Die Schweizer Börse SIX bietet eigenen Angaben vom Montag zufolge 2,8 Milliarden Euro für die Börse Madrid (BME). Gleichzeitig buhlt auch die Börse Euronext um die BME, einen der letzten unabhängigen Handelsplätze auf dem Kontinent. Die europäische Mehrländerbörse verhandelt eigenen Angaben zufolge mit dem BME-Verwaltungsrat über ein Übernahmeangebot.

Kämen die Schweizer mit dem größten Deal in der Firmengeschichte zum Zug, würden sie die Deutsche Börse als Nummer drei in Europa verdrängen. "Das ist der richtige Deal zur richtigen Zeit", sagte SIX-Chef Jos Dijsselhof. Die SIX werde zwar auch Kostensenkungen ins Auge fassen, es gehe aber vor allem um Umsatzwachstum. Dienstleistungen der SIX sollen in Zukunft auch BME-Kunden angeboten werden und umgekehrt. Zudem könnten die beiden Börsen eine wichtige Rolle in der Konsolidierung der Branche spielen. Weitere Zukaufsmöglichkeiten sieht er insbesondere im Finanzdatengeschäft. Europäischer Marktführer ist die Londoner LSE, die selbst gerade mit der Übernahme des Datenanbieters Refinitiv beschäftigt ist, vor Euronext. Seit Jahren schließen sich in Europa und auch weltweit die ehemals nationalen Börsen zusammen, um Skalenvorteile zu heben.

Die Spanier äußerten sich zwar wohlwollend zur Offerte aus Zürich, bekannten sich aber noch nicht zu einer der beiden Seiten. "BME stand zwar mit uns im Dialog und ist zufrieden mit unseren Zusagen, aber sie brauchen Zeit, um das Angebot vollständig auszuwerten", sagte Dijsselhof.

Die Aktien der Börse Madrid kletterten um fast 40 Prozent auf ein Vier-Jahres-Hoch von 35,50 Euro. Der größte Kurssprung der Firmengeschichte hob die Anteile über das Angebot der Schweizer von 34 Euro je Stück. Dies deutet Händler zufolge darauf hin, dass die Anleger ein höheres Angebot erwarten - entweder von SIX oder Euronext - oder von einem weiteren möglichen Bieter. "Wir glauben, dass wir ein extrem starkes Angebot haben", sagte Dijsselhof. Eine Frage zu einer möglichen Erhöhung des Angebots bezeichnete er als "verfrüht". Die SIX will die Transaktion im ersten Halbjahr 2020 über die Bühne bringen.

HOHER PREIS FÜR SCHRUMPFENDES GESCHÄFT

"Die Bedingungen des Angebots sind schwierig abzuweisen", erklärte die spanische Bank BBVA. Auch Citibank-Analyst Andrew Coombs bezeichnete den angebotenen Preis als überzeugend. Die Bewertung liege über derjenigen von breiter aufgestellten Handelsplätzen wie der Deutschen Börse oder Euronext. Bolsas y Mercados Espanoles, wie die Gesellschaft mit vollem Namen heißt, betreibt alle Börsen und Finanzmärkte in Spanien. BME kämpft seit einigen Jahren mit rückläufigen Umsätzen und Gewinnen: 2018 stand bei 304 Millionen Euro Umsatz unter dem Strich ein Nettoergebnis von 136 Millionen Euro.

Die SIX erzielte vergangenes Jahr mit den weitergeführten Geschäften einen Umsatz von 1,2 Milliarden Franken (1,1 Milliarden Euro), wobei der Wertschriftenhandel mit 509 Millionen Franken den größten Beitrag leistete. Der Börsenbetreiber gehört rund 120 Banken. Die ersten Reaktionen der Eigner seien positiv, sagte Dijsselhof. Gelingt der Deal, würde die SIX nach Jahren mit Bereichsverkäufen wieder den Vorwärtsgang einlegen. Zudem erhielten die Schweizer direkten Zugang zum EU-Markt. Als Druckmittel in einem breiteren politischen Konflikt hatte die EU den Börsen der Alpenrepublik im Sommer die Anerkennung verweigert. Damit habe die Transaktion aber nichts zu tun, sagte Dijsselhof.

Finanzieren will die SIX den Deal zum Teil aus Barreserven. Zudem soll der Kapitalmarkt angezapft werden. Der Schweizer Börsenbetreiber ist bereit, die Börsennotierung der BME selbst bestehen zu lassen. Sollten die gesetzlich vorgeschriebenen Squeeze-out-Schwellen erreicht werden, könne das Unternehmen auch von der Börse genommen werden.

Euronext hat in den vergangenen Jahren mit einer ganzen Reihe von Transaktionen Gewicht gewonnen und betreibt nun Börsen in Norwegen, den Niederlanden, Belgien, Portugal, Frankreich und Irland. Großfusionen in der Branche wie etwa zwischen der Deutschen Börse und der LSE sind aber an den Wettbewerbsbehörden und politischer Opposition gescheitert. Auch die Übernahme von BSE bedarf der Zustimmung der spanischen Finanzmarktaufsicht, der Kartellbehörden und der Politik.