(Neu: Aussagen aus der Telefonkonferenz etwa zu Zukäufen, Aktienkurs)

ESSEN (dpa-AFX) - Die Corona-Krise hat auch beim Chemikalienhändler Brenntag im vergangenen Jahr Spuren in der Bilanz hinterlassen. Diese fielen aber dank eines starken Schlussquartals nicht so stark aus wie von Experten befürchtet. Für 2021 zeigte sich Unternehmenschef Christian Kohlpaintner bei der Vorlage der Zahlen für 2020 am Mittwoch weiter vorsichtig: "Wir müssen immer noch weltweit mit den Auswirkungen der Pandemie umgehen und vor allem für die erste Jahreshälfte 2021 erwarten wir ein hohes Maß an Unsicherheit in Bezug auf die gesamtwirtschaftliche Entwicklung."

Trotz der bestehenden Unsicherheiten rechnet der Konzern im laufenden Jahr mit einem Anstieg des bereinigten operativen Gewinns (Ebitda) auf 1,08 bis 1,18 Milliarden Euro. Zum Ergebniszuwachs sollen neben dem laufenden Sparprogramm auch die jüngsten Zukäufe beitragen.

Die Zahlen und der Ausblick kamen am Aktienmarkt gut an. Die Aktie legte im Nachmittagshandel um mehr als 4 Prozent zu und erreichte mit über 70 Euro einen neuen Rekord. Das operative Ergebnis übertraf laut Analyst Matija Gergolet von der US-Investmentbank Goldman Sachs im Schlussquartal die Erwartungen um 8 Prozent. Auch liege die diesbezügliche Zielspanne für 2021 im Mittel leicht über dem Konsens. Analyst Markus Mayer von der Baader Bank wies zudem auf den starken freien Barmittelzufluss hin.

Im vergangenen Jahr zog beim MDax-Konzern der um Sondereffekte bereinigte Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda), der als wichtiger Gradmesser für die operative Entwicklung gilt, im Jahresvergleich um sechs Prozent auf 1,06 Milliarden Euro an. Dazu trugen vor allem Einsparungen bei. Während sich das Ergebnis in Europa, Asien und Südamerika besser entwickelte, belastete die schwächere Nachfrage aus der Öl-, Gas- und Schmierstoffindustrie das Nordamerika-Geschäft.

Die drei Bereiche machten in der Region etwa 30 Prozent aus, erläuterte Finanzchef Georg Müller. Deshalb habe Brenntag in Nordamerika die Kostenstruktur etwa durch einen Stellenabbau angepasst. Rechne man die drei Geschäftsbereiche beim Rohertrag heraus, dann wäre diese Kennziffer in dieser Region um drei Prozent gewachsen, so Müller. Dennoch seien diese Geschäftsbereiche immer profitabel gewesen und blieben es auch.

Der Umsatz schrumpfte 2020 um acht Prozent auf rund 11,8 Milliarden Euro. Unter dem Strich verbuchte Brenntag mit 466,5 Millionen Euro einen Gewinn nahezu auf Vorjahresniveau. Die Dividende soll um zehn Cent auf 1,35 Euro erhöht werden. Brenntag-Chef Kohlpaintner begründete dies unter anderem mit dem Anstieg des freien Barmittelzuflusses auf mehr als eine Milliarde Euro. Derweil fielen Umsatz, operatives Ergebnis und Dividende besser aus, als Experten erwartet hatten.

Um Brenntag wieder profitabler zu machen, hatte Kohlpaintner vor einem Jahr dem Unternehmen ein Fitnessprogramm verordnet. So sollen Prozesse, Abläufe und Strukturen im Konzern optimiert werden. Unter anderem sollen bis Ende 2022 weltweit etwa 1300 Arbeitsplätze wegfallen. Dabei seien 2020 bereits 200 Stellen abgebaut worden, hieß es. Ende 2020 beschäftigte Brenntag rund 17 200 Mitarbeiter. Zudem seien 30 von den geplanten 100 Standortschließungen bereits umgesetzt.

Des Weiteren führte der Konzern Anfang 2021 zwei Geschäftsbereiche ein: Essentials und Specialties. Im ersten Bereich sollen Prozesschemikalien für ein breites Spektrum an Branchen und Anwendungen vermarktet werden. Der zweite Bereich soll sich auf den Vertrieb von Inhaltsstoffen für ausgewählte Branchen konzentrieren. Mit dem Sparprogramm will der Konzern das bereinigte Ebitda ab dem Jahr 2023 um 220 Millionen Euro verbessern.

Trotz des Sparkurses hält Brenntag laut Kohlpaintner an seiner Strategie fest, 200 bis 250 Millionen Euro für Zukäufe jährlich auszugeben. Dabei plane das Unternehmen vor allem Übernahmen in Schwellenländern, sagte er in einer Telefonkonferenz. Wachsen wolle Brenntag vor allem in China, wo das Unternehmen noch nicht einmal einen Marktanteil von einem Prozent habe.

Brenntag ist ein international tätiger Händler von Industrie- und Spezialchemikalien sowie Inhaltsstoffen, der seine mehr als 10 000 Produkte bei den Chemiekonzernen in größeren Mengen einkauft, diese lagert und sie dann in kleineren Mengen verkauft. In den vergangenen Jahren ist das Unternehmen über kleinere Übernahmen gewachsen. Konjunkturabschwünge treffen Brenntag in der Regel zwar weniger stark als Chemiekonzerne, weil Kunden dann geringere Mengen an Chemikalien benötigen und diese vermehrt beim Händler statt beim Produzenten kaufen./mne/knd/jha/