(neu: Aussagen aus Pk, Aktienkurs aktualisiert, weitere Analystenstimme, mehr Branchenhintergrund.)

WOLFSBURG (dpa-AFX) - Branchenprimus Volkswagen und weite Teile der Autoindustrie haben die schlimmsten Folgen des Corona-Einbruchs aus dem Frühjahr weggesteckt. Ob der Aufholprozess nach dem wieder deutlich besseren dritten Quartal anhält, ist jedoch längst nicht ausgemacht. Sollten die Neuinfektionen weiter steigen und die schärferen Kontaktbeschränkungen in Deutschland sowie Einschränkungen in anderen Ländern die Nachfrage abwürgen, wäre der wichtige Wirtschaftszweig wohl rasch zurück im Absatztief. Die Unsicherheit bleibt hoch, Unternehmen sind vorsichtig mit Prognosen. Vor allem China treibt die Erholung an.

Der VW-Konzern als weltgrößter Hersteller meldete am Donnerstag für Juli bis September eine spürbare Besserung. Der auf die Aktionäre entfallende Nettogewinn pendelte sich bei 2,6 Milliarden Euro ein, während es im zweiten Jahresviertel einen Verlust von 1,6 Milliarden Euro gegeben hatte. Beim Umsatz, bei den Auslieferungen und im laufenden Geschäft entspannte sich die Lage ebenso. Mit Blick auf die Vorjahreswerte macht sich die Pandemie aber weiter bemerkbar.

Die am Vortag sehr schwache VW-Aktie legte am Donnerstagnachmittag 2,6 Prozent auf 128,76 Euro zu. Die im Dax notierte Vorzugsaktie büßte seit Jahresanfang mehr als ein Viertel ein und ist damit der schwächste Wert unter den deutschen Autobauern. Im Corona-Tief war der Kurs bei unter 80 Euro sogar deutlich unter das Dieselkrisentief aus dem Herbst 2015 gerutscht, hat sich danach aber wieder deutlich berappelt.

Das operative Ergebnis lag im dritten Quartal bei 3,18 Milliarden Euro und damit rund ein Drittel unter dem bereinigten Wert aus dem Vorjahr. Damit traf Volkswagen im Wesentlichen die Schätzungen von Analysten, beim Umsatz lagen die Wolfsburger sogar etwas besser. Die Quartalszahlen des Autobauers hätten die zuletzt gestiegenen Erwartungen leicht übertroffen, schrieb Jefferies-Analyst Philippe Houchois. Im Vergleich mit der Sektorerholung falle die Entwicklung aber gedämpft aus.

Vor allem im April hatten infolge des ersten Corona-Shutdowns die Bänder wochenlang stillgestanden. Auch Autohäuser waren vielerorts geschlossen, Lieferketten gekappt. VW konnte den zwischenzeitlichen Rückstau in den Lagern mittlerweile abarbeiten und auch dank der Kaufprämien für Hybrid- sowie E-Autos wieder mehr Fahrzeuge absetzen.

Der Umsatz lag im dritten Jahresviertel mit 59 Milliarden Euro zwar um 3,4 Prozent unter Vorjahresniveau - das ist aber eine Verbesserung zum Vorquartal, als ein Absturz um 37 Prozent im Vergleich zu 2019 den Büchern gestanden hatte. Die Auslieferungen lagen zuletzt konzernweit um 1,1 Prozent im Minus, ebenfalls eine Stabilisierung nach dem Abrutschen um fast ein Drittel im zweiten Quartal.

Man sehe nun eine "spürbare Erholung", hieß es. Jedoch ist die Gesamtentwicklung 2020 unverändert kritisch. "Das Geschäft des Volkswagen-Konzerns bleibt nach neun Monaten stark von der Covid-19-Pandemie beeinträchtigt", so Finanzvorstand Frank Witter. Immerhin gebe es eine "deutliche Erholungstendenz". Im September hatten die Auto-Neuzulassungen in mehreren europäischen Staaten wieder etwas zugelegt, nicht nur von den geförderten Modellen mit alternativen Antrieben kamen mehr Exemplare auf die Straße.

Der Automarkt-Experte der NordLB, Frank Schwope, zeigte sich optimistisch: "Volkswagen überzeugt nach dem katastrophalen zweiten mit einem starken dritten Quartal und konnte die Markterwartungen klar übertreffen." Aber er warnte vor frühzeitiger Entwarnung: "Auch wenn sich die Kennzahlen massiv verbesserten, hat die Autoindustrie Sorge vor einem zweiten Corona-Lockdown. Unseres Erachtens dürfte der Corona-Spuk mindestens bis kommenden Sommer für Unsicherheit sorgen."

Bei den einzelnen Konzernmarken zeigen sich große Unterschiede. Die VW-Pkw fuhren im dritten Quartal einen operativen Gewinn ein, nach dem Milliardenverlust im zweiten Jahresviertel erzielte das Herzstück der Wolfsburger Autogruppe ein Ergebnis von 522 Millionen Euro. Auf den gesamten Jahresverlauf gerechnet, steckt der Betriebsgewinn jedoch noch mit knapp einer Milliarde Euro in den roten Zahlen fest.

Audi erwirtschaftete zwischen Juli und September einen operativen Ertrag von 864 Millionen Euro, das Ergebnis seit Jahresbeginn ist mit 221 Millionen Euro klar schwächer. Bei Porsche ist es mit 741 Millionen beziehungsweise 1,9 Milliarden Euro umgekehrt. Angetrieben wurde das Geschäft von China, das mehr als 1,2 Milliarden Euro zum Gewinn des VW-Konzerns im dritten Quartal beisteuerte.

Witter betonte, die gesamte Gesellschaft sei gefragt, um das Risiko eines neuerlichen Totalstillstands zu verringern: Die Beschlüsse zu verschärfter Kontaktreduzierung seien ein "ganz klares Signal, dass es auf uns alle ankommt, die Situation in den Griff zu kriegen". Auch in der VW-Belegschaft gibt es neue Ansteckungen, der Konzern setzt ein Corona-Hygienekonzept ein. Bei Auslieferungen und Umsatz erwartet VW für 2020 ein Abschneiden "deutlich unter" Vorjahr. Das operative Ergebnis soll "gravierend rückläufig, aber insgesamt positiv" sein.

Autounternehmen versuchen, sich etwa durch Kurzarbeit und zusätzliche Finanzierung abzusichern. Das Personal bekommt die Konsequenzen der Krise aber zu spüren. Bei der VW-Kernmarke herrscht offiziell ein Einstellungsstopp, bei der Lkw-Tochter MAN läuft ein umstrittener Sparkurs mit Tausenden Jobstreichungen. Insgesamt nahm die Zahl der Beschäftigten im größten europäischen Industriekonzern zum Ende des dritten Quartals leicht um ein Prozent auf 664 200 ab.

Die Investitionen ins laufende Geschäft sanken zuletzt um fast zehn Prozent. Mitte November will der Vorstand die Pläne für die kommenden fünf Jahre nennen. Für die "großen Zukunftsthemen Elektrifizierung und Digitalisierung" würden die Ausgaben "auf hohem Niveau gehalten".

Bei anderen Anbietern hatte sich ebenfalls eine Erholung über den Sommer abgezeichnet. Daimler fuhr zwischen Juli und September gar mehr Gewinn ein als vor einem Jahr, auch weil die Geschäfte in China wieder unter Volldampf liefen. Bei BMW hellte sich nach ersten Erkenntnissen die Kassenlage mit deutlichen Mittelzuflüssen auf - im ersten Halbjahr hatte es dort noch desolat ausgesehen.

Beim Zulieferer Continental verzog sich die düstere Gemengelage im Tagesgeschäft. Dass Conti beim Umsatz und operativen Ergebnis fast zu alten Werten zurückfand, spiegelte sich allerdings nicht unter dem Strich wider: Die Hannoveraner verbuchten erneut hohe Abschreibungen und müssen weiterhin viel Geld in den teuren Personalabbau stecken./jap/men