(neu: Aktienkurs aktualisiert mit Rekordhoch im 2. Absatz, Aussagen aus Telefonkonferenz ab 4. Absatz, Analystenstimmen im 3. Absatz.)

NECKARSULM (dpa-AFX) - Der IT-Dienstleister Bechtle kann auch in der Corona-Krise zunächst weiter auf die Nachfrage seiner Kunden bauen. Zwar bekam auch der MDax-Konzern aus Neckarsulm die Beschränkungen wegen der Pandemie zu spüren, weil viele Projekte verschoben wurden und es vereinzelt Lieferschwierigkeiten bei Hardware gab. "Allerdings haben wir im Industrieumfeld wie bei unseren öffentlichen Kunden auch einen starken Nachfrageschub gespürt, insbesondere bei der Ausstattung von Homeoffices und bei technischen Lösungen rund um die Umsetzung virtueller Formen der Zusammenarbeit", sagte Vorstandschef Thomas Olemotz am Freitag.

Umsatz und Vorsteuergewinn kletterten im ersten Quartal stärker als zuvor von Analysten erwartet. Die Bechtle-Aktie erreichte am Vormittag ein Rekordhoch bei 150,50 Euro und lag zuletzt 5,7 Prozent im Plus bei 150,40 Euro. Die Bechtle-Aktie hatte den zwischenzeitlich deutlichen Wertverlust in der Krise schon zuvor wieder wettgemacht. Im bisherigen Jahr hat der Kurs gut 20 Prozent gewinnen können, während der MDax mit gut 15 Prozent im Minus liegt. Auf zwölf Monate gesehen hat die Aktie sogar rund 60 Prozent zugelegt. Mittlerweile ist der Konzern an der Börse 6,2 Milliarden Euro wert. Das ist mehr, als der Dax-Konzern Covestro auf die Waage bringt.

Das Geschäft von Bechtle scheine widerstandsfähiger als befürchtet, schrieb Analyst Wolfgangs Specht vom Bankhaus Lampe. Seine Schätzungen sähen nun zu vorsichtig aus und hätten Luft nach oben. Knut Woller von der Baader Bank sah das Unternehmen auf gutem Wege zu der beibehaltenen Jahresprognose, wenn im zweiten Halbjahr die unterstellte schrittweise Normalisierung des wirtschaftlichen Umfelds einsetze.

Olemotz versuchte, keine Euphorie aufkommen zu lassen und kündigte ein "verhaltenes zweites Quartal" an. Im ersten Quartal hätten Kunden vor allem arbeitsplatzbezogene Investitionen vorgezogen, auch um die Arbeitsfähigkeit sicherzustellen, sagte er in einer Telefonkonferenz. Komplexere IT-Projekte hätten dagegen einen größeren Vorlauf und seien angesichts der Beschränkungen eher nicht angegangen worden. Das dürfte sich auch im zweiten Quartal fortsetzen, das könne man auch bereits im Auftragseingang aus dem April sehen.

Zudem drohen größere Lieferprobleme als bisher. Rund 70 Prozent der IT-Hardware werde in China gefertigt, sagte Olemotz. Es dauere acht Wochen, bis die Teile in Europa ankämen - die Einschränkungen in dem zuerst von der Pandemie betroffenen Land würden Europa damit im zweiten Quartal treffen, selbst wenn in China mittlerweile wieder nahezu normal produziert würde. In den ersten drei Monaten habe Bechtle noch nicht mit massiven Lieferschwierigkeiten klarkommen müssen, sagte der Vorstandschef.

Bechtle bietet kleinen und mittleren Unternehmen wie auch vielen Behörden das Einrichten und Verwalten ihrer IT-Systeme und Netzwerke an und betreibt zusätzlich einen Online-Shop für IT-Produkte. Bechtle profitiert schon seit Jahren davon, dass die IT-Ausstattung und -Nutzung in Wirtschaft und Verwaltung immer weiter zulegt.

Der Umsatz wuchs zwischen Januar und März im Jahresvergleich um 9,3 Prozent auf 1,36 Milliarden Euro. Dabei wirkten die Corona-Beschränkungen im Ausland stärker als in Deutschland, wo das Wachstum sogar zweistellig ausfiel. Vor allem der Online-Handel mit Homeoffice-Equipment bescherte Bechtle bei Hardwareprodukten in Deutschland einen Umsatzzuwachs von gut einem Fünftel. Bechtle vertreibt unter anderem Hardware wie Notebooks, Headsets, Konferenzsysteme und Netzwerkgeräte.

Vor Steuern stieg der Gewinn um 13,4 Prozent auf 51,1 Millionen Euro und damit noch etwas stärker als der Umsatz, die entsprechende Marge legte auf 3,8 Prozent zu. Unter dem Strich verdiente Bechtle mit 36,5 Millionen Euro 15,1 Prozent mehr als ein Jahr zuvor.

"Auch wenn eine verlässliche Vorausschau derzeit unmöglich ist und wir ein eher verhaltenes zweites Quartal erwarten, halten wir an unseren Zielen für das laufende Jahr fest", sagte Olemotz. "Aktuell gehen wir davon aus, dass sich unser Geschäft im Laufe des dritten Quartals wieder zunehmend unter normalisierten Rahmenbedingungen entwickelt." Bechtle will im Gesamtjahr Umsatz und Vorsteuergewinn um 5 bis 10 Prozent steigern. Dabei soll das Ergebnis mindestens so stark wachsen wie der Umsatz, die Marge also möglichst zulegen.

"Die mittel- bis langfristigen positiven Aussichten von Bechtle sind ungeachtet der Folgen der Corona-Pandemie angesichts der anhaltenden Digitalisierung nach wie vor intakt", sagte Olemotz. Viele Kunden hätten im Zusammenhang mit der Krise auch erstmals die Möglichkeiten der dezentralen Zusammenarbeit kennen- und schätzen gelernt. "Ich glaube, dass diese Erkenntnis nicht auf einen Schlag wieder weg ist, wenn die Situation überstanden ist."

Bis 2030 will Bechtle die Umsatzmarke von 10 Milliarden Euro jährlich knacken, 2019 waren es knapp 5,4 Milliarden Euro. Mittlerweile hat Bechtle auch nach größeren Zukäufen 11 768 Mitarbeiter./men/nas/mis