Von Stephen Wilmot

FRANKFURT (Dow Jones)--Elon Musk hat die Finanzkommunikation der Automobilindustrie verändert. Zurückhaltende Prognosen, die am Ende übertroffen werden, sind nicht mehr angesagt. Stattdessen dreht sich alles um hochfliegende Wachstumspläne.

Ein Autobauer, der sich nicht daran hält, ist BMW. Die deutsche Luxusmarke meldete am Dienstag starke Ergebnisse für das zweite Quartal, hob aber die Gewinnprognose für das Gesamtjahr nicht an. Das unterscheidet die Bayern vom Großteil der Konkurrenz. Das Unternehmen verwies auf die bekannten Risiken, die in der zweiten Jahreshälfte durch die Halbleiterknappheit und die Inflation bei den Rohstoffpreisen drohen. Die Aktien des Unternehmens fielen am Dienstag um gut 5 Prozent.


   Prognose hoch - Aktie hoch 

Die Aktien der Automobilholding Stellantis, die nach der Fusion von Peugeot mit Fiat Chrysler im Januar auch die Marken Jeep, RAM und eine Reihe anderer unter ihrem Dach vereint, legten hingegen um etwa 5 Prozent zu. Auch Stellantis veröffentlichte hervorragende Quartalsergebnisse, hob aber anders als BMW seine Prognosen an. Das Unternehmen rechnet nun mit einer bereinigten operativen Marge von rund 10 Prozent für das Gesamtjahr, vorausgesetzt, dass sich die Versorgung mit Chips nicht weiter verschlechtert und es in den USA und Europa, den wichtigsten Märkten des Unternehmens, zu keinen nennenswerten Produktionsausfällen kommt.

Prognosen sind das Ergebnis von Erkenntnissen aus dem operativen Geschäft und dem Erwartungsmanagement. Die Anleger konnten sich bislang an der Vergangenheit orientieren, um ein Gefühl dafür zu bekommen, in welchem Maße Veränderungen möglich sind.


   Sinneswandel bei Tavares 

Heute herrscht ein anderer Ton. Als Carlos Tavares, der Vorstandsvorsitzende von Stellantis, Peugeot leitete, legte er niedrige Prognosen an, die das Unternehmen in der Regel deutlich übertraf. Jetzt bemüht er höhere Ziele. "Neues Unternehmen, neuer CEO", lächelte er, als er vom Wall Street Journal gefragt wurde, ob sich sein Ansatz geändert habe.

Tavares scheint dem zu folgen, was sich als Best Practice herauskristallisiert hat. Alles begann mit Tesla, einem Unternehmen, das mehr versprochen als geliefert hat und damit eine Marktbewertung erreichte, die weit über der von traditionellen Autobauern liegt.

General Motors, Ford, Volkswagen und Daimler haben allesamt angefangen, große Versprechungen zu machen, insbesondere im Hinblick auf Elektrofahrzeuge. Ihre Investitionspläne wurden dementsprechend ausgeweitet, vor allem wenn es um die teure Herstellung von Batteriezellen in "Gigafabriken" geht - ein von Musk geprägter Begriff, der von der Branche schnell vereinnahmt wurde.


   Flexibilität statt Gigafabrik 

BMW ist der Sonderling. Das Unternehmen war in der Vergangenheit bei seinen Prognosen eher bescheiden und sieht offenbar keinen Grund, daran etwas zu ändern. Ebenso war BMW zurückhaltender als andere, wenn es darum ging, Geld speziell für Elektroautos auszugeben, obwohl sich das Unternehmen früher als die meisten dieser Technologie zugewandt hatte.

BMW hat keine Gigafabriken in Aussicht gestellt. Stattdessen hat das Unternehmen den Wert einer flexiblen Produktion betont. Es weist hin auf die Notwendigkeit, die kohlenstoffintensive EV-Lieferkette zu bereinigen, und sogar das Potenzial von Wasserstoff-Brennstoffzellen wird hervorgehoben.

Diese konträre Haltung hat sich für Aktionäre bislang nicht ausgezahlt: In den letzten drei Jahren hat BMW, traditionell ein Blue-Chip-Automobilwert, deutlich schlechter abgeschnitten als seine heimischen und US-amerikanischen Konkurrenten.

Die Sorge ist nicht ganz unbegründet, dass das Unternehmen, dessen Elektroautos in den nächsten Jahren den herkömmlichen Fahrzeugen sehr ähnlich sehen werden, nicht über ausreichend eigenständige Modelle verfügt, um der zunehmend fokussierten Konkurrenz auf dem neuen Wachstumsmarkt Paroli zu bieten.

An dieser Stelle muss man wohl eingestehen, dass selbst eine auf Vorsicht gegründete Strategie ihre eigenen Risiken hat.

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DJG/DJN/rer/smh

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August 04, 2021 04:20 ET (08:20 GMT)