BAD RAGAZ (dpa-AFX) - Für nostalgische Gefühle bleibt auch am nahen Ende einer Ära wenig Raum. Ein Jahr vor dem Beginn seines Ruhestandes nach dann 44 Jahren bei Borussia Dortmund verschwendet Michael Zorc noch immer kaum einen Gedanken an eine Zeit ohne Fußball. "Ich bin total fokussiert auf die Saison und schwelge weniger in Erinnerung und Romantik. Noch sehe ich mich nicht auf Abschiedstournee, sondern bin voll in der Planung", sagte der 58 Jahre alte BVB-Sportdirektor in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur.

Allein das Thema Erling Haaland sorgte in den vergangenen Wochen für viel Aufregung. Genervt von den vielen Schlagzeilen bezeichnete Zorc die wochenlangen Spekulationen um einen Vereinswechsel des Torjägers als "heiße Luft". Damit reagierte der BVB-Rekordspieler auf eine angebliche Mega-Offerte des FC Chelsea für den 21 Jahre alten Norweger in Höhe von 175 Millionen Euro. "Dieses Angebot ist nicht da und wird auch nicht erwartet. Als diese Zahlen medial kursierten, haben wahrscheinlich einige Protagonisten noch von der Super League geträumt. Wir müssen Erling nicht verkaufen", sagte Zorc ungeachtet der durch die Corona-Pandemie verursachten Einnahmeverluste.

Teile dieser Verluste sollen mit dem 85 Millionen Euro Verkauf von Jadon Sancho an Manchester United aufgefangen werden. "Natürlich ist Jadons Weggang für uns ein Verlust. Ich habe noch nie einen Spieler in seinem Alter gesehen, der so effektiv war. Die Menschen in England wissen noch gar nicht, wie gut er wirklich ist", kommentierte der dienstälteste Bundesliga-Manager.

Zorc ist guter Dinge, dass der rund 30 Millionen Euro teure Neuzugang Donyell Malen die Sancho-Lücke schließen kann: "Er ist ein sehr interessanter Spieler, erst 22 Jahre alt und in der Offensive sehr flexibel einsetzbar. Was ihn außerdem auszeichnet, ist seine große Schnelligkeit und Kreativität."

Gut eine Woche vor dem ersten Saison-Pflichtspiel im Pokal bei Wehen Wiesbaden sprach Michael Zorc dem neuen Trainer Marco Rose ein Lob aus: "Mir gefällt seine sehr kommunikative Art, er nimmt alle Spieler und das Team hinter dem Team immer mit. Er ist ein Trainer, der in seinem Umfeld eine positive Energie erzeugt. Genau das brauchen wir."

Gleichwohl hält Zorc wenig von Vergleichen mit dem einstigen BVB-Erfolgscoach Jürgen Klopp: "Es scheint bei vielen so eine Art Urwunsch zu sein, eine Klopp-Kopie zu suchen und zu finden. Aber ganz ehrlich nicht für uns. Er kann einen ganz anderen Ansatz haben. Er muss nicht wie Jürgen Klopp aussehen, er muss nicht so reden, er muss auch nicht Skat spielen. Das sind alles Märchen."

Anders als BVB-Kapitän Marco Reus, der wenige Tage zuvor mit Bezug auf den starken Dortmunder Kader von einer möglichen Meisterschaft gesprochen hatte, vermied Zorc eine ähnlich mutige Aussage: "Ich finde es gut, wenn unsere Spieler ambitioniert sind. Aber wir werden nun nicht so blauäugig sein, die Meisterschaft als Ziel auszurufen."

Lobend verwies er jedoch auf den Reus-Appell an die Mannschaft, den starken Schlussspurt in den vergangenen Saison mit acht Siegen in Serie als Maßstab zu sehen: "Wir wussten, wir müssen jedes Spiel gewinnen, um noch in die Champions League einzuziehen - und die Mannschaft hat diesem Druck standgehalten. Wir haben unter schwierigsten Bedingungen erfolgreich Fußball gespielt. Das wünsche ich mir über einen längeren Zeitraum."

Doch bei aller Arbeit am Ende einer erfolgreichen Karriere mit einem Champions-League-Sieg und dem Gewinn von Meisterschaften und DFB-Pokalen gibt es einen Vorsatz: "Natürlich versuche ich - in den wenigen ruhigen Phasen, die es gibt - das Ganze bewusst mitzunehmen und einfach zu genießen."/bue/DP/jha