Frankfurt (Reuters) - Die Anleger an den europäischen Börsen haben sich am Dienstag kaum aus der Deckung gewagt.

Nach der Einigung im Schuldenstreit in den Vereinigten Staaten warteten sie auf Hinweise zum nächsten Zinsschritt der US-Notenbank Fed. Der deutsche Leitindex Dax lag kaum verändert bei 15.967 Punkten. Sein europäisches Pendant, der EuroStoxx50, notierte 0,2 Prozent tiefer bei 4284 Zählern. Auch die Futures für die wichtigsten US-Indizes waren knapp im Minus. "Der Markt hat eine Pause eingelegt und wartet bis zur Fed-Sitzung und den Inflationsdaten ab", sagte Paul Nolte, Stratege beim Vermögensverwalter Murphy & Sylvest.

Die US-Inflationsdaten, die den nächsten Schritt der Federal Reserve beeinflussen könnten, stehen am kommenden Dienstag an. Der nächste Zinsentscheid der US-Notenbank folgt einen Tag später, wiederum einen Tag darauf folgt die Europäische Zentralbank (EZB).

WARTEN AUF ZINSENTSCHEIDE - ÖL ERNEUT IM MINUS

Zahlreiche Marktteilnehmer gehen bei der Fed von einer Zinspause aus. Bei der EZB wird eine weitere Zinserhöhung erwartet. Jüngste Konjunkturdaten signalisieren zudem eine weitere Konjunkturabschwächung dies- und jenseits des Atlantiks. So hat die deutsche Industrie im April überraschend erneut ein Auftragsminus wegstecken müssen. "Der Trend weist klar nach unten. Auch andere wichtige Frühindikatoren für die Industrie wie der Einkaufsmanagerindex oder das Ifo-Geschäftsklima sinken. Die technische Rezession im Winterhalbjahr war kein Ausrutscher", sagte Jörg Krämer, Chefökonom der Commerzbank.

Das Wachstumstempo der US-Dienstleister hatte sich im Mai ebenfalls deutlich abgeschwächt. Dieser Rückgang ist Analysten zufolge ein Indiz dafür, dass die Zinserhöhungen der US-Notenbank Fed Wirkung zeigten. Die Währungshüter versuchen, die Zinsen so anzuheben, dass die hohe Inflation bekämpft, die Wirtschaft aber nicht abgewürgt wird.

Die Ölpreise gaben ihre Gewinne nach der jüngsten Produktionskürzung des Ölkartells Opec+ wieder ab. Die Nordsee-Rohölsorte Brent und die US-Sorte WTI verbilligten sich um jeweils rund zwei Prozent auf 75,25 und 70,66 Dollar pro Barrel. Die Erwartung einer schwächelnden Nachfrage angesichts der aktuellen Abkühlung der globalen Wirtschaft glich Analysten zufolge die Sorgen wegen niedrigerer Fördermengen aus. Im Sog der Ölpreise fielen auch die Aktien der Energiekonzerne wie TotalEnergies, BP und Shell, die zwischen 1,8 und 2,2 Prozent verloren. Die Kurse der US-Ölmultis Exxon Mobil und Chevron gaben vorbörslich ebenfalls jeweils rund ein Prozent nach.

AUSSICHT AUF ÜBERNAHME DURCH NOVO NORDISK TREIBT BIOCORP AN

Für Kursbewegungen in Deutschland sorgten Entscheidungen zur neuen Zusammensetzung des Nebenwerte-Index MDax und des Kleinwerteindex SDax. So gewannen Evotec zwei Prozent. Die Biotechfirma kehrt rund einen Monat nach ihrem Rauswurf in den MDax zurück. Dafür räumt der Netzwerk-Spezialist Adtran seinen Platz, die Titel fallen um gut ein Prozent. Aus dem MDax fliegt auch United Internet, die Papiere fallen um knapp vier Prozent. Shop Apotheke nimmt den Platz des Chip-Zulieferers Siltronic ein. Die Aktien lagen 2,8 Prozent im Plus und 2,7 Prozent im Minus.

In Paris trieb die Aussicht auf eine Übernahme die Aktie von Biocorp an. Die Anteilsscheine sprangen um 15,7 Prozent auf ein Sechs-Monats-Hoch von 33,90 Euro. Die dänische Pharmafirma Novo Nordisk sei in Gesprächen mit Biocorp, eine Mehrheitsbeteiligung am Entwickler von Medizinprodukten für 35 Euro pro Aktie zu kaufen. Die Novo-Nordisk-Aktie rückte um vier Prozent vor.

In den USA fielen die Apple-Aktien vorbörslich um ein halbes Prozent. Der US-Techriese hatte am Montag nach Börsenschluss eine Brille präsentiert, die virtuelle und reale Welt zusammenführen soll. Kurz vor der erwarteten Vorstellung hatte die Aktie ein Allzeithoch erreicht. "Ob das Unternehmen auch mit dem Preisschild von 3500 Dollar seine teure Marke kapitalisieren kann, bleibt abzuwarten, denn dieser Markt dürfte deutlich enger sein als der für bisherige Apple-Produkte", sagte Jürgen Molnar, Stratege beim Broker RoboMarkets.

(Bericht von Zuzanna Szymanska. Redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)