FRANKFURT/BRÜSSEL (dpa-AFX) - Die Chemieindustrie warnt vor empfindlichen Umsatzverlusten im Zuge der geplanten Chemikalienstrategie aus Brüssel. Sollte das Vorhaben der EU-Kommission umgesetzt werden, dürfte die Branche mindestens 12 Prozent ihres Umsatzes bis 2040 verlieren, teilte der europäische Chemieverband CEFIC am Donnerstag zusammen mit dem Verband der Chemischen Industrie (VCI) mit. Der Umsatz der europäischen Chemiebranche lag demnach 2019 bei rund 543 Milliarden Euro.

Die EU-Kommission hatte im Oktober 2020 eine neue Chemikalienstrategie vorgestellt, mit der schädliche Chemikalien aus Alltagsprodukten wie Spielzeug, Kosmetik, Waschmittel oder Textilien verbannt werden sollen. Ziel ist es, die Verwendung aller Chemikalien sicherer zu machen. Ins Visier nimmt die EU-Kommission etwa Stoffe, die das Hormonsystem stören und Chemikalien, die Immunsystem oder Atemwege schädigen können. Solche Stoffe sollen nicht mehr verwendet werden, sofern dies nicht "für das Allgemeinwohl unverzichtbar" ist. Ein Gesetzgebungsverfahren soll nächstes Jahr beginnen.

Beschränkungen sollten künftig ohne vorherige Risikobewertung und Konsultation der Hersteller im Schnellverfahren vollzogen werden können, warnte der VCI kürzlich. Dadurch würde sich die Zahl verfügbarer Chemikalien deutlich reduzieren.

12 000 chemische Stoffe könnten in den Anwendungsbereich der anstehenden Gesetzesvorschläge fallen, schätzte nun CEFIC. Das höchstwahrscheinlich betroffene Produktportfolio könne bis zu 28 Prozent des geschätzten Branchenumsatzes ausmachen. Nur ein Drittel des Portfolios könne wohl ersetzt oder umformuliert werden. "Außerdem kommt es darauf an, was technisch und wirtschaftlich machbar ist, und wie die Kunden auf die Ersatzstoffe oder neu formulierte Produkte reagieren werden", so der Verband. Am stärksten betroffenen dürften Klebstoffe und Dichtstoffe, Farben, Wasch- und Reinigungsmittel sein.

Die Ziele der Chemikalienstrategie für Nachhaltigkeit erschienen prinzipiell erreichbar, erklärte CEFIC-Präsident Martin Brudermüller. Er forderte aber einen Übergangsrahmen für die Branche. "Die Industrie braucht Vorhersehbarkeit für wirtschaftliche Investitionen in den kommenden zwei Jahrzehnten."/als/DP/ngu