In einer ungewöhnlichen Allianz haben Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) und Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) eine Initiative ins Leben gerufen, um die Schadstoffbelastung in den Städten zu senken. Ein "Nationales Forum Diesel", an dem weitere Ministerien und die Autobranche beteiligt werden, soll eine Lösung zur Reduzierung der Diesel-Abgase finden, wie die beiden Ministerien am Dienstag in Berlin mitteilten. Dazu soll ein neues Institut den Ausstoß von Kohlendioxid und Stickoxid im realen Fahrbetrieb messen. Hendricks erklärte, die Autohersteller hätten nun die Chance, verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen.

"Wir wollen die Emissionen deutschlandweit senken", sagte Dobrindt in Berlin. Auch die Länder sollen am Forum beteiligt werden. Sie und die Kommunen stehen unter Druck, die Stickoxid-Grenzwerte einzuhalten und haben teilweise mit Fahrverboten gedroht. Dies wollen die Bundesregierung und die Autoindustrie verhindern. Im Gespräch sind daher Nachbesserungen von bis zu 13 Millionen Diesel-Pkw in Deutschland. Die Allianz von Dobrindt und Hendricks ist bemerkenswert, da sich beide bei der Frage des Schadstoff-Ausstoßes im Verkehr in der Vergangenheit eher bekämpft haben. Während Hendricks wiederholt die Autoindustrie aufgefordert hatte, den Stickoxid(NOx)-Ausstoß der Diesel mit Nachrüstungen zu senken, hatte Dobrindt vor allem auf die Länder und Kommunen gedeutet. Sie könnte die Luft auch durch den Ersatz von Taxen, Bussen und Behördenfahrzeugen etwa auf Elektroantrieb die Emission deutlich senken.

BAYERN PRESCHT VOR

Die Einschätzung, dass das Problem der Abgasbelastung allein auf kommunaler und Landesebene gelöst werden kann, wird in der CSU-Spitze allerdings nicht geteilt. Aus Sicht des bayerischen Ministerpräsidenten und CSU-Chefs Horst Seehofer ist die Rechtsgrundlage für mögliche lokale Fahrverbote bisher nicht klar genug. Er plant deshalb bis Mitte Juli ein Spitzengespräch mit den Oberbürgermeistern der großen bayerischen Städte, um über Schritte gegen die Abgasbelastung zu beraten.

Bereits am Mittwoch will Seehofer den Chefs der drei in Bayern ansässigen Autobauer BMW, Audi und MAN bei einem Treffen Selbstverpflichtungen zur Nachrüstung von Diesel-Fahrzeugen abringen. Das solle Vorbild für eine bundesweite oder europaweite Selbstverpflichtung sein, ließ Seehofer nach einer Kabinettssitzung am Dienstag erklären. Bayern will die Hersteller zur Kasse bitten: "Von der Erwartungshaltung hätte ich schon von der Industrie ganz gern eine Beteiligung", sagte Staatskanzleichef Marcel Huber. Pauschale Fahrverbote lehnt die bayerische Regierung ab.

Die erste Sitzung des bundesweiten Forums soll am 2. August sein. In Regierungskreisen hatte es geheißen, noch vor der Bundestagswahl solle ein Programm zur Diesel-Nachrüstung gestartet werden. Über ein Software-Updates bei der Motorensteuerung kann nach Einschätzung von Experten die Stickoxid-Belastung um durchschnittlich bis zu 25 Prozent reduziert werden. "Die Industrie hat angesichts des Drucks auf die Verkaufszahlen der Diesel ein hohes Interesse an einer Lösung", hatte ein Regierungsvertreter gesagt. Die Kosten von geschätzt 1,5 bis 2,5 Milliarden Euro für die Nachbesserung solle die Industrie tragen. Dazu kämen noch Aufwendungen für die Software-Entwicklung. Die Regierung dringe darauf, dass die Nachbesserung nicht nur Fahrzeuge der Euro-Norm 5, sondern auch von Euro-6 betreffe. Auch die Euro-4-Autos sollten Teil des Konzepts sein.

LÄNDER DRÄNGEN BUND SCHON LÄNGER ZUM HANDELN

Die grüne Landesregierung von Baden-Württemberg hat mit der Branche schon Gespräche geführt und dringt über eine Bundesratsinitiative darauf, dass der Bund eine bundesweite Lösung in Angriff nimmt. Die Kommunen stehen unter Druck, da ihre Luftreinhaltepläne in vielen Städten vor Gericht überprüft werden. Die Werte übersteigen aber weiter die EU-Grenzwerte, so dass Brüssel ein Verfahren gegen Deutschland eingeleitet hat.

NEUES ABGAS- UND VERBRAUCHSMESS-INSTITUT

Ausgelöst wurde die Debatte über den Diesel durch die illegalen Abschalteinrichtungen für die Abgasreinigung durch Volkswagen. In der Folge hatte das Verkehrsministerium zahlreiche Modelle vieler Hersteller überprüft. Insgesamt rund drei Millionen Diesel sollen jetzt schon nachgerüstet werden.

Neben den NOx-Werten waren dabei auch Ungereimtheiten beim Kohlendioxid-Ausstoß festgestellt worden. Hier gibt es zwar keinen Grenzwert pro Fahrzeug wie beim Stickoxid, die Werte müssen aber mit den Angaben der Hersteller übereinstimmen. Bei einer gesonderten CO2-Nachprüfung von 19 Diesel-Fahrzeugen hat das Ministerium beim Opel Zafira und beim Smart ForTwo Auffälligkeiten festgestellt. Der Smart wird noch einmal nachgeprüft. Für den Zafira ist eine Nachrüstung erforderlich. Von beiden Modellen sind aber jeweils weniger als 10.000 Stück unterwegs. Produziert werden sie auch nicht mehr.

Das neue Institut, das sowohl CO2- als auch NOx-Werte im realen Fahrbetrieb messen soll, soll auch von Verbraucherschützern und Umweltgruppen getragen werden. Die für die KfZ-Zulassung weiter erforderlichen Tests auf Prüfständen werden dadurch aber nicht ersetzt.