- von Jörn Poltz

Der 50 Jahre alte Maschinenbauingenieur wird im April kommenden Jahres neuer Chef der Volkswagen-Tochter, die mit dem Dieselskandal aus der Spur geriet. Angesichts der Herausforderungen durch Elektroantriebe und autonomes Fahren muss Duesmann den Audi-Slogan "Vorsprung durch Technik" mit neuem Leben füllen, lautet der Auftrag von Volkswagen-Chef Herbert Diess nach Aufsichtsratsitzungen beider Unternehmen am Freitag in Wolfsburg. Audi-Chef Bram Schot verlässt den Konzern Ende März.

Zwar war die Entscheidung für Duesmann erwartet worden. Denn Diess, der wie Duesmann von BMW kam, hatte seinen früheren Kollegen dort bereits im vergangenen Jahr abgeworben. Doch weil BMW den Einkaufsvorstand zunächst nicht vorzeitig aus seinem Vertrag entlassen wollte, beförderte Audi im vergangenen Jahr seinen Vertriebsvorstand Bram Schot zum Vorstandschef. Zuvor hatte sich Audi von seinem langjährigen Chef Rupert Stadler getrennt. Erst im Spätsommer des laufenden Jahres billigte der BMW-Aufsichtsrat Insidern zufolge Duesmanns Wechsel zur Konkurrenz.

Wegen des Dieselskandals, bei dem Audi eine zentrale Rolle spielte, saß Stadler vorübergehend in Untersuchungshaft und wurde mittlerweile angeklagt. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, den Verkauf von Autos mit manipulierten Abgaswerten nicht gestoppt zu haben. Stadler hat die Anschuldigungen zurückgewiesen. Ein Prozess gegen ihn und ehemals führende Audi-Motorenentwickler wird im kommenden Jahr erwartet. Infolge des Skandals verließen mehrere Vorstände den Oberklassehersteller, der seitdem nach Orientierung sucht.

Auf der Automesse IAA im September in Frankfurt prangte wie seit vielen Jahren der Slogan "Vorsprung durch Technik" über dem Messestand. Dafür standen früher der Allradantrieb des Audi quattro und die ausgefeilten Dieselmotoren, mit denen das Unternehmen aus Ingolstadt und Neckarsulm der Stolz des Volkswagen-Konzerns war.

Doch was nach dem Dieselskandal diesen Vorsprung ausmachen soll, darauf fanden die führenden Audi-Manager auf der Messe keine eindeutige Antwort. "Wir haben eine führende Rolle bei Software", sagte etwa Firmenchef Schot zu Reuters. "Wir arbeiten daran. Wir sind uns einig, dass man neu definieren muss", lautete hingegen die Antwort von Vertriebschefin Hildegard Wortmann, die ebenfalls von BMW zu Audi stieß. Entwicklungsvorstand Hans-Joachim Rothenpieler hingegen verwies auf den Elektrowagen E-Tron. "Wir brauchen keine Vorsprungs-Geschichtchen, wir brauchen Vorsprungs-Geschichten. Und ich glaube, der E-Tron ist eine."

"Markus Duesmann wird als exzellenter Ingenieur alles daransetzen, die großen Potenziale der Marke Audi zu heben und damit das Versprechen 'Vorsprung durch Technik' erneut verstärkt unter Beweis zu stellen", schrieb Diess seinem Weggefährten ins Stammbuch. Ins selbe Horn stieß Hans Michel Piëch als Repräsentant der Eignerfamilien. "Von ihm erwarten wir vor allem ein Neuaufladen des Markenversprechens 'Vorsprung durch Technik'", erklärte der Bruder des verstorbenen VW-Patriarchen und früheren Audi-Ingenieurs Ferdinand Piëch.

Duesmann wird parallel Mitglied des Volkswagen-Konzernvorstands und verantwortet dort das Entwicklungsressort der weltweit größten Automobilherstellers. Der gebürtige Münsterländer arbeitete nach seinem Studium mehrere Jahre bei Daimler, unter anderem in der Motorenentwicklung und im Formel-1-Team. Im Jahr 2007 wechselte er zu BMW. Dort wurde er nach Leitungsaufgaben in den Bereichen Formel-1-Antrieb, Fahrdynamik und Antrieb im Oktober 2016 zum Einkaufsvorstand befördert wurde.

Schot tat sich als Kostensenker hervor und trimmte Audi auf Effizienz. Der Niederländer habe den Vorstandsvorsitz in schwieriger Zeit übernommen und die Grundlagen für die notwendige Transformation geschaffen, erklärte Wolfgang Porsche, der wie Hans Michel Piëch einen der beiden Familienzweige anführt. Porsche sagte, die Familie setze darauf, dass Schot in den nächsten Wochen die Verhandlungen mit dem Betriebsrat über mehr Effizienz und eine verlängerte Beschäftigungsgarantie erfolgreich abschließe.