Frankfurt/Hamburg (Reuters) - Die IG Metall will angesichts der hohen Inflation einen kräftigen Lohnaufschlag für die 3,9 Millionen Beschäftigten der Metall- und Elektroindustrie durchsetzen.

Der Gewerkschaftsvorstand empfahl den Tarifbezirken am Montag, in den voraussichtlich im September beginnenden Verhandlungen mit den Arbeitgebern Entgelterhöhungen zwischen sieben und acht Prozent bei zwölf Monaten Laufzeit zu fordern. "Den Unternehmen geht es gut", sagte Gewerkschaftschef Jörg Hofmann. Nicht gut gehe es aber den Beschäftigten beim Blick auf Supermarkt- und Energierechnungen. Das gelte für die Jahre 2022 und 2023, die der jetzt zu findende Tarifabschluss berücksichtigen müsse.

Nach den Tarifabschlüssen der vergangenen beiden, von der Corona-Krise geprägten Jahre sei ein Nachsteuern notwendig, sagte Hofmann. Die Ertragslage der Industrie habe sich deutlich besser entwickelt als vor einem Jahr vorhersehbar. Trotz aller Schwankungen im wirtschaftlichen Umfeld gehe die Gewerkschaft davon aus, dass sich Erträge, Auftragslage und damit auch Beschäftigung weiter positiv entwickelten. Die geforderte Lohnerhöhung sei ein Beitrag zur Stabilisierung des Konsums. Dieser müsse ergänzt werden durch weitere Entlastungen der Verbraucher für steigende Energie- und Lebensmittelpreise durch den Staat im kommenden Jahr.

Mit der Forderung setze die Gewerkschaft keineswegs eine Lohn-Preis-Spirale in Gang, betonte der Gewerkschaftschef. Viel mehr sei sie ein Signal, "dass wir über die Tarifpolitik nicht den kompletten Inflationsdruck, der auf den Haushalten lastet, ausgleichen können." Erfolgsentscheidend für die IG Metall sei es, dass es eine dauerhafte prozentuale Erhöhung der Tarifentgelte gebe. Einmalzahlungen wie der Energiebonus in der Stahlindustrie könnten als Element hinzukommen. Die Forderung will der IG-Metall-Vorstand nach Diskussionen in den Bezirken mit einer konkreten Zahl am 11. Juli beschließen.

Die Metallarbeitgeber bezeichneten die Forderungsempfehlung in einer ersten Reaktion als nicht angemessen. "Die Lage in der Metall- und Elektro-Industrie schön zu reden, ist verantwortungslos", erklärte Gesamtmetall-Präsident Stefan Wolf. Nach einer aktuellen Umfrage des Verbandes wachsen in der Branche Existenzsorgen wegen steigender Kosten, die nicht vollständig über die Preise abgewälzt werden könnten. Drei Viertel der Unternehmen rechneten deshalb mit sinkenden Erträgen, ein Fünftel sähen ihre wirtschaftliche Existenz gefährdet.

Wegen der Unsicherheit durch den Ukraine-Krieg und der Corona-Lockdowns in China will sich die Gewerkschaft vor Beginn der Tarifverhandlungen noch einmal beraten, um bei unerwarteten Entwicklungen - etwa einem Stopp der Gaslieferungen aus Russland - ihre Forderung gegebenenfalls nachzujustieren.

Der im vergangenen Jahr mit den Arbeitgebern in Nordrhein-Westfalen ausgehandelte Abschluss sah eine Corona-Prämie von 500 Euro und ein jährliches "Transformationsgeld" vor. Dieses sollte im Februar 2022 in Höhe von 18,4 Prozent eines Monatsentgelts gezahlt werden. Es steigt ab 2023 auf 27,6 Prozent und kann auch für Arbeitszeitverkürzungen genutzt werden. Der Tarifvertrag läuft Ende September aus. Die Friedenspflicht endet am 28. Oktober.

(Bericht von Jan C. Schwartz und Ilona Wissenbach. Redigiert von Olaf Brenner. Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)