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WIESBADEN/FRANKFURT (dpa-AFX) - Hessens größte Stadt Frankfurt steuert im nächsten Jahr auf ein Dieselfahrverbot zu. Mit mehr Rad- und Busspuren, einer engeren Taktung des öffentlichen Nahverkehrs sowie einer größeren Zahl von emissionsarmen Bussen habe die Stadt zwar Maßnahmen für eine sauberere Luft in der Mainmetropole eingeleitet, sagte Umweltministerin Priska Hinz (Grüne) am Montag bei der Präsentation des Entwurfs für den Luftreinhalteplan von Frankfurt. Gutachten zur Verkehrs- und Immissionsentwicklung an sehr viel befahrenen Strecken verdeutlichten jedoch, dass an einigen Straßen nur mit Fahrverboten für ältere Dieselfahrzeuge gegengesteuert werden könne. Hessens Unternehmer und Handwerker äußerten nach der Ankündigung Sorge und Kritik.

Der hessische Verwaltungsgerichtshof (VGH) hatte in seinem Urteil von Ende 2019 die Stadt zur Prüfung von Fahrverbotszonen für Dieselfahrzeuge verpflichtet, damit der Stickoxid-Grenzwert von 40 Mikrogramm je Kubikmeter Luft eingehalten wird. Ausgangspunkt war eine Klage der Deutschen Umwelthilfe gegen das Land Hessen wegen zu hoher Luftverschmutzung durch Diesel-Abgase. Hessenweit die einzige Stadt mit Fahrverboten ist bisher Darmstadt, hier wurden alte Diesel und Benziner von zwei großen Straßen verbannt.

Alle Maßnahmen der Stadt Frankfurt würden in dem Luftreinhalteplan berücksichtigt, sagte Hinz bei der Präsentation in Wiesbaden zu. Dadurch reduziere sich die Stickoxid-Belastung deutlich. Es zeige sich aber durch die weitere Überschreitung der Grenzwerte an manchen Strecken, "dass wir auch mit Fahrverboten arbeiten müssen". Daneben soll es auch in einigen Straßenzügen in Hessens größter Stadt Tempo 40 geben. Viele Autofahrer schalteten bei dieser reduzierten Geschwindigkeit in den dritten Gang. Der Schadstoffausstoß sei dadurch geringer als beim Fahren im zweiten Gang bei Tempo 30.

An 119 Straßen in Frankfurt sei im vergangenen Jahr der Stickoxid-Grenzwert von 40 Mikrogramm je Kubikmeter Luft überschritten worden, berichtete die Umweltministerin. Mit den Maßnahmen der Stadt würde nach einer Prognose für das Jahr 2021 der Grenzwert immer noch an 62 Straßen überschritten werden. Kommen noch die Fahrverbote für einzelne Strecken hinzu, verringere sich die Zahl der Straßen nach der Prognose auf insgesamt 25 im nächsten Jahr.

Wenn die Messwerte an den betroffenen Strecken nächstes Frühjahr über dem Grenzwert liegen, müssen die Fahrverbote nach Angaben der Umweltministerin umgesetzt werden. Die Corona-Pandemie habe den Verkehr zwar verringert. Viele Menschen seien auf das Fahrrad umgestiegen, auch das mobile Arbeiten von zuhause aus trage zur Luftverbesserung bei. Das laufende Jahr 2020 sei dadurch jedoch eher untypisch für das tatsächliche Verkehrsaufkommen in der Mainmetropole erklärte Hinz mit Blick auf den Berechnungszeitraum.

Der Frankfurter Verkehrsdezernent Klaus Oesterling (SPD) sagte, dass mit den bisherigen Maßnahmen die Zahl der Straßenabschnitte mit Grenzwertüberschreitungen deutlich gesenkt werden konnte. "Wir werden weiter daran arbeiten, dass diese Zahl gesenkt wird, um Fahrverbote zu vermeiden." Dazu müsse der Anteil der Autos am gesamten Verkehr gesenkt sowie die Attraktivität des öffentlichen Nahverkehrs und des Radverkehrs weiter verbessert werden.

Der Verkehrsdezernent wies den Vorwurf zurück, die Stadt habe zu spät gehandelt und zu wenig getan, um Fahrverbote zur verhindern. Frankfurt habe zeitnah nach den Gerichtsentscheidungen gehandelt. Der Blick müsse vielmehr Richtung Autoindustrie gerichtet werden, erklärte Oesterling. Diese hätte viel früher einen Strategiewechsel einläuten müssen.

Ab dem 1. Juli nächsten Jahres kann das Fahrverbot nach Angaben der Umweltministerin frühestens umgesetzt werden. Der Berechnungszeitraum für die Messwerte soll von April bis Ende März gehen. Erst danach werde final feststehen, ob das Fahrverbot kommt und wie großflächig es sein wird. Nach drei Monaten sollen die Werte nochmals evaluiert werden. "Wir wollen die Fahrverbote nicht der Verbote willen, sondern nur dann, wenn die Luftbelastung entsprechend hoch ist", betonte die Grünen-Politikerin.

Sollte es zu den Fahrverboten kommen, werde es Ausnahmen für Handwerker und Gewerbetreibende sowie die Anwohner geben, erklärte die Umweltministerin. Das Fahrverbot gilt für Diesel-Fahrzeuge unterhalb der Norm Euro 6 sowie für Benziner einschließlich Euro 2. Der Planentwurf wird von Dienstag an öffentlich ausgelegt. Bis einschließlich 11. November können Einwendungen und Anregungen von Bürgern dazu gemacht werden. Bis Ende des Jahres soll der Luftreinhalteplan stehen.

Hessens Unternehmen und Handwerker reagierten mit Sorge und deutlicher Kritik auf das drohende Fahrverbot in der Mainmetropole. Die Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände lehnte die Maßnahme als unverhältnismäßig ab und forderte Korrekturen des Plans. Nicht der Anteil des Autoverkehrs müsse reduziert, sondern ÖPNV-Angebote und die intermodale Vernetzung der Verkehrsmittel ausgebaut werden.

Auch die Handwerkskammer Frankfurt-Rhein-Main und die IHK Frankfurt forderten von den Verantwortlichen der Stadt, mehr Alternativen zu schaffen, um Fahrverbote abzuwenden. Dazu zählten eine sinnvolle grüne Welle für den Verkehr, genügend Park+Ride-Stellplätze für Pendler sowie moderne Busse im ÖPNV. Wichtig sei auch, dass die ansässigen Unternehmen bei einem Fahrverbot ausreichend Zeit bekommen, um ihre Fahrzeuge nachzurüsten./glb/DP/zb