Hamburg (Reuters) - Die IG Metall will in der anstehenden Tarifrunde für die 3,8 Millionen Beschäftigten der Metall- und Elektroindustrie zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: In den Mitte Dezember beginnenden Gesprächen mit den Arbeitgebern will die Gewerkschaft Lohnerhöhungen durchsetzen, um die Kaufkraft in der Krise zu stärken.

Gleichzeitig soll in den Unternehmen Spielraum für Arbeitszeitverkürzungen geschaffen werden, um Jobs zu sichern - etwa in Form einer Vier-Tage-Woche. Dazu beschloss der Gewerkschaftsvorstand am Donnerstag in Frankfurt ein zuvor in den Bezirken diskutiertes Forderungsvolumen von vier Prozent bei einer Laufzeit von zwölf Monaten. In einzelnen Unternehmen soll je nach Lage ausgehandelt werden, wie das Volumen auf höhere Entgelte oder einen Teillohnausgleich bei kürzeren Arbeitszeiten verteilt wird.

"Mit Zukunftstarifverträgen sollen passgenaue betriebliche Lösungen gefunden werden, die Zusagen für Investitionen, Standorte, Beschäftigung und Qualifizierung enthalten", erläuterte IG-Metall-Chef Jörg Hofmann. Die Lohnforderung begründet die Gewerkschaft damit, dass der private Konsum in der Pandemie als Wachstumsmotor ausgefallen sei. Die Sicherung der Einkommen sei daher wichtig, um die Binnennachfrage zu stärken.

Die Metallarbeitgeber hielten dem entgegen, dass es wegen der Corona-Krise keinen Spielraum für Einkommenserhöhungen gebe. Bei der Suche nach Wegen aus der Krise beweise die IG Metall leider nicht so viel Kreativität wie bei der Sichtung eines Verteilungsspielraumes, erklärte Gesamtmetall. 2018 habe die Gewerkschaft die Arbeitszeit verkürzen wollen, weil es zu viel zu tun gab. "Gibt es zu wenig zu tun, fällt ihr wieder nur die gleiche Lösung ein", kritisierte der Verband und vertröstete auf bessere Zeiten. "Wir haben die Beschäftigten immer fair beteiligt, wenn wir Wachstum erwirtschaftet haben." Das werde auch in Zukunft geschehen. In dieser Tarifrunde gehe es darum, wie Arbeitsplätze sicherer gemacht werden könnten. Dies wolle man gemeinsam mit der Gewerkschaft angehen.

Der IG-Metall-Vorstand beschloss zudem die Forderungen für die Tarifrunde bei Volkswagen. Dort sollen die Entgelte und Ausbildungsvergütungen ebenfalls um vier Prozent mit einer Laufzeit von zwölf Monaten steigen. Die tarifliche Zusatzvergütung sollen künftig alle IG-Metall-Mitglieder in freie Tage umwandeln können. Bisher gilt das nur für bestimmte Beschäftigungsgruppen. Für die rund 120.000 Beschäftigten in den sechs westdeutschen VW-Werken und bei Financial Services gilt ein Haustarifvertrag.

In den Verhandlungen in den ostdeutschen Tarifbezirken will die IG Metall mit den Arbeitgebern über ein "tarifliches Angleichungsgeld" sprechen. Das soll dazu dienen, Arbeitszeit und Einkommen der Belegschaften dort an die ihrer Kollegen im Westen anzunähern.

Die Tarifrunde fällt in eine Zeit, da die Geschäfte vieler Unternehmen wegen der Corona-Krise eingebrochen sind und sie sich gleichzeitig auf die Digitalisierung und den strengeren Klimaschutz umstellen müssen. Diese Transformation gefährdet nach Schätzungen der Gewerkschaft bis zu 250.000 Arbeitsplätze, viele davon in der Automobilindustrie, wo die IG Metall besonders viele Mitglieder hat. Eine Arbeitszeitverkürzung mit teilweisem Lohnausgleich betrachtet sie als Instrument, um in den Unternehmen so viele Beschäftigte wie möglich an Bord zu halten.