(Im siebten Absatz, letzter Satz wurde korrigiert: 2 bis 3 Gigawatt)

ESSEN (dpa-AFX) - Die Hauptversammlung des Energieversorgers RWE hat sich am Freitag zu einem Schlagabtausch zwischen der Schüler-Protestbewegung "Fridays for Future" und dem Stromkonzern entwickelt. Auf der einen Seite: Rolf Martin Schmitz (61), Vorstandschef des größten deutschen Braunkohle-Verstromers. Seine Gegenspielerin: Luisa Neubauer (23), Studentin, talkshowerfahrenes Gesicht der Klimaschutz-Bewegung "Fridays for Future" und Organisatorin der Proteste in Berlin.

Schmitz versuchte es mit Lob für die Schüler, die aus mehreren Städten nach Essen gekommen waren und vor der Halle für mehr Klimaschutz demonstrierten - um anschließend durch die Innenstadt zur RWE-Zentrale zu ziehen. Klima- und Umweltschutz seien Herausforderungen für alle Generationen, sagte Schmitz. "Ich finde es daher gut, dass sich viele Schülerinnen und Schüler dafür interessieren." Es lohne sich, für den Klimaschutz "seine Stimme zu erheben".

Und das tat Neubauer, die mit Hilfe der bei RWE vertretenen kritischen Aktionäre Rederecht bei der Hauptversammlung erhalten hatte. "Kein Konzern in ganz Europa trägt mehr Verantwortung für die Klimakrise als RWE", hielt sie den Aktionären im Saal vor. Die RWE-Anteilseigner verkauften "ihre Verantwortung für ein paar Cent Rendite". Die Aktionäre dürften sich nicht zu schweigenden Komplizen von Konzernchef Schmitz machen.

Wer nach 2030 noch ernsthaft plane, Kohle zu verstromen, "hat nicht verstanden, in welcher Krise wir sind", kritisierte Neubauer. "Wie können Sie das vor mir und meiner Generation verantworten." "Fridays for Future" fordert, ein Viertel der Kohlekraftwerke bereits bis zum Ende dieses Jahres abzuschalten und bis 2030 ganz aus der Kohleverstromung auszusteigen. Die Kohlekommission der Bundesregierung hatte das Kohle-Aus für 2038 empfohlen.

Schmitz zeichnete ein ganz anderes Bild der "neuen RWE". Von 2012 bis 2018 habe RWE den Kohlendioxidausstoß um 34 Prozent reduziert. "Das ist in einem viel kürzeren Zeitraum mehr, als Deutschland seit 1990 erreicht hat." Die Kohlekommission habe neben dem Klimaschutz auch die Versorgungssicherheit und soziale Aspekte berücksichtigen müssen. Dabei sei es um Arbeitsplätze gegangen, die auch Neubauers Generation brauche.

Schon bald werde der Konzern bei den erneuerbaren Energien zu den internationalen Marktführern gehören, betonte Schmitz. Ermöglichen soll das ein Milliardendeal mit dem Konkurrenten Eon, der RWE schlagartig zur Nummer drei bei den erneuerbaren Energien in Europa und weltweit zur Nummer zwei bei Windkraft auf See machen würde. "Kein Unternehmen setzt so konsequent auf Umbau", warb Schmitz für seinen Kurs.

Bis RWE ein grüner Stromproduzent wird, ist es aber noch ein weiter Weg. Insgesamt verfügte RWE Ende vergangenen Jahres europaweit über eine Erzeugungskapazität von knapp 42 Gigawatt. Nach der geplanten Zerschlagung der eigenen Tochter Innogy und der Übernahme des Grünstroms von Eon wird RWE eine Kapazität an Erneuerbaren von 9 Gigawatt verfügen. Pro Jahr sollen künftig weitere 2 bis 3 Gigawatt hinzukommen.

Kritik zu hören bekam Schmitz aber auch von ganz anderer Seite. Winfried Mathes von der Sparkassentochter Deka Investment warf dem Konzernchef vor, mit seinem langen Beharren auf der Abholzung des Hambacher Forsts RWE einen Reputationsschaden zugefügt zu haben. Deka werde für die Nichtentlastung des Vorstands stimmen, kündigte Mathes an. Das solle ein Anreiz sei, damit Schmitz "RWE möglichst schnell in eine kohlefreie Zukunft" führe.

Einen Aufstand der Aktionäre, die beim Agrarchemie- und Pharmakonzern Bayer dem Vorstand spektakulär die Entlastung verweigert hatten, musste Schmitz aber nicht befürchten. Dafür sorgen schon Kursgewinne, die RWE im vergangenen Jahr zum zweitbesten Dax-Titel gemacht hatten, wie Thomas Deser von Union Investment lobte. Und Aktionärsvertreter Thomas Hechtfischer freute es, das Schmitz mit den erwarteten Milliarden-Entschädigungen für Kraftwerke "offenbar einen Weg gefunden habe, "aus Kohle Gold zu machen". Lob kam auch von den Kommunen, die noch immer rund ein Fünftel der RWE-Anteile halten. Anders als in früheren Jahren gebe es angesichts der gestiegenen Dividende wenig zu kritisieren, meinte deren Vertreter Ernst Gerlach./hff/DP/stw/he