BERLIN (dpa-AFX) - IG Metall, Grüne und SPD machen sich für einen staatlichen Beteiligungsfonds stark, der Mittelständlern in der Autoindustrie zu Hilfe kommen soll. Vor einem weiteren Spitzentreffen zur Lage der Branche am Dienstag bei Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hält der Verband der Automobilindustrie (VDA) die Corona-Krise noch längst nicht für ausgestanden. Die FDP lehnte Subventionen ab, der Umweltverband BUND ist strikt gegen Kaufbeihilfen für Autos mit Verbrennungsmotoren.

Der IG Metall-Vorsitzende Jörg Hofmann plädierte für einen staatlichen "Mittelstands- und Transformationsfonds", der sich an Unternehmen in Not beteiligt. "Wenn der Staat einen Teil des Risikos übernimmt, könnte das kleinen und mittleren Unternehmen die Kraft zu Investitionen und Innovationen verschaffen", sagte Hofmann der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" (FAS).

"Die Lage vieler Unternehmen ist weiterhin angespannt", sagte VDA-Präsidentin Hildegard Müller der Deutschen Presse-Agentur. "Deswegen ist der Austausch zwischen Unternehmen, Gewerkschaften und Politik so wichtig." Konkrete Beschlüsse aber seien beim Treffen mit Merkel nicht zu erwarten. Es gehe darum, wie Deutschland beim vernetzten und automatisierten Fahren seine weltweit starke Position weiter ausbauen könne. In die Digitalisierung investiere die deutsche Automobilindustrie bis zum Jahr 2024 rund 25 Milliarden Euro.

Die Nachfrage nach Autos war in der Corona-Krise eingebrochen. Die Industrie hatte im Juni in der Debatte um ein Konjunkturpaket staatliche Kaufprämien auch für moderne Benziner und Dieselautos gefordert, um die Nachfrage anzukurbeln. Dies aber war am Widerstand vor allem der SPD gescheitert. Die Koalition beschloss höhere staatliche Prämien beim Kauf von Elektroautos. Zudem sollte die Senkung der Mehrwertsteuer die Nachfrage ankurbeln.

Die SPD reagierte positiv auf den IG-Metall-Vorschlag. Fraktionsvize Sören Bartol sagte: "Einen staatlich aufgesetzten Fonds für den Mittelstand, wie ihn die IG Metall fordert, unterstütze ich." Die Zukunft gehöre den E-Autos, "Verbrenner werden aber die kommenden Jahre noch eine wichtige Rolle spielen". SPD-Chef Norbert Walter-Borjans ergänzte im Nachrichtenportal "t-online": "Die Autobranche ist das Rückgrat unserer Industrie. Von ihrer Kraft zur Erneuerung hängen Millionen von Arbeitsplätzen in Deutschland ab."

In einem Beschluss der SPD-Fraktion vom Freitag heißt es, für kleine und mittelständische Unternehmen griffen aktuell die Überbrückungshilfen und die Finanzierungsunterstützungen aus dem Konjunktur- und Zukunftspaket. "Hierzu können aber auch weitere Instrumente gehören, wie zum Beispiel die Einrichtung von Beteiligungsfonds, die sich an regionalen Transformationsstrategien orientieren."

Grünen-Chefin Annalena Baerbock führte in der "FAS" aus: "Wir müssen Mittelständlern und Zulieferern Zeit verschaffen." Angesichts von mehr als 800 000 Beschäftigten in der Automobilindustrie könne "keine Politikerin sagen: Die sind mir egal, sollen sie doch schauen, wie sie über die Runden kommen".

Der Chef des Kölner Autobauers Ford, Gunnar Herrmann, sprach sich erneut für eine Kaufprämie für Autos mit sparsamen Verbrennermotoren aus. "Die Planung der Fahrzeugproduktion wird derzeit massiv erschwert durch die einseitige Förderung allein von Elektromobilität, der die Kunden aufgrund der mangelhaften Ladeinfrastruktur noch skeptisch gegenüberstehen", sagte Herrmann dem "Kölner Stadt-Anzeiger" (Samstag). Nachdem die Bundesregierung so entschieden habe, sehe er aber "derzeit keine Realisierbarkeit einer generellen Kaufprämie".

"Subventionen und einseitige Festlegung auf batteriegetriebene E-Mobilität sind nicht die Lösung", meinte der FDP-Verkehrsexperte Oliver Luksic. "Vielmehr braucht die Autoindustrie Entlastung bei Steuern und Bürokratie und bessere Rahmenbedingungen für Zukunftsinvestitionen."

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) argumentierte, eine Kaufprämie für Verbrenner zum Abverkauf der Lagerbestände nütze nur den ohnehin finanziell gut dastehenden Autokonzernen. "Die Zulieferer gehen leer aus, weil die Autos ja bereits produziert sind", sagte BUND-Verkehrsexperte Jens Hilgenberg der dpa. Wer der Zulieferindustrie helfen wolle, müsse diese darin unterstützen, ihre Abhängigkeit von der Autoindustrie im Allgemeinen und vom Verbrennungsmotor im Speziellen mit neuen Produkten zu durchbrechen.

Zuletzt sind in Deutschland mehr neue E-Autos zugelassen worden. Die Neuzulassungszahl rein elektrischer Pkw lag in den ersten acht Monaten 2020 bei rund 77 000. Im Juli und im August waren es jeweils mehr als 16 000. Im August entsprach das einem Anteil von 6,4 Prozent an allen neu zugelassenen Autos.

Beim Bau von E-Autos müssen sich die deutschen Hersteller nach Ansicht von IG-Metall-Chef Hofmann nicht vor dem US-Hersteller Tesla verstecken. "Tesla muss uns nicht zeigen, wie Elektroautos gehen", sagte Hofmann der "FAS". "Während Tesla hochsubventioniert seine Fabrik in Brandenburg gerade erst baut, wird 200 Kilometer südlich im Zwickauer VW-Werk bereits E-Mobilität produziert, in deutlich höheren Stückzahlen." Die deutsche Autoindustrie sei in der Lage, nächstes Jahr 1,5 Millionen Elektrofahrzeuge zu produzieren.

VW-Gesamtbetriebsratschefs Bernd Osterloh sieht gute Chancen, dass VW Tesla bei den Stückzahlen überholen kann. "Wenn Tesla drei Fabriken aufbaut, in denen man zwischen 300 000 und 500 000 Autos bauen kann, dann reden wir von einer Stückzahl zwischen 900 000 und 1,5 Millionen", sagte er der "Welt am Sonntag". "Das wollen wir 2023 auch erreichen, wahrscheinlich schon früher."/hoe/DP/fba