WOLFSBURG (dpa-AFX) - Der Autobauer Volkswagen hat mit vielen Baustellen zu kämpfen: Die Dieselkrise, die Prüfstandardumstellung auf WLTP und der schwächelnde Markt in China haben den Dax-Konzern wie auch die anderen deutschen Autohersteller im vergangenen Jahr stark getroffen. Für 2019 sind die Aussichten weiter getrübt, Analysten sehen jedoch auch positive Signale. Die Lage des Unternehmens, was die Aktie macht und was die Analysten sagen:

DAS IST LOS BEI VOLKSWAGEN:

Eigentlich könnte alles so schön sein bei VW: Die Zahlen aus dem Vorjahr sind angesichts der vielen Probleme noch durchaus ordentlich. Doch unter der Haube brodelt es schon wieder in Wolfsburg.

Vergangene Woche ließ Großaktionär Wolfgang Porsche wissen, dass er die Kernmarke Volkswagen Pkw für reformbedürftig hält, sprach von Verkrustungen in Wolfsburg und griff damit den bei VW traditionell starken Betriebsrat frontal an. Die Verwaltungskosten im Unternehmen seien zu hoch, die Fertigungstiefe müsse auf den Prüfstand, so der Sprecher der Eigentümerfamilie, die über die Porsche-SE-Holding die Mehrheit der Stimmrechte am Volkswagen-Konzern kontrolliert. Auch die Tochter Audi ist ihm nicht mehr profitabel genug - hier soll gespart werden.

Die Äußerungen des mächtigen Aufsichtsratsmitglieds sorgten auf Arbeitnehmerseite für Befremden. Auch ein im "Handelsblatt" kolportiertes geplantes neues Sparprogramm mit möglicherweise rund 5000 wegfallenden Stellen missfiel dem Betriebsrat. Damit droht ein neuer Knatsch zwischen VW-Chef Herbert Diess und Betriebsratsboss Bernd Osterloh.

Der verwies auf "Managementfehler" vor allem beim Schlamassel rund um die WLTP-Einführung. Über Monate waren - und sind teilweise noch - bei mehreren Konzernmarken viele Modelle nicht verfügbar, vor allem bei der Kernmarke und bei Audi hakte es, weil Zulassungen fehlten. Nach offizieller Lesart kostete das den Konzern 2018 eine gute Milliarde Euro. Doch darüber gibt es unterschiedliche Sichtweisen: Aus Arbeitnehmerkreisen war im "Spiegel" von bis zu 3,6 Milliarden zu lesen.

Auch die Dieselaffäre kostete im vergangenen Jahr erneut viel Geld - die Abgasrechnung für die Softwaremanipulation bei Dieselmotoren kletterte vergangenes Jahr um weitere 3,2 Milliarden Euro auf rund 29 Milliarden Euro.

Daneben belastet der von US-Präsident Donald Trump losgetretene Handelsstreit mit China die Geschäfte der Autobauer. Chinesische Einfuhrzölle auf US-Autos trafen zwar zuerst Daimler und BMW. Die Diskussionen um künftige Zölle und das Ausmaß des internationalen Handels insgesamt lösten dann aber eine schwere Flaute in China nach der Jahresmitte aus, was dem weltweit größten Einzelmarkt im Gesamtjahr den ersten Rückgang seit mindestens zwanzig Jahren einbrockte.

Ob es beim Export von Autos und Zulieferteilen aus Europa in die USA zu höheren Zöllen kommt, ist auch noch nicht vom Tisch. VW-Konzernchef Herbert Diess warnte bereits davor, dass sie den Konzern im schlimmsten Fall zwei bis drei Milliarden Euro kosten könnten. Die Auswirkungen des Handelskonflikts würden immer deutlicher spürbar, wie er jüngst der Branchenzeitung "Automobilwoche" sagte.

Die politischen Schwierigkeiten kommen in einer Phase technischer Umbrüche höchst ungelegen: Volkswagen muss viel Geld in E-Antriebe stecken, um nicht von der Konkurrenz abgehängt zu werden. Für die gesamte Autoproduktion im laufenden Jahr prognostizierte der Branchenverband VDA nichts Gutes: In den deutschen Werken dürfte die Produktion um rund 5 Prozent auf 4,8 Millionen Fahrzeuge sinken.

DAS ERWARTET DAS UNTERNEHMEN:

VW-Chef Diess erwartet für das neue Jahr dennoch ein Umsatzplus von bis zu 5 Prozent auf den Vorjahreswert 235,8 Milliarden Euro. Die Auslieferungen sollen weltweit leicht zulegen. Bei der Umsatzrendite des operativen Gewinns rechnet er mit einem Wert zwischen 6,5 und 7,5 Prozent, sie lag um Sondereinflüsse bereinigt im Vorjahr bei 7,3 Prozent.

DAS SAGEN ANALYSTEN:

Die Optimisten unter den Analysten trauen den VW-Vorzügen beim Kurs ein Aufwärtspotential von rund 50 Prozent zu, die Pessimisten liegen rund 15 Prozent unter dem aktuellen Kurs.

Besonders positiv schätzt das US-Analysehaus Bernstein Research die Lage ein. Analyst Robin Zhu verweist auf den sich günstig entwickelnden chinesischen Markt. Nachdem das Geschäft dort im vergangenen Jahr dramatisch zurückgegangen war, gebe es Signale der Besserungen. Die Zulassungszahlen vom Januar deuteten darauf hin. Er bestätigte daher seine Kaufempfehlung bei einem Kursziel von 220 Euro je Aktie.

Die Privatbank Berenberg ist dagegen vorsichtiger. Mangelnde strukturelle Verbesserungen der Autoindustrie signalisierten eine Margenerosion im Sektor, schrieb Analyst Alexander Haissl. Er empfiehlt den Verkauf bei einem Kursziel von 125 Euro. Zyklische Risiken seien in den Bewertungen der Autozulieferer angemessener reflektiert als bei den Herstellern.

Analyst Marc-Rene Tonn vom Analysehaus Warburg sprach von einem sehr soliden vierten Quartal des Autobauers. Der negative freie Cashflow hänge zusammen mit der Einführung des Abgasprüfstandards WLTP, die Kennziffer sollte sich aber wieder deutlich verbessern. Bei einem Kursziel von 200 Euro empfiehlt er den Kauf der Papiere.

Eine Mehrheit von 17 der 24 Experten rät zum Kaufen der Aktie, vier empfehlen Halten und nur drei den Verkauf. Das durchschnittlichen Kursziel der im dpa-AFX-Analyser erfassten 22 Analystenstudien liegt bei 189,14 Euro.

DAS MACHT DIE AKTIE:

Seit Beginn der Dieselkrise hatte sich die Aktie von einem Hoch Mitte März 2015 bei 262,45 Euro auf ein Tief von 86,36 Euro im Mai 2015 gedrittelt. Nach dem dramatischen Einbruch ging es in den folgenden Jahren wieder langsam bergauf. 2018 verlief jedoch nicht gut für den Autobauer: Seit dem Zwischenhoch Mitte April bei 179,60 Euro, dem höchsten Wert seit der Krise, verlor die Aktie rund 27 Prozent bis zu einem Tief Ende Oktober bei 131,44 Euro.

Im Vergleich zum europaweiten Index Stoxx Europe 600 Automobile & Parts, in dem die Hersteller wie Zulieferer Europas zusammengefasst sind, haben sich die VW-Vorzüge in den letzten zwölf Monaten jedoch deutlich besser entwickelt: Während der Index rund 22 Prozent im Minus liegt, kommt VW nur auf einen Rückgang in dem Zeitraum um 6,6 Prozent. BMW traf es mit rund minus 15 Prozent noch besser als Daimler, für die es rund 26 Prozent abwärts ging.

Zuletzt konnten sich die VW-Vorzüge wieder etwas erholen: Seit Jahresbeginn zeichnete die Aktie einen leichten Aufwärtstrend bis zum bisherigen Jahreshoch Anfang März 2019 bei 155,42 Euro. Aktuell notiert die Aktie rund 10 Euro darunter bei 146 Euro./elm/men/jha/