-- Premierminister Johnson spricht von "fantastischen Nachrichten"

-- CDU-Europaabgeordneter Liese kritisiert schnelle britische Entscheidung

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LONDON (AFP)--Als erstes westeuropäisches Land ermöglicht Großbritannien Impfungen gegen das neuartige Coronavirus. Die britische Gesundheitsbehörde MHRA erteilte am Mittwoch die weltweit erste Notfallzulassung für den Corona-Impfstoff des Mainzer Pharmaunternehmens Biontech und seines US-Partners Pfizer. Der Impfstoff stehe ab der kommenden Woche zur Verfügung, teilte das Gesundheitsministerium in London mit.

Premierminister Boris Johnson sprach von "fantastischen Nachrichten". Die Impfung erlaube eine Rückkehr zur Normalität. Biontech und Pfizer erklärten, die Zulassung sei "ein bahnbrechender wissenschaftlicher Meilenstein". Es handele sich um die "weltweit erste Notfallzulassung eines in einer Phase-3-Studie getesteten Impfstoffs" gegen das neuartige Coronavirus.

Pfizer-Chef Albert Bourla sprach von einem "historischen Moment im Kampf gegen Covid-19", Biontech-Mitgründer Ugur Sahin erklärte, mit dem Beginn des Impfprogramms "werden wir hoffentlich eine Verringerung der Zahl der Menschen in der Hochrisikobevölkerung sehen, die im Krankenhaus stationär behandelt werden müssen".


Impfungen sollen Anfang kommender Woche starten 

Pfizer und Biontech haben nach eigenen Angaben mit London eine Lieferung von 40 Millionen Impfstoffdosen vereinbart; die Dosen sollen schrittweise geliefert werden. Nach Angaben von Gesundheitsminister Matt Hancock sollen zunächst die Bewohner von Pflegeheimen sowie das Gesundheits- und Pflegepersonal geimpft werden. Anfang der nächsten Woche sollen demnach die ersten 800.000 Dosen verabreicht werden, bis zum Jahresende sollen es dann "Millionen" Dosen sein.

"Hilfe ist auf dem Weg", sagte Hancock dem Rundfunksender BBC. Gleichzeitig warnte er, dass es für Entwarnung aber noch zu früh sei, und rief die Bevölkerung auf, sich weiter an die Regeln zum Schutz gegen das Virus zu halten. Ähnlich äußerte sich auch Regierungschef Johnson. Zwar ermögliche der Impfschutz eine Rückkehr zum alten Leben und bringe die "Wirtschaft wieder in Schwung", doch müsse die Öffentlichkeit vorsichtig bleiben.

Pfizer und Biontech haben ebenso wie das US-Unternehmen Moderna auch in den USA und der EU Anträge auf eine Notfallzulassung ihrer Impfstoffe gestellt. Sie rechnen noch im Dezember mit Entscheidungen der beiden zuständigen Behörden in den USA und der EU. Weitere Kandidaten, darunter der vom britisch-schwedischen Pharmakonzern Astrazeneca und der Universität Oxford entwickelte Wirkstoff, dürften bald folgen.

Nach Auswertungen klinischer Studien hatten Biontech und Pfizer sowie Moderna bereits im November berichtet, dass ihre Wirkstoffe den Ausbruch einer Corona-Erkrankung zu jeweils etwa 95 Prozent verhinderten und keine schwerwiegenden Nebenwirkungen aufträten.

Bei einer Notfallzulassung werden zunächst weniger Daten als normalerweise üblich eingereicht, um schneller auf eine medizinische Notlage reagieren zu können. Die übrigen Daten werden nachgeliefert. Politik und Unternehmen betonen aber stets, dass damit keine Absenkung von Sicherheitsstandards verbunden sei.


CDU-Europaabgeordneter Liese sieht britische Entscheidung kritisch 

MHRA-Chefin June Raine erklärte, ihre Behörde habe bereits im Juni mit ihrer Bewertung des Pfizer-Biontechs-Impfstoffs begonnen. Oberstes Ziel sei dabei die "Sicherheit der Öffentlichkeit". Biontech-Mitgründer Sahin betonte, Forschung und Entwicklung des Impfstoffs seien nach "höchsten wissenschaftlichen und ethischen Standards" erfolgt.

Dagegen erklärte der CDU-Europaabgeordnete Peter Liese, er halte die britische Entscheidung "für problematisch" und empfehle den EU-Mitgliedstaaten, diesem Beispiel nicht zu folgen. "Einige Wochen gründliche Prüfung durch die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) sind besser als eine überhastete Notfallzulassung", fügte er hinzu. Liese wies darauf hin, dass die Information der vergangenen Wochen "vor allem auf Pressemitteilungen" beruhten, und viele Daten den Behörden "erst seit ein paar Stunden" vorlägen.

Die Zulassung bezeichnete der Europaabgeordnete und Arzt auch als einen Versuch, vom Versagen der Regierung Johnson in der Corona-Krise abzulenken. Mit bislang rund 59.000 Corona-Toten ist Großbritannien das am schlimmsten von der Pandemie betroffene Land in Europa.

DJG/brb

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December 02, 2020 07:15 ET (12:15 GMT)