Die europäischen Börsen begaben sich diese Woche trotz insgesamt guter Quartalszahlen auf Talfahrt. Ursachen waren die Straffung der US-Geldpolitik und die Angst vor den Auswirkungen auf die Wirtschaft. Die Risikoscheu ist wieder deutlich gestiegen, aber die Wall Street zeigt sich davon bislang weitgehend unbeeindruckt. So verzeichneten die führenden Indizes weniger starke Wochenverluste.
Wochenperformance*
DAX
13674  -3.00%Chart
RWE AG +2.63%
AIRBUS SE +1.86%
QIAGEN N.V. +0.90%
ZALANDO SE -11.66%
HELLOFRESH SE -12.27%
DELIVERY HERO SE -12.65%
STOXX EUROPE 600
429.91  -4.55%
Chart STOXX EUROPE 600
S&P 500
4123.34  -0.21%
Chart S&P 500
NIKKEI 225
27003.56  +0.58%
Chart NIKKEI 225
GOLD
1882.99$  -0.75%
Chart GOLD
LONDON BRENT OIL
112.60  +5.54%
Chart LONDON BRENT OIL
EURO / US DOLLAR
1.06$  +0.15%
Chart EURO / US DOLLAR
Tops / Flops der Woche

Grifols (+16,40 %): Das spanische Pharmaunternehmen profitierte von der Veröffentlichung der gesammelten Blutplasmamengen, die im 1. Quartal wieder das vor der Pandemie verzeichnete Niveau erreicht haben. Hinzu kommt, dass am Markt derzeit defensive Titel gefragt sind, beispielsweise aus dem Gesundheitssektor.

Ubisoft (+14,70 %): Die seit vorletzter Woche kursierenden Spekulationen nehmen kein Ende, denn mehrere Private-Equity-Gesellschaften scheinen an dem Unternehmen interessiert zu sein. Soliden Quellen zufolge soll die Gründerfamilie Guillemot Gespräche mit Fonds führen und erwägen, die Aktie von der Börse zu nehmen.

Occidental Petroleum (+13 %): Rohöl spielt an der Börse auch 2022 eine dominante Rolle. Dem texanischen Konzern kommt überdies zugute, dass Berkshire Hathaway, die Beteiligungsgesellschaft von Warren Buffet, ihren Anteil an dem Ölunternehmen auf 15,2 % aufgestockt hat.

Advanced Micro Devices (+10 %): Der Prozessorenspezialist und ernstzunehmende Konkurrent von Intel hat diese Woche seine Quartalszahlen vorgelegt und die Erwartungen übertroffen. Die Finanzwelt hat das Unternehmen lange Zeit nicht als führenden Anbieter, sondern eher als Mitläufer angesehen - ein Image, das sich derzeit wandelt.

TotalEnergies (+7 %): Der Ölkonzern schwimmt auf der Erfolgswelle des Sektors mit, dessen Vertreter erneut Rekordergebnisse verkünden konnten. Im Vorfeld hatte auch der französische Energieriese deutlich über den Erwartungen liegende Zahlen zum 1. Quartal veröffentlicht.

Lyft (-32 %): Die Aktie verlor am Mittwoch ganze 30 % an Wert, nachdem die Gewinnprognosen für das 2. Quartal die Anleger sehr enttäuscht hatten. Wettbewerber Uber legte ebenfalls den Rückwärtsgang ein (-15 %).

Zalando (-16 %): Der deutsche Online-Versandhändler musste im 1. Quartal 2022 erstmals seit seiner Gründung einen Umsatzrückgang hinnehmen. Infolgedessen dürfte nun bestenfalls das untere Ende der ursprünglich anvisierten Prognosespanne erreicht werden. Nach Aufhebung der Corona-Beschränkungen verliert der Online-Handel an Attraktivität.

Pandora (-15 %): Der dänische Schmuckhersteller wurde abgestraft, obwohl er mit einem Rekordquartal aufwarten konnte. Denn das Unternehmen hatte seine Prognose zwar bestätigt, aber auf hohe Unsicherheit hingewiesen.

Segro (-11 %): Der auf Logistikflächen spezialisierte Industrieimmobilien-Konzern wurde durch das ungünstigere Umfeld für Online-Händler in Mitleidenschaft gezogen. So war insbesondere der Kurs von Amazon nach etwas enttäuschenden Ergebnissen eingebrochen.
Chart Rohstoffe
Rohstoffe

An den Ölmärkten ist die Nachfrage unverändert intakt. Sie profitieren trotz des Widerstands einiger EU-Staaten wie Ungarn weiterhin von der Möglichkeit eines Ölembargos gegen Russland. Die OPEC+ bekräftigte gleichzeitig, dass sie an ihrem Zeitplan festhalten und die Produktion leicht erhöhen wird. Dieser Beschluss wird durch zahlreiche Risiken untermauert, die auf der Nachfrage lasten. Die Förderallianz und ihre Partner müssten die Produktion demnach ab Juni um 432.000 Barrel pro Tag erhöhen. Dieses Ziel werden sie allerdings wahrscheinlich verfehlen, da die OPEC+ ihre Förderquoten bereits jetzt kaum erreicht. Rohöl der Sorte Brent notiert aktuell im Bereich von 110 USD je Barrel, die US-Referenzsorte WTI bei ca. 109 USD.

Die Preise für Industriemetalle sanken in dieser Handelswoche und leiden nach wie vor unter den coronabedingten Lockdowns in China. Der kräftige Einbruch des chinesischen Einkaufsmanagerindex für das verarbeitende Gewerbe im April verstärkte die Sorgen darüber, ob die Nachfrage des weltweit größten Metallkonsumenten hoch bleiben wird. Der Kupferpreis rutschte dementsprechend auf 9.540 USD und Aluminium verbilligte sich ebenfalls auf 2.916 USD. Der Nickelpreis gab auf 30.190 USD je Tonne nach. Der Goldpreis kommt trotz der deutlich gestiegenen Risikoaversion nicht richtig in Schwung. Der Preis für das gelbe Metall verharrte unverändert unter der Marke von 1.900 USD je Unze.

Die Getreidepreise sind im Allgemeinen weiterhin robust. Der Regenmangel in Europa könnte sich auf die Entwicklung des Getreides, insbesondere von Weizen und Mais, auswirken. An der Börse in Chicago stieg der Weizenpreis auf rund 1.110 Cent je Scheffel. Mais gab dagegen etwas nach und notierte bei 780 Cent.
Chart Rohstoffe
Makroökonomie

Marktstimmung: Die US-Notenbank hat ihr Versprechen gehalten und auf ihrer Sitzung im Mai den Leitzins um 50 Basispunkte erhöht. Damit hat sie de facto bestätigt, dass die Inflation energisch bekämpft werden muss. Die Fed wird weiter an der Zinsschraube drehen, will aber die Zinsschritte bei ihrer Sitzung im Juni nicht auf 75 Basispunkte erhöhen. Anleger deuteten das als recht positives Signal ... aber die Freude war nur von kurzer Dauer. Schnell wurden sie von der Angst vor den Auswirkungen einer raschen Normalisierung der Geldpolitik auf die Wirtschaft eingeholt, zumal die Fed ab Anfang Juli auch ihre Bilanzsumme reduzieren wird.

Anleihen: Die Anleiherenditen haben diesmal auf den geldpolitischen Kurs der US-Notenbank reagiert. Die Rendite zehnjähriger US-Treasuries stieg von 2,86 % in der Vorwoche auf 3,12 %. Auch in Europa setzt sich der Aufwärtstrend fort: Im zehnjährigen Laufzeitenspektrum rentieren deutsche Bundesanleihen mit 1,11 %, französische Staatspapiere mit 1,63 % und ihre britischen Pendants mit knapp 2 %. Italienische Staatsanleihen werfen 3,12 % ab. Die Bank of England erhöhte am Donnerstag wie erwartet ihre Zinsen. Innerhalb der EZB gibt es heftige Diskussionen zwischen den Befürwortern einer raschen Zinserhöhung nach dem Vorbild anderer Notenbanken und jenen, die fürchten, dies könne die Wirtschaft abwürgen.

Devisen: Für das Pfund Sterling war es keine gute Woche, da die Bank of England zwar die Zinsen weiter nach oben schraubte, sich aber besorgt über eine drohende Rezession zeigte. Der Euro blieb unter Druck, tendierte im Vergleich zur Vorwoche jedoch etwas fester bei 1,0565 USD.

Kryptowährungen: Der als riskant eingestufte Bitcoin blieb in einem schwachen wirtschaftlichen Umfeld natürlich nicht von der Nervosität der Märkte verschont. Der Kurs der Digitalwährung folgte den führenden US-Indizes, allen voran dem Nasdaq, mit dem sie stark korreliert, und brach diese Woche um mehr als 5 % ein. Bei Redaktionsschluss pendelte sich der Kurs bei ca. 36.000 USD ein. Nachdem die Kryptowährung nun seit sechs Wochen stetig fällt, brauchen Bitcoin-Anleger gute Nerven.

Termine: Nächste Woche stehen neue Inflationszahlen an: Am Mittwoch werden die aktuellen US-Verbraucherpreise und am Donnerstag die US-Erzeugerpreise für April veröffentlicht. Da eine massive Zinserhöhung durch die Fed um 0,75 % im Juni am Markt nicht völlig ausgeschlossen wird, dürften diese Zahlen starken Einfluss auf die Anleger haben.
Kurs und Volumen
Zinsschraube wird weiter angezogen
Die Marktteilnehmer hatten in den USA eine Zinserhöhung erwartet, die von der Notenbank am Mittwochabend um 20.30 Uhr bestätigt wurde. Die Fed wird den Leitzins um 50 Basispunkte anheben. Im Rahmen der quantitativen Straffung wird sie ihre Bilanzsumme ab Juni monatlich um rund 47 Mrd. USD reduzieren und das Tempo im September auf monatlich 95 Mrd. USD beschleunigen. Die Währungshüter hoffen, mit dem Stopp des kostenlosen Geldes die Rekordinflation jenseits des Atlantiks in den Griff zu bekommen. Daher ist davon auszugehen, dass die Fed, sofern sie auf diesem Kurs bleibt, bis zum Jahresende noch fünf weitere Zinsschritte um jeweils 50 Basispunkte unternehmen wird. Der Markt reagierte Mitte der Woche recht positiv, nachdem die Unsicherheit über eine Anhebung um 75 Basispunkte ausgeräumt war. Danach setzten sich die Verkäufer allerdings wieder durch. Viele westliche Indizes durchbrachen technische Unterstützungslinien und beschleunigten zum Wochenausklang den Abwärtstrend. Panik macht sich breit. Ist dies nun der Anfang einer Verkaufswelle oder sind die schlechten Nachrichten bereits vollständig eingepreist? Ist das Glas nun halb leer oder halb voll? Die gute Nachricht ist, dass die Märkte am Wochenende geschlossen sind, sodass bis Montag kein Ausverkauf droht.
Wir wünschen allen Anlegern ein schönes Wochenende!
*Die Wochenperformance der Indizes und Aktien bezieht sich auf den Zeitraum von der Eröffnung der Märkte am Montag bis zur Erstellung dieses Newsletters am Freitag.
Die Wochenperformance von Rohstoffen, Edelmetallen und Währungen bezieht sich auf den 7-Tage-Zeitraum von Freitag bis Freitag (bis zur Erstellung des Newsletters). Diese Vermögenswerte notieren auch an Wochenenden.