BERLIN (dpa-AFX) - Weniger Dünger und Pestizide, mehr Blüten und Hecken: Die Bundesregierung will mit einem Aktionsprogramm den Schutz von Bienen und anderen Insekten in Deutschland voranbringen. Doch schon die Eckpunkte, die das Bundeskabinett am Mittwoch beschloss, stoßen bei Umweltschützern auf Unverständnis. Denn sie fallen teils deutlich hinter das zurück, was Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) vor ein paar Wochen angekündigt hatte. Viele Punkte fallen nicht in Schulzes Zuständigkeit, sondern in die von Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) - auch das Streitthema Glyphosat.

Fünf Millionen Euro aus einem Förderprogramm für biologische Vielfalt sollen künftig in den Insektenschutz gehen. Das sei ein wichtiger "erster Schritt", sagte Schulze in einer kurzen Videobotschaft. "Wir brauchen wieder mehr Lebensraum für Insekten, wir müssen Pflanzenschutzmittel zurückdrängen und wir müssen über die Forschung genaueres Monitoring nach vorne bringen."

Nicht nur die Zahl, sondern auch die Vielfalt der Insekten in Deutschland ist rückläufig. Die Tiere sind unter anderem als Bestäuber und als Futter für andere Tiere wichtig. Studien sehen unter anderem Pestizide, Überdüngung und große Felder ohne Blüten-Ränder als Ursache für das Sterben, aber auch Siedlungen und die Lichtverschmutzung, die nachtaktive Insekten bedroht.

Das Aktionsprogramm soll den Eckpunkten zufolge an all diesen Punkten ansetzen. Es soll zum Beispiel für eine vielfältigere Agrarlandschaft mit mehr Hecken und blütenreichen Feldrändern sorgen. Fördermittel, Modellprojekte und Wettbewerbe sollen dazu anregen, Lebensräume für Insekten zu schaffen oder zu verbessern. In dem Eckpunktepapier heißt es allerdings, es umreiße "die Handlungsbereiche und möglichen Maßnahmen", ohne im Voraus über Haushalte zu entscheiden.

Scharfe Formulierungen, die Schulze Ende April vorgelegt hatte, fehlen dagegen. In ihrem Entwurf war etwa die Rede davon, den Einsatz von Pestiziden vor allem in ökologisch empfindlichen Gebieten "wo möglich zu verbieten" und dass "großflächige Strukturen in der Landbewirtschaftung aufgelöst" werden sollen.

Von Umweltverbänden kam Kritik. Die Eckpunkte wiesen "inakzeptable Lücken auf", sagte der Präsident des Deutschen Naturschutzrings, Kai Niebert. Anstelle von Sofortmaßnahmen werde auf künftige Strategien verwiesen. Blühstreifen, Wettbewerbe und Modellprojekte seien nicht entscheidend. "Damit läuft die Bundesregierung Gefahr, PR-tauglichen Maßnahmen höhere Priorität einzuräumen als echtem Handlungsbedarf", sagte Niebert. BUND-Chef Hubert Weiger forderte "ganz konkrete, messbare Ziele". Nabu-Präsident Olaf Tschimpke lobte "viele gute Ansätze", die aber auch finanziert werden müssten.

Ähnlich sehen es die Grünen, die im Bundestagswahlkampf mit der Warnung vor einem "Stummen Frühling" Aufmerksamkeit erregt hatten: Ein "Blümchenpapier" helfe nicht, sondern nur eine Umstrukturierung der EU-Agrarpolitik, sagte die naturschutzpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Steffi Lemke. Agrarexperte Harald Ebner kritisierte, dass Schulzes Forderung nach dem Aus für das Unkrautgift Glyphosat bis 2021 fehle.

Das Papier übernimmt die Formulierung des Koalitionsvertrags, "die Anwendung so schnell wie möglich grundsätzlich zu beenden." In einem Gesetzentwurf zum Glyphosat, den Agrarministerin Klöckner vorgelegt hat, geht es vor allem um private Anwender wie Kleingärtner. Ein Sprecher des Bundesumweltministeriums sagte, man werde in den nächsten Wochen einen Plan vorlegen. Die Zeit drängt, da die erneute Zulassung von glyphosathaltigen Mitteln ansteht.

Die umweltpolitische Sprecherin der FDP im Bundestag, Judith Skudelny, kritisierte die Eckpunkte ganz anders als die Umweltverbände - nämlich als "Verbotskatalog". Naturschutz werde gegen Landwirtschaft auf dem Rücken der Bauern ausgespielt./ted/DP/stw