BERLIN (dpa-AFX) - Angesichts der aktuellen Infektionszahlen werden weitere Lockerungen von Corona-Auflagen in Deutschland vorerst unwahrscheinlicher. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nannte die Zahlen am Montag in einer Präsidiumssitzung ihrer Partei besorgniserregend, aber noch beherrschbar. Es könne deswegen derzeit keine weiteren Lockerungen geben. Dies gelte auch für Fußballspiele, sagte sie nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur aus Parteikreisen.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) äußerte Befürchtungen vor verstärkten Ansteckungen auf Familienfeiern und anderen Festen und regte an, erneut über die erlaubte Größe solcher Veranstaltungen zu beraten. In den Bundesländern gelten dazu unterschiedliche Regelungen. Zum Teil sind inzwischen wieder Innenveranstaltungen mit mehreren hundert Teilnehmern erlaubt.

Das Robert Koch-Institut meldete am Montagmorgen 561 neue Infektionen innerhalb eines Tages. An Sonntagen und Montagen liegen die Zahlen erfahrungsgemäß oft niedriger, weil am Wochenende nicht alle Gesundheitsämter Daten an das RKI übermitteln. Am Freitag und Samstag waren es aber mehr als 1400 Neuinfektionen binnen 24 Stunden. Der Höhepunkt bei den täglich gemeldeten Neuansteckungen hatte Anfang April bei mehr als 6000 gelegen.

Nach weiteren Informationen aus CDU-Parteikreisen laufen derzeit Gespräche über ein Treffen der Ministerpräsidenten der Bundesländer mit der Kanzlerin in der kommenden Woche, bei der über die Corona-Lage und die uneinheitlichen Regeln in den Ländern beraten werden soll. Ein solches Treffen hatte es zuletzt vor der Sommerpause im Juni gegeben. Damals ging es vor dem Hintergrund sinkender Zahlen noch um weitere Lockerungen von Corona-Maßnahmen und um eine Wiederaufnahme von Großveranstaltungen.

Doch seit Ende Juli steigen die Corona-Zahlen wieder. Die Deutsche Fußball Liga hatte schon ein Konzept für eine Teilzulassung von Fans zum Beginn der Saison 2020/21 am dritten September-Wochenende erarbeitet. Die Gesundheitsminister der Länder haben sich aber inzwischen darauf verständigt, dass sie eine Rückkehr von Zuschauern in die Stadien bis mindestens Ende Oktober nicht befürworten.

Vizekanzler und Finanzminister Olaf Scholz (SPD) warnte am Montag vor überzogenen Hoffnungen auf eine schnelle Rückkehr zur Normalität im Kultur- und Veranstaltungssektor. "Sehr große Veranstaltungen sind einfach sehr riskant", sagte der frisch gekürte SPD-Kanzlerkandidat bei einer SPD-Veranstaltung in Würselen bei Aachen. "Das ist alles schwer, ich finde, das sollte man nicht wegreden."

Die CDU-Spitze will ihren ursprünglich für April geplanten Parteitag zur Wahl eines neuen Vorsitzenden aber nicht noch einmal verschieben. Das Treffen soll wie beabsichtigt Anfang Dezember in Stuttgart stattfinden. Allerdings werde man das Parteitagsprogramm hin zu einem sehr kompakten und kurzen Treffen überarbeiten, sagte Generalsekretär Paul Ziemiak nach Beratungen von Präsidium und Vorstand.

Zum Thema Familienfeiern sagte Spahn am Montag bei einer Videopressekonferenz, er wolle kein Spielverderber sein und verstehe jeden, der seine Hochzeit mit 150 Gästen feiern wolle. Man müsse aber noch einmal schauen, ob man das jetzt in dieser Phase nur im engeren oder engsten Familien- und Freundeskreis mache. Es gehe vor allem um diese Bereiche, "wenn wir gesellig werden", wo sich das Virus besonders schnell verbreite. Kitas, Schulen, Wirtschaft und Handel müssten nach Spahns Ansicht Vorrang haben vor öffentlichen oder privaten Feiern.

Über das Thema wolle er mit den Bundesländern noch einmal reden, sagte Spahn. Die Regeln sind unterschiedlich: So sind in Berlin laut aktueller Corona-Verordnung momentan Innenveranstaltungen mit bis zu 500 Menschen erlaubt. In Nordrhein-Westfalen dürfen bei "geselligen Veranstaltungen wie Hochzeiten" drinnen maximal 150 Gäste anwesend sein, in Bayern maximal 100.

Zu den Infektionszahlen sagte der Gesundheitsminister: "Ich bin sehr dafür, dass wir wachsam und aufmerksam sind, ernsthaft, aber auch nicht in Endzeitstimmung. Bis hierhin können wir damit umgehen. Besorgniserregend wäre, wenn es weiter steigt und dafür müssen wir abstufen, was ist jetzt zuerst wichtig."/jr/DP/stw