Von Patrick Thomas

NEW YORK (Dow Jones)--Landwirtschaftsunternehmen investieren Millionen von US-Dollar in die Entwicklung von alternativen Anbauprogrammen. Diese zielen darauf, mehr Kohlendioxid auf den Feldern abzuscheiden, um so eine mögliche Lösung zur Eindämmung des Klimawandels zu finden.

Die Herausforderung besteht darin, die Landwirte davon zu überzeugen, dass es ihre Zeit und die Kosten für neue Anbaumethoden wert sind. Außerdem gilt es, sie davon zu überzeugen, dass sie möglicherweise auf einen Teil ihrer Ernte verzichten müssen.

Chris Edgington, Maisbauer aus Iowa, hat im vergangenen Jahr verschiedene Kohlenstoffprogramme durchgerechnet. Dabei wog er das Risiko von Ernteeinbußen bei der Anpassung seiner Anbaumethoden sowie die mögliche Kompensation für den Kohlenstoff, den seine Felder binden könnten, gegeneinander ab. Bislang hat er sich noch nicht angemeldet. "Bei den derzeitigen wirtschaftlichen Bedingungen wird es eine echte Herausforderung sein, zu wachsen", klagt Edgington, der früher auch Präsident des Branchenverbands National Corn Growers Association war.

Giganten der Agrarindustrie wie Bayer, Nutrien und Corteva sowie Startups wie Indigo entwickeln Systeme, die auf die Schaffung eines von der Landwirtschaft betriebenen Kohlenstoffmarktes abzielen. Die Idee ist, natürliche Prozesse zu nutzen, um die Felder der Landwirte in Kohlenstoffsenken zu verwandeln. Pflanzen entziehen der Luft Kohlendioxid und kombinieren es mit Wasser und Sonnenlicht, um durch den Prozess der Photosynthese Energie zu erzeugen, die den Kohlenstoff über die Pflanzenwurzeln in der Erde verankert. Der Boden kann den Kohlenstoff über Jahre hinweg speichern, wenn er ungestört bleibt.

Die Agrarindustrie, der die Politik und Umweltschützer in den vergangenen Jahren verstärkt auf die Finger schauen, hat erklärt, dass eine Bezahlung der Landwirte dazu beitragen kann, sie zu einem Teil einer möglichen Lösung zu machen. Kohlenstoffprogramme bieten Unternehmen auch eine potenzielle neue Einnahmequelle. Die von Landwirten eingeheimsten Kohlenstoffzertifikate dürften von Lebensmittelherstellern, Fluggesellschaften und Technologieunternehmen, die ihre eigenen Kohlenstoffemissionen ausgleichen wollen, kräftig nachgefragt werden.


  Kaum ein US-Landwirt macht beim Kohlenstoffmarkt mit 

Laut einer Studie des Beratungsunternehmens McKinsey & Co. aus dem Jahr 2021 könnte der Markt für Kohlenstoffgutschriften, mit Forstwirtschaft und anderen Projekten zur Abscheidung von Kohlenstoff, bis 2030 ein Volumen von 50 Milliarden US-Dollar erreichen. Die Agrarkonzerne erklären, dass die Landwirte an den Erlösen aus dem Verkauf von Kohlenstoffgutschriften beteiligt werden. Weniger als 5 Prozent der mehr als 1.300 von McKinsey im Jahr 2022 befragten US-Landwirte gaben an, an einem Kohlenstoffprogramm teilzunehmen. Und mehr als 50 Prozent der Landwirte nannten eine unklare Kapitalrendite als einen der Hauptgründe für ihre Nichtteilnahme. Die Zahl der Landwirte, die Verträge zur Teilnahme an einem Kohlenstoffmarkt eines Unternehmens unterzeichneten, stagnierte von Januar 2021 bis August 2022 bei etwa 1 Prozent, wie aus Umfragen der Purdue-Universität hervorgeht.

Führungskräfte aus der Landwirtschaft sagen, dass die Anmeldungen ihrer Landwirte planmäßig verlaufen oder die Erwartungen übertreffen. Der Düngemittellieferant Nutrien teilte mit, dass er im Jahr 2021 rund 110 Landwirte für sein Kohlenstoffprogramm gewinnen konnte und im Jahr 2022 sogar 160 Landwirte erreichte, was seinem Ziel entspricht. Corteva-Vertreter sagten, dass das Programm des Saatgutanbieters planmäßig verlaufe und die Nachfrage nach Kohlenstoffgutschriften zusammen mit dem Preis, den die Landwirte erhalten, zulegen dürfte.

Die Führungskräfte stellen sich auf Bedenken der Landwirte ein, indem sie unter anderem Landwirte in das Programm aufnehmen, die bereits seit Jahren kohlenstoffbindende Anbaumethoden verwenden, oder indem sie flexiblere Verträge anbieten. Nach Angaben des Unternehmens werden sich die Gehälter der Landwirte im Laufe der Zeit verbessern, ebenso wie die Qualität ihrer Böden - ein weiterer langfristiger Vorteil, der die Landwirte zur Teilnahme an dem Programm bewegen soll.


Noch rechnet sich die Kohlenstoffbindung für Landwirt häufig nicht 

Um an dem Programm teilzunehmen, müssen sich die Landwirte verpflichten, ihre Anbausysteme zu überarbeiten und Praktiken anzuwenden, die die Kohlenstoffbindung in ihren Böden erhöhen. Dazu zählen der Verzicht auf Bodenbearbeitung und der Anbau von Deckfrüchten im Winter. Laut Analyst Joel Jackson von der Bank of Montreal erhalten die Landwirte im Rahmen der derzeitigen Programme der Agrarkonzerne in der Regel 15 bis 20 US-Dollar pro Tonne gebundenen Kohlenstoff. Er schätzt, dass die Landwirte mehr als 50 Dollar pro Tonne verdienen müssen, damit sich Kohlenstoffprogramme für ihre Betriebe wirtschaftlich lohnen. Nach Angaben der Soil Science Society of America werden durch Direktsaat durchschnittlich 0,3 Tonnen Kohlenstoff pro Hektar und Jahr gebunden, auch wenn dies je nach Betrieb unterschiedlich ist. "Der Preis für Kohlenstoff sollte bei 75 Dollar pro Tonne liegen, damit die Landwirte davon Notiz nehmen", argumentiert Chef-Analyst Chris Harbourt von Indigo. "Bei einem Preis von über 100 Dollar müssen die Landwirte dies als ernsthaften Teil ihrer Betriebsplanung betrachten."

Harbourt berichtet, dass Indigo den Betrag, den es den Landwirten zahlt, im vergangenen Jahr von 20 Dollar pro Tonne auf mehr als 40 Dollar erhöht hat. Er sagt, der Preis, den die Landwirte erhielten, werde steigen, wenn die Unternehmen mehr für die Gutschriften zahlten. Als die Kohlenstoffprogramme vor einigen Jahren auf den Markt kamen, wurden sie von den Unternehmen als eine Möglichkeit für Landwirte angepriesen, in einer Zeit niedriger Rohstoffpreise zusätzliches Geld zu verdienen. Heute sind die Getreidepreise angesichts einer weltweiten Knappheit hoch, die durch den Einmarsch Russlands in der Ukraine noch verschärft wurde. Dieser Trend hat das Einkommensniveau der Landwirte erhöht und den Bedarf an zusätzlichem Geld durch die Kohlenstoffabscheidung verringert, so Agraranalysten und Führungskräfte von Indigo.


  "Der Markt ist noch im Entstehen begriffen" 

Der Kohlenstoffmarkt ist nach wie vor unterversorgt, was zum Teil dem komplexen Verfahren zur Verifizierung der Kohlenstoffgutschriften von den Feldern der Landwirte geschuldet ist. Das führe zu Verzögerungen, moniert Matthew Marshall von Nutrien. Er sagt, dass die hohen Erntepreise auch die Bereitschaft einiger Landwirte zur Teilnahme verringert haben. Die Unternehmen versuchen, den Übergang zu klimafreundlicheren Praktiken zu erleichtern. Dazu schlagen sie neue Pestizide vor und bieten andere agronomische Tipps und Kniffe, die die Ernteverluste begrenzen können, die eventuell mit der Umstellung auf alternative Praktiken einhergehen, so Leo Bastos von Bayer. Er ist bei dem Leverkusener Konzern für Kohlenstoff-Geschäftsmodelle zuständig. Bastos sagt klipp und klar: "Der Markt ist noch im Entstehen begriffen."

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January 16, 2023 10:13 ET (15:13 GMT)