--Konzern steigt aus Verfahren mit US-Richter Chhabria aus

--Für Privatverkauf sollen Roundup-Wirkstoffe verändert werden

--Unkrautvernichter soll in USA ein neues Label bekommen

(NEU: Durchgehend neu mit Informationen aus Telefonpressekonferenz und Marktreaktionen)

Von Olaf Ridder

FRANKFURT (Dow Jones)--Auch fast drei Jahre nach den ersten verlorenen Schadensersatzklagen in den USA kann Bayer den Rechtsstreit um sein unverzichtbares Breitbandherbizid Glyphosat nicht abschließen. Der zuständige Bundesrichter in San Francisco ließ am Mittwoch auch den zweiten Vorschlag für eine Entschädigung möglicher künftiger Krebspatienten mit der Begründung platzen, sie sei "schlichtweg unvernünftig" für die Betroffenen.

Daraufhin reagierte der Konzern in Leverkusen schnell und stieg aus dem Vergleichsverfahren aus. Richter Vince Chhabria habe überhaupt keinen Weg aufgezeigt, wie die zukünftigen Fälle gelöst werden könnten, sagte Bayer-Vorstandschef Werner Baumann in einer Telefonkonferenz mit Analysten und Journalisten am Morgen. Die Bayer-Aktie stürzte am Morgen zeitweilig um mehr als fünf Prozent ab. "Mit einem so deutlichen Scheitern des Vergleichs in den USA hatte der Markt nicht gerechnet", kommentierte ein Frankfurter Börsenhändler.

Bayer will eine Reihe von Maßnahmen ergreifen, "die in Summe ähnliche Sicherheit in Bezug auf mögliche künftige Klagen schaffen". So soll Roundup für Haus- und Gartenbesitzer in den USA auch weiter verfügbar bleiben, doch will Bayer Änderungen bei den aktiven Wirkstoffen prüfen, wie der für das Agrargeschäft zuständige Bayer-Vorstand Liam Condon sagte. Der Konzern werde "umgehend mit Partnern den zukünftigen Weg diskutieren". Die Überlegungen betreffen aber nicht das Produkt für den Gebrauch in der Landwirtschaft.

Der Schritt diene allein dem Ziel, die Rechtsrisiken zu minimieren und dafür zu sorgen, dass das Herbizid auch künftig für die Hauptzielgruppe der Farmer verfügbar bleibe. Condon rechnet nicht damit, dass dieser Schritt zu Umsatzeinbußen im Privatkundengeschäft mit Roundup führe. Die Nachfrage sei ungeachtet aller Rechtsstreitigkeiten robust geblieben. Bei rund 300 Millionen Euro liegen die Einnahmen mit Roundup im Gartensegment. Sie machen damit nur einen kleinen Teil des Umsatzes mit Roundup-Produkten aus, die für etwa die Hälfte des rund 5 Milliarden Euro schweren Herbizid-Geschäfts von Bayer stehen.

Ferner will Bayer dem Roundup-Label auf der Verpackung einen Hinweis zu einer Internet-Website verpassen, auf der alle wissenschaftlichen Erkenntnisse zu Glyphosat versammelt werden. Dort könne sich dann jeder Nutzer selbst ein Bild verschaffen. Neben der Unbedenklichkeitserklärung der US-Umweltbehörde EPA soll sie auch die Einschätzung der Internationalen Agentur für Krebsforschung IARC enthalten, die das Mittel 2015 als "wahrscheinlich krebserregend für den Menschen" einstufte. Darauf berufen sich die Klägeranwälte.

Der Konzern prüft außerdem sein Vorgehen bei aktuellen Klagen. "Soweit die Kläger den Teilnahmekriterien entsprechen und angemessene Ergebnisse erreicht werden können" sei Bayer weiter für eine gütliche Beendigung von Rechtsstreitigkeiten offen. Allerdings behält sich der Konzern vor, "regelmäßig zu prüfen, ob dieser Ansatz noch im besten Interesse des Unternehmens ist." Noch stehen für rund 30.000 Klagen Einigungen aus.

Für potenzielle künftige Roundup-Klagen prüfe Bayer andere Lösungen, die jedoch bisher nicht näher beschrieben wurden. "Unser Ziel war immer, die Risiken möglicher künftiger Rechtsstreitigkeiten zu minimieren", sagte Baumann. "Wir sind überzeugt, dass der zuletzt dem Gericht vorgelegte Lösungsmechanismus der fairste und effizienteste Weg war, das zu erreichen. Aber er ist auf keinen Fall der einzige Weg." 2 Milliarden Dollar hatte Bayer für die bisherige Lösung zurückgestellt. Die Rückstellungen sollen bleiben, aber das Geld wird zunächst nicht fließen. Der Cashflow werde in diesem und wohl auch im nächsten Jahr nicht so negativ ausfallen wie ursprünglich erwartet, sagte Baumann.

Zwei laufende Berufungsverfahren will Bayer ebenfalls vorantreiben. Ziel ist es, vor dem Obersten Gerichtshof der USA am Ende wissenschaftlichen Erkenntnissen zu ihrem Recht zu verhelfen und zu klären, dass der Konzern in den US-Bundesstaaten nicht für einen fehlenden Gefahrenhinweis verantwortlich gemacht werden kann, der durch Bundesrecht verboten ist. Bis Mitte 2022, so hofft man in Leverkusen, könnte es fallen.

Kontakt zum Autor: olaf.ridder@wsj.com

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May 27, 2021 05:28 ET (09:28 GMT)