diese Option könnten Mentholraucher versucht sein, den illegalen Markt anzuzapfen oder normale Zigaretten selbst mit Menthol anzureichern.

Wenn das Verbot irgendwann gilt, wird man klarer sehen. Analysten und Tabakunternehmen gehen davon aus, dass die neuen Mentholvorschriften frühestens 2026 in Kraft treten werden. Zunächst muss die FDA öffentliche Anhörungen abhalten, auf Kommentare reagieren und sich mit etwaigen rechtlichen Anfechtungen auseinandersetzen. Morgan Stanley weist darauf hin, dass die von der FDA bereits 2010 vorgeschlagene Regelung zur Anbringung von Warnhinweisen auf Zigarettenschachteln immer noch nicht umgesetzt wurde. Das zeigt, wie lange Veränderungen dauern können.

Da die Tabakkonzerne die Einnahmen aus dem lukrativen Verkauf von brennbaren Zigaretten benötigen, um Innovationen in ihren rauchfreien Portfolios zu finanzieren, haben sie einen starken Anreiz, ein Verbot hinauszuzögern, bis die Märkte für erhitzten Tabak und E-Zigaretten reifer sind.

Dennoch sollten sie sich nicht länger als nötig querstellen. Anleger zeigen nämlich eine klare Präferenz für Unternehmen, die sich vom traditionellen Rauchen abwenden. Die Aktien von Philip Morris International, das Marlboro außerhalb der USA vertreibt, und des Nikotinbeutel-Herstellers Swedish Match werden mit dem 17-fachen ihrer prognostizierten Gewinne gehandelt. Das ist ein beachtlicher Aufschlag gegenüber BAT und Altria, die mit dem 9- beziehungsweise 11-fachen bewertet werden. Philip Morris erzielt 31 Prozent seines Umsatzes mit rauchfreien Produkten, und dieser Anteil wird noch steigen, wenn die Gespräche über die Übernahme von Swedish Match, über die das Wall Street Journal am Montag berichtete, erfolgreich verlaufen.

Ein Menthol-Verbot in den USA könnte den Wandel der Tabakindustrie beschleunigen, allerdings nur, wenn die Zigarettenhersteller eine rauchfreie Alternative bereithalten können.

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May 10, 2022 03:24 ET (07:24 GMT)