EHNINGEN (dpa-AFX) - Der Entwicklungsdienstleister Bertrandt durchlebt eine schwierige Phase. Die schwächelnden Automärkte belasten den im SDax notierten Konzern. Hinzu kommen anhaltende Unsicherheiten durch den US-chinesischen Handelskrieg oder den Brexit, die den Baden-Württembergern Sorgen bereiten. Anleger sind nervös, an der Börse geht es für Bertrandt seit geraumer Zeit bergab. Was im Unternehmen los ist, wie Analysten die weiteren Aussichten bewerten und wie sich die Aktie entwickelt hat.

DAS IST LOS BEI BERTRANDT:

Obwohl Bertrandt nicht nur Geschäfte mit Autoherstellern macht, sondern auch Unternehmen aus der Luftfahrtindustrie und weiteren Branchen zu seinen Kunden zählt, machen gerade die Probleme der globalen Automärkte dem Konzern zu schaffen. Im zurückliegenden Geschäftsjahr 2018/2019 verzeichnete der Technologiespezialist einen deutlichen Gewinneinbruch im Vergleich zum Vorjahr und musste seine Prognose kappen. Die Sparprogramme der Autobauer und Zulieferer trübten das Ergebnis von Bertrandt.

Finanzvorstand Markus Ruf sieht das Unternehmen ungeachtet der momentanen Probleme aber gut aufgestellt und für die Zukunft gerüstet. Zumal Bertrandt sich konsequent entlang der Trendthemen Elektromobilität und autonomes Fahren ausgerichtet habe und in diese Bereiche auch gezielte Investitionen tätige. Derzeit nimmt der Ingenieurdienstleister jede Menge Geld in die Hand, um vom Umbruch in der Autoindustrie zu profitieren. Aufgrund der unsicheren Marktlage haben einige Kunden ihre Projekte allerdings verschoben - was Bertrandt zu spüren bekommt.

Der Blick ins bereits laufende neue Geschäftsjahr ist bei den Schwaben daher von erhöhten Konjunkturrisiken und Unwägbarkeiten hinsichtlich der Entwicklung in der Autobranche gekennzeichnet. Trotzdem schaut das Management verhalten optimistisch nach vorne. Denn die für die Geschäftsentwicklung wichtigen Markttrends wie steigende Modell- und Variantenvielfalt, vernetztes Fahren oder umweltfreundliche individuelle Mobilität seien weiterhin intakt, heißt es.

Bertrandt wurde im Jahr 1974 durch Harry Bertrandt gegründet. Mit der ersten Niederlassung 1980 in Sindelfingen wurde der Grundstein für den heutigen Konzern gelegt und das Angebotsspektrum in der Folgezeit kontinuierlich ausgebaut. 1996 erfolgte der Börsengang. Der langjährige Vorstandschef Dietmar Bichler, der das Unternehmen fast zwei Jahrzehnte gelenkt hat, ist seit dem vergangenen Frühjahr Aufsichtsratsvorsitzender des Unternehmens.

Mittlerweile beschäftigt Bertrandt laut Unternehmensangaben weltweit rund 13 660 Mitarbeiter an 57 Standorten in Europa, Asien und den USA. Neben Leistungen in der Automobil- und Luftfahrtindustrie bietet Bertrandt unter anderem auch Dienstleistungen in der Energie-, Medizin- und Elektrotechnik sowie im Maschinen- und Anlagenbau an.

DAS SAGEN DIE ANALYSTEN:

Derzeit vertreten die Marktexperten im Hinblick auf Bertrandt durchweg eine abwartende Position. Von den fünf im dpa-AFX-Analyser gelisteten Experten raten alle dazu, die Papiere zu halten und die weiteren Entwicklungen im Unternehmen und am Markt im Auge zu behalten. Das durchschnittliche Ziel liegt bei 53,75 Euro - und damit sogar noch etwas unter dem aktuellen Kurs.

Grundsätzlich überwiegt in Anbetracht der seit geraumer Zeit anhaltenden Schwäche der Automärkte die Skepsis bei den Experten. So glaubt etwa Analyst Christian Glowa von der Privatbank Hauck & Aufhäuser nicht an eine schnelle Erholung für Bertrandt, zumal der Preisdruck anhalten dürfte. In die gleiche Richtung tendiert auch Michael Punzet von der DZ Bank.

Dass der Ausblick für das laufende Geschäftsjahr 2019/2020 eher konservativ sei, ist seiner Einschätzung nach auch der anhaltend hohen Unsicherheit sowie der Tatsache geschuldet, dass Bertrandt in den letzten Jahren mehrfach seine eigenen Annahmen im Jahresverlauf reduzieren musste.

Unterdessen ist das vierte Quartal im abgelaufenen Geschäftsjahr 2018/2019 aus Sicht von Marc-Rene Tonn vom Analysehaus Warburg Research schlechter ausgefallen als von ihm erwartet. Positiv hervor hab er dagegen den starken Free Cashflow.

DAS MACHT DIE AKTIE:

Für Anleger ist die Kursentwicklung der Bertrandt-Papiere verheerend. Alleine in den zurückliegenden 12 Monaten hat die Aktie fast ein Viertel an Wert verloren. Zum Vergleich: Der Nebenwerteindex SDax hat im selben Zeitraum über ein Viertel hinzugewonnen und damit erheblich besser abgeschnitten.

In den vergangenen drei Jahren summieren sich die Verluste an der Börse für Bertrandt sogar auf rund 43 Prozent. Noch fataler sieht es beim Blick auf die zurückliegenden fünf Jahre aus: Der Kurs fiel in diesem Zeitraum um mehr als die Hälfte.

Auf lange Sicht gesehen lief es für die Baden-Württemberger über viele Jahre hinweg jedoch positiv am Kapitalmarkt. Nachdem Bertrandt zwischen 2000 und Mitte 2010 nur selten in die Nähe der 30-Euro-Marke gelangt war und zumeist bei unter 20 Euro lag, setzte die Aktie danach zu einem kräftigen Höhenflug an.

Ihr Hoch erreichte sie im März 2015, als das Papier zwischenzeitlich 138,70 Euro kostete. Danach geriet Bertrandt mit Ausnahme eines kleineren Zwischenhochs aber in einen anhaltenden Abwärtssog. Derzeit ist das Papier gerade mal noch rund 55 Euro wert.

Mit einer Marktkapitalisierung von 564 Millionen Euro gehört Bertrandt zu den Leichtgewichten im SDax. Größter Aktionär ist die VW-Tochter Porsche mit rund 29 Prozent, danach folgt mit 15 Prozent eine Tochter der Boysen-Stiftung./eas/men/zb